Année politique Suisse 2001 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Sozialdemokratische Partei (SP)
Im Frühling gab die SP bekannt, dass ihre Rechnung für das Jahr 2000 ein Defizit von rund 430 000 Fr. aufweise und sie auf grossangelegte Kampagnen verzichten müsse. Um die Finanzkrise zu überwinden, erwog sie eine Passivmitgliedschaft, die nicht zur Mitarbeit auf allen Stufen der Partei verpflichtet. Neue Mitglieder sollten durch die Monatszeitung links.ch gewonnen werden, die seit dem Sommer elf mal jährlich in einer Auflage von 50-60 000 Exemplaren erscheint und mit Ausnahme der links-intellektuellen „Roten Revue“ alle bestehenden SP-Mitteilungsblätter ersetzen soll. Eine Benefizgala und eine Auktion waren im Herbst geplant, wurden jedoch wegen der Swissair-Sondersession auf Februar 2002 verschoben [5].
Nach nur einem Jahr gab Ursula Dubois, Zentralsekretärin für Presse und Kommunikation, ihren Rücktritt bekannt. Sie hätte Kommunikationschefin und Chefredaktorin der neuen Mitgliederzeitschrift links.ch werden sollen; das Amt des Pressesprechers wäre an Jean-Philippe Jeannerat gefallen. Interimistisch übernahm SP-Vizepräsident Hans-Jürg Fehr die Chefredaktion von links.ch. Mit Katrin Scheidegger-Ogi erhielt die SP Schweiz erstmals eine stellvertretende Generalsekretärin [6].
An der Delegiertenversammlung von Neuenburg präsentierten die Sozialdemokraten zwölf Thesen zur Bildungsoffensive, mit der sie zur Vereinheitlichung des Bildungsraumes Schweiz aufriefen. Mit 134:74 Stimmen bei 7 Enthaltungen votierten die Anwesenden überraschend deutlich für die Bewaffnung von Armeeangehörigen bei Auslandeinsätzen. Zuvor hatten sich die Genfer, Waadtländer und Tessiner Kantonalparteien gegen diese Revision des Militärgesetzes ausgesprochen. Ein Antrag auf Stimmfreigabe wurde mit Zweidrittelsmehrheit abgelehnt [7]. Auf Druck von Partei und Öffentlichkeit musste die Zürcher Nationalrätin Barbara Haering den anonymen Spender bekannt geben, der ihrem friedenspolitischen Komitee zu Gunsten der Kampagne für die Militärgesetzrevision 100 000 Fr. hatte zukommen lassen. Es stellte sich heraus, dass die Grossbank UBS der FDP 200 000 Fr. zur freien Verfügung übergeben hatte, worauf diese dem linken Pro-Komitee die Hälfte vermachte. Anonymität und Identität der Spenderin führten SP-intern zu intensiven Debatten [8].
Anfangs Mai thematisierte die SP-Fraktion in einer Richtungsdebatte Meinungsverschiedenheiten, aber auch Fragen der Strategie und des internen Arbeitsklimas, die Parteiexponenten angesprochen hatten. Zur Diskussion stand nach der verunglückten Strategie bei der letzten Bundesratswahl auch die Regierungsbeteiligung der Partei und damit verbunden ihr politischer Kurs. Nach ausführlicher Erörterung beschloss die Fraktion, weiterhin eine profiliert linke Politik zu verfolgen und ihre beiden Sitze im Bundesrat zu verteidigen [9].
Nur eine knappe Woche später präsentierten die Berner Nationalrätin Simonetta Sommaruga, der Historiker Tobias Kästli, der Professor für Politikwissenschaft Wolf Linder und der Könizer Gemeindepräsident Henri Huber im sogenannten Gurtenmanifest zehn Thesen für eine neue SP-Politik. Sie forderten unter anderem, die Partei solle ihre Staatsgläubigkeit und Marktskepsis ablegen und die Begrenzung der Zuwanderung akzeptieren. Parteipräsidentin Christiane Brunner bezeichnete das Papier als gute Diskussionsgrundlage, distanzierte sich aber von den Ausführungen über die Sozialpolitik. Der Gewerkschafter und Waadtländer Nationalrat Pierre-Yves Maillard und drei weitere Linkssozialisten warfen den Autoren vor, die Basis zu verraten, welche nichts von der Privatisierung wissen wolle und die Umwandlung der SP in eine vierte bürgerliche Partei zu planen. Welsche Sozialdemokraten unterstrichen, die Betonung linker Positionen habe wenig mit Traditionalismus und überholter Ideologie zu tun, sondern sei eine Überlebensstrategie gegenüber der PdA und der SVP. In einem Grundsatzpapier distanzierten sich prominente SP-Mitglieder vom Gurtenmanifest und forderten eine liberale Ausländerpolitik ohne Einwanderungsbeschränkungen [10].
An der Delegiertenversammlung in Luzern sprachen sich die Anwesenden für die Post-Initiative und die Volksinitiative „Nationalbankgewinne für die AHV“ aus. Erstere bekämpft Abbaupläne der Post, letztere will im Gegensatz zur Gold-Initiative der SVP nicht Reserven, sondern Gewinne der Nationalbank der AHV zugute kommen lassen [11].
Im Oktober beschlossen die Sozialdemokraten an ihrer Delegiertenversammlung in Freiburg mit knappem Mehr Stimmfreigabe für die zweite Armeeabschaffungsinitiative der GSoA; die Geschäftsleitung hatte ein Ja empfohlen. Ausserdem lehnten sie gegen den Willen der Parteileitung das Elektrizitätsmarktgesetz mit einer Zweidrittelsmehrheit ab. Die Parteileitung hatte den Entscheid hinausschieben und die Verordnung abwarten wollen [12].
An ihrer Delegiertenversammlung in Winterthur beschloss die SP die Ja-Parole zum Uno-Beitritt der Schweiz und zur Initiative „für eine kürzere Arbeitszeit“ [13].
In den kantonalen Parlamentswahlen mussten die Sozialdemokraten den Verlust von insgesamt 26 Mandaten hinnehmen: Im Aargau, wo sie bisher die stärkste Kraft waren, verloren sie einen Drittel ihrer Sitze (-12) an die SVP und stellen nur noch die drittgrösste Fraktion. In Freiburg büssten sie sechs, in Neuenburg drei und in Genf zwei Mandate ein. Einzig im Wallis gewannen sie drei Sitze hinzu. In den Regierungsratswahlen konnte die SP ihre Vertretung halten. In Lