Année politique Suisse 2000 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Radio und Fernsehen
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SRG
Im November präsentierte die Leitung der SRG Programmneuerungen bei SF DRS, die ab Januar 2001 schrittweise eingeführt werden sollen. Die Programmoffensive sieht unter anderem eine Vereinheitlichung der Programmzeiten – einen sogenannten „Taktfahrplan“ mit fixen Programmleisten, Kultur am Sonntagabend, mehr Eigenproduktionen in den Hauptsendezeiten und ein verstärktes Informationsangebot in der Mittagszeit vor. Die SRG wollte damit SF DRS als „Sender mit dem schweizerischen Vollprogramm“ profilieren und der deutschen Konkurrenz die Stirn bieten [34]. Die SRG hatte bereits im Frühjahr bei SF DRS Reformen an die Hand genommen und eine neue Abteilung Kultur geschaffen. Mit einem Budget von 23 Mio Fr. bündelt die 42-köpfige Abteilung Sendungen aus den Ressorts Information, Unterhaltung sowie „Film, Serien und Jugend“, womit die Entwicklung und Erneuerung der bestehenden Sendeformate vorangetrieben werden soll. Die Wiedereinführung der 1993 abgeschafften Kulturabteilung ab 1. Juli des Berichtsjahres sollte aber auch im Hinblick auf die Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zum RTVG die Wahrnehmung des im Service public enthaltenen Kulturauftrags dokumentieren. Zum Leiter der neuen Kulturabteilung wurde der Bündner Publizist und langjährige Professor für rätoromanische Sprache und Literatur, Iso Camartin, gewählt [35]. Im weiteren strebte die SRG eine Umwandlung des Experiments „SF Info“ in ein Definitivum an und reichte zusammen mit der Verlegergemeinschaft Presse TV als Mitgründerin des Repetitionskanals Mitte Jahr entsprechende Konzessionsgesuche beim Bundesrat ein [36].
Für grosse Aufregung sorgten die Pläne des neuen Radiodirektors Walter Rüegg, unter dem unspektakulären Titel „Gebäudeplanung“ eine Zentralisation bei Radio DRS mit weitreichenden Folgen in die Wege zu leiten. Das Projekt sah die Etablierung des Hauptstudios in Zürich, eine Redimensionierung der bisher gleichberechtigten Studios in Basel und Bern sowie die Beibehaltung der Regionalstudios St. Gallen und Aarau vor. Dank einem eindeutigen Produktionsschwerpunkt versprach sich die Radiodirektion eine Straffung der Betriebsabläufe, Einsparungen bei der teuren Infrastruktur und damit eine Reduktion der Betriebskosten. Mit der Überweisung des Postulats Joder (svp, BE) durch den Nationalrat ging die Einladung an den Bundesrat zu prüfen, ob eine Zentralisierung der Radio-Studios in Zürich mit dem Service-public-Auftrag von Radio DRS vereinbar beziehungsweise staatspolitisch vertretbar sei. Überdies sei zu prüfen, ob die dezentrale Programmherstellung für Sendungen von Radio DRS aus den drei deutschsprachigen Landesstudios Basel, Bern und Zürich in der neuen Konzession der SRG ab 1.1.2003 explizit zu verankern wäre. Nicht zuletzt als Reaktion auf die von verschiedenster Seite und teilweise heftig geäusserte Kritik an ihren Zentralisierungsplänen legte die Radiodirektion im November drei Varianten vor, über die der Regionalratsausschuss von Radio DRS bis im Frühjahr 2001 zu entscheiden hat. Nebst den zwei Varianten „Teilzentralisierung Bern“ und „Teilzentralisierung Zürich“, welche von Rüegg als die kosteneinsparendsten favorisiert wurden, stand auch die Variante „Status quo Plus“ zur Diskussion – eine Optimierung des bestehenden Systems mit drei Hauptstudios in Basel, Bern und Zürich [37].
