Année politique Suisse 2000 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen
 
Invalidenversicherung (IV)
Nachdem im Vorjahr der 1. Teil der 4. IV-Revision wegen der geplanten Abschaffung der Viertelsrenten an der Urne mit fast 70% Nein-Stimmen deutlich Schiffbruch erlitten hatte, setzte der Bundesrat erneut zur finanziellen Sanierung dieses Versicherungszweiges an, der in den letzten Jahren drastisch in die roten Zahlen abgerutscht ist. Im neuen Gesetzesvorschlag, der Ende Juni in die Vernehmlassung ging, wurden die Viertelsrenten nicht mehr angetastet; abgeschafft werden sollen hingegen die Zusatzrenten für Ehegatten sowie die Härtefallrenten; Behinderte in schwierigen finanziellen Verhältnissen sollen stattdessen einen erleichterten Zugang zu Ergänzungsleistungen erhalten. Zudem möchte der Bundesrat neu Assistenzbeiträge ausrichten können, die es Behinderten ermöglichen sollen, anstatt in einem Heim zu Hause betreut und gepflegt zu werden. Durch das neue System wird die Autonomie und Eigenverantwortung der Behinderten gestärkt, da die Entschädigung direkt an sie ausbezahlt wird, weshalb sie die Art ihrer Betreuung wählen können. Neu organisiert werden soll auch die ärztliche Abklärung. In der Regel führen heute die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die Untersuchungen im Hinblick auf eine IV-Rente durch. Wegen der in den letzten Jahren stark gestiegenen Zunahme von IV-Renten hatte der Bundesrat bereits mehrfach angeregt, spezielle regionale ärztliche Dienste unter Aufsicht des BSV dafür einzusetzen, war dabei aber am Widerstand des Parlaments gescheitert [39].
Die SVP-Fraktion verlangte mit einer Motion, Wege aufzuzeigen, wie durch Anpassungen im IV-Gesetz und im Arbeitsrecht die Wiedereingliederung von IV-Rentnerinnen und -Rentnern in den Arbeitsprozess erleichtert werden kann. Der Bundesrat erinnerte daran, dass in der IV seit jeher der Grundsatz „Eingliederung vor Rente“ gelte und verwies auf die Vorarbeiten zur 4. IV-Revision. Auf seinen Antrag wurde der Vorstoss nur als Postulat überwiesen [40].
 
[39] CHSS, 2000, S. 176 ff. (Schwerpunktthema 4. IV-Revision); Presse vom 19.5. und 29.6.00. Vgl. SPJ 1999, S. 271 f. Zur Assistenzentschädigung siehe CHSS, 2000, S. 48 ff. 39
[40] AB NR, 2000, S. 1191. Der SR überwies stillschweigend ein Postulat David (cvp, SG), das den BR zu prüfen ersucht, weshalb in den letzten Jahren die Häufigkeit von psychisch resp. psychosomatisch bedingten Invaliditäten stark zugenommen hat (AB SR, 2000, S. 526). 40