Année politique Suisse 2000 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen
Berufliche Vorsorge
Am 1. März verabschiedete der Bundesrat die seit langem erwartete Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (
1. BVG-Revision) zuhanden des Parlaments. Die Revision dient der finanziellen Konsolidierung und einer optimalen Durchführung. Ferner stellt sie die Koordination mit den Massnahmen der 11. AHV-Revision her. Hauptpunkte der bundesrätlichen Botschaft sind die Erhöhung des
Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre, die Einführung eines flexiblen Rentenalters (mit versicherungstechnischer Kürzung ohne soziale Abfederung), die Senkung des Umwandlungssatzes zur Sicherstellung der Renten bei
verlängerter Lebenserwartung unter gleichzeitiger Erhöhung der Altersgutschriften, die Begrenzung des überobligatorisch versicherbaren Lohnes auf das Fünffache des oberen Grenzbetrags des Obligatoriums, die Einführung einer Witwerrente sowie eine Verbesserung der paritätischen Mitbestimmung der Arbeitnehmenden. Die Teuerungsanpassung der laufenden Renten soll nicht zwingend vorgeschrieben, die Entscheide jedoch transparenter ausgestaltet werden. Die vom Bundesrat anfänglich noch als wünschenswert bezeichneten sozialpolitischen Anliegen (Besserstellung von Teilzeitarbeitenden und von Personen mit niedrigem Einkommen) waren aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse nicht mehr in der Vorlage enthalten
[41].
Fachleute bemängelten, auch mit dieser Revision werde die Transparenz für die Versicherten noch zu wenig ausgebaut. Der Pensionskassenverband kritisierte die Begrenzung des versicherbaren Einkommens. Auf den
überobligatorischen Bereich der Pensionskassen entfallen über 30 Mia Fr., 5 Mia mehr als die ganze AHV beansprucht. Dies veranlasste Nationalrat und CNG-Präsident Fasel (csp, FR) zu verlangen, der überobligatorische Teil der 2. Säule („Goldgrube für Gutverdienende“ und „Tummelplatz für Steueroptimierer“) müsse redimensioniert werden und die freiwerdenden Gelder über die Mehrwertsteuer zugunsten der AHV abgeschöpft werden. Mit einem Abbau des überobligatorischen Teils um 10% könnte die Ruhestandsrente 62 in der AHV problemlos finanziert werden
[42].
Der Nationalrat verlängerte stillschweigend die Frist für die Umsetzung einer 1998 angenommenen parlamentarischen Initiative Zapfl (cvp, ZH), die eine
Anpassung des Koordinationsabzugs an den Beschäftigungsgrad verlangt; dieses sozialpolitische Anliegen, bleibt also auf der Tagesordnung
[43]. Der Ständerat lehnte hingegen mit 17 zu 11 Stimmen eine Motion Berger (fdp, NE) für eine tiefere Eintrittsschwelle in die Pensionskassen auf Antrag des Bundesrates ab. Bundesrätin Dreifuss verwies auf das diesbezügliche negative Ergebnis der Vernehmlassung. Sie sprach sich auch gegen eine Umwandlung in ein Postulat aus, da die nötigen Abklärungen getroffen worden seien für ein Problem, das in gleichstellungs- und sozialpolitischer Hinsicht tatsächlich bestehe. Sie meinte lakonisch, der Bundesrat habe getan, was er habe tun können, und es sei nun am Parlament, hier allenfalls eine andere politische Weichenstellung vorzunehmen
[44].
Der Bundesrat änderte die Vorschriften im Bereich der
Vermögensanlage der Vorsorgeeinrichtungen. Damit wird eine grössere Flexibilität der Anlagen bei gleichzeitiger Verstärkung der Sicherheit erreicht. Den Pensionskassen wird so ermöglicht, weiterhin eine aktive Rolle im Markt zu spielen, ihre Anlagen zu optimieren und gleichzeitig die Sicherung des Vorsorgezwecks nicht aus den Augen zu lassen
[45].
Eine Motion Spielmann (pda, GE), die für die Weiterführung der
Säule 3a nach Erreichen des Pensionsalters steuerliche Erleichterungen verlangte wie sie für den Leistungsaufschub bei Freizügigkeitseinrichtungen der beruflichen Vorsorge zugelassen sind, wurde auf Antrag des Bundesrates lediglich als Postulat überwiesen
[46].
[41]
BBl, 2000, S. 2637 ff.;
CHSS, 2000, S. 70 ff.; Presse vom 2.3.00. Siehe
SPJ 1999, S. 273. 41
[42]
Bund, 11.3.00;
NZZ, 22.4.00; Presse vom 5.5.00. 42
[43]
AB NR, 2000, S. 654. Siehe
SPJ 1998, S. 228. Zu den Auswirkungen des Koordinationsabzugs für Personen mit niedrigen Einkommen resp. mit mehreren Arbeitgebern siehe
TA, 31.1.00. 4
[44]
AB SR, 2000, S. 524 f. 44
[45]
CHSS, 2000, S. 142 f. Eine Motion Hochreutener (cvp, BE), die verlangte, dass die Bilanzen einer Pensionskasse auch von einem Anlagespezialisten überprüft werden, wurde auf Antrag des BR nur als Postulat verabschiedet (
AB NR, 2000, S. 376). 45
[46]
AB NR, 2000, S. 840. 46
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