Die nach wie vor umstrittene Neuausrichtung von Radio DRS 3 zeitigte Erfolg. Der Sender konnte eine Erhöhung seiner Tagesreichweite im ersten Halbjahr um fast 90 000 Zuhörerinnen und Zuhörer in der Deutschschweiz verbuchen. Innert Jahresfrist stieg der Marktanteil von 8 auf 11%. Die Programmleitung führte die guten Resultate auf das neue, den Massengeschmack anpeilende Musikprofil zurück, das bei seiner Einführung 1999 für etliche Kritik gesorgt hatte [38].
Das DRS-Schulfernsehen wurde nicht wie vorgesehen auf Ende 2000 abgeschafft. Die SRG machte die geplante Kündigung der Zusammenarbeitsverträge mit den Erziehungsbehörden und dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) rückgängig und beschloss, das Schulfernsehen um ein umfangreiches Internet-Angebot zu ergänzen. Gemäss SRG-Fernsehdirektion gründe der Entscheid unter anderem auf der sehr guten Nutzung des Programms. Bildung sei ein klassischer Fall von Service public, und das Schulfernsehen habe eine wichtige Bedeutung im Rahmen des Bildungsprogramms [39].
Auch beim italienischsprachigen Radio und Fernsehen RTSI hielten Neuerungen Einzug. Remigio Ratti, seit Anfang des Berichtsjahres RTSI-Direktor, präsentierte im März ein neues RTSI-Logo und stellte eine Öffnung des Senders sowohl in Richtung Süden als auch in Richtung Norden in Aussicht. RTSI wolle sich nicht nur zwischen Zürich und Mailand, sondern auch in diesen beiden Metropolen etablieren. Denn das Publikum von RTSI setze sich sowohl aus der Bevölkerung der italienischen Schweiz als auch aus den 600 000 italienischsprachigen Bewohnerinnen und Bewohnern in der Schweiz nördlich der Alpen sowie aus der Bevölkerung im norditalienischen Einzugsgebiet zusammen. RTSI stationierte eine Radio- und eine Fernsehkorrespondentin in Mailand, für welche ein Studio im dortigen Centro Svizzero eingerichtet wurde. Im Laufe des Berichtsjahres wurde bei TSI mit einer Aufteilung der Programmverantwortung auf vier Departemente (Information, Kultur, Unterhaltung und Sport) sowie mit einem Ausbau des Informationsprogramms in der Hauptsendezeit gezielt ein jüngeres Publikum angesprochen. Gemäss RTSI-Direktor Ratti habe TSI zahlreiche treue Zuschauerinnen und Zuschauer, deren Durchschnittsalter aber mit 55 Jahren zu hoch sei, wolle TSI langfristig überleben [40].
Nicht zustande kam eine Mehrheitsbeteiligung der SRG an der Lokalstation World Radio Geneva (WRG). Das UVEK lehnte ein entsprechendes Gesuch des Lokalsenders ab, der sich dank einer Erhöhung des SRG-Anteils von den bisherigen 42,5 auf 51 Prozent eine Besserung seiner finanziellen Probleme erhofft hatte. Mit seinem Entscheid vermied es das UVEK, ein Präjudiz zu schaffen, hält doch die SRG nirgends die Aktienmehrheit an einem lokalen Rundfunkveranstalter – obwohl dies rechtlich nicht a priori ausgeschlossen wäre. Zur Urteilsbegründung wurde aber angeführt, das Gesetz reserviere den lokalen Raum privaten Anbietern; zudem hätte eine Mehrheitsbeteiligung am WRG die Position der SRG in Genf übergebührlich gefestigt [41].
Die Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Fernsehanbietern wurde in der Romandie mit der Gründung der Communauté Télévisuelle Romande (CTR) institutionalisiert. Die TSR und acht private Regionalveranstalter setzten sich zum Ziel, unter den Beteiligten Synergien im redaktionellen und technischen Bereich zu entwickeln, den Austausch von Bildmaterial zu regeln, gemeinsame finanzielle Interessen hinsichtlich Gebühren, Werbeeinnahmen und Sponsoring zu verteidigen, die Berichterstattung fallweise zu koordinieren und sich der Ausbildung anzunehmen – ohne die Unabhängigkeit der Partner zu beeinträchtigen. Die Gründung von CTR war eine Bestätigung mehr für die in der Westschweiz – im Vergleich zur Region DRS – sehr viel besser spielende Kooperation zwischen öffentlichen und privaten TV-Anbietern [42].
Die schwierige Suche nach einer Nachfolge von Regionaldirektor Guillaume Chenevière bei der Westschweizer SRG-Regionalgesellschaft RTSR fand mit der Wahl von Gilles Marchand, bisheriger Geschäftsführer von Ringier Romandie, ein Ende. Chenevière, der 1998 nach einem Null-Entscheid des RTSR-Direktoriums betreffend der beiden zur Wahl stehenden Nachfolgekandidaten für weitere drei Jahre zur Übernahme des Amts verpflichtet worden war, wird 2001 altershalber zurücktreten [43].
In einem Grundsatzurteil sprach das Berner Strafeinzelgericht die SRG des Verstosses gegen das RTVG für schuldig. Bei der Ausstrahlung von Verkehrsinformationen auf Radio DRS waren Werbeslogans mit Sponsorennennungen verknüpft worden. Der Richter hielt fest, eine Umgehung des Werbeverbotes werde möglich, würden neben der Sponsorennennung auch noch Slogans zugelassen. Der Entscheid hatte angesichts mehreren noch hängigen Verfahren gegen die SRG im Zusammenhang mit Sponsoring wegweisenden Charakter [44]. Als zulässiges Sponsoring qualifizierte das Bundesgericht hingegen die Erwähnung von ACS und TCS in Verkehrsmeldungen von Radio DRS, auch wenn diese im Vorfeld von verkehrspolitischen Urnengängen gemacht wurden. Damit hob das Gericht ein Urteil der UBI auf, das Radio DRS der politischen Werbung bezichtigt hatte [45].
Im September stimmten die Mitglieder des Syndikats Schweizer Medienschaffender (SSM) in einer Urabstimmung dem neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) mit der SRG zu. Zentrale Neuerungen des auf Januar 2001 in Kraft tretenden Vertrags sind ein erweiterter Geltungsbereich und ein grösserer Ferienanspruch [46].
 
[34] Presse vom 8.11.00. Zum Geschäftsbericht der SRG siehe auch Link, 6/2000, Nr. 6, S. 10 f.34
[35] NZZ, 3.3.00; Presse vom 7.4.00; BaZ, 19.4.00.35
[36] Presse vom 28.6.00. Vgl. SPJ 1999, S. 347.36
[37] AB SR, 2000, S. 1604; Ww, 11.5.00; BaZ, 12.5. und 12.8.00; Bund, 12.5. und 29.5.00; SGT, 29.5.00; NZZ, 15.9.00; Presse vom 9.11.00. Vgl. hierzu auch die Antwort des BR auf den Vorstoss Wasserfallen (fdp, BE) betreffend die Frage, ob die Aufhebung der Studios Basel und Bern der „idée suisse“ widerspreche (AB NR, 2000, S. 1202).37
[38] NLZ, 21.10.00. Vgl. SPJ 1999, S. 344.38
[39] NZZ, 13.10.00.39
[40] CdT, 10.2.00; NZZ, 17.3. und 22.9.00.40
[41] Presse vom 9.2.00. Vgl. hierzu auch die Antwort des BR auf den Vorstoss Fehr (sp, SH) betreffend die kapitalmässige Beteiligung der SRG an Lokalradiostationen (AB NR, 2000, II, Beilagen, S. 410 f.).41
[42] NZZ, 23.6.00; TG, 29.8.00.42
[43] Presse vom 25.8.00; vgl. SPJ 1998, S. 339.43
[44] NZZ, 1.12.00.44
[45] NZZ, 10.2.00. Vgl. SPJ 1999, S. 345.45
[46] Bund, 30.9.00. Vgl. SPJ 1999, S. 345.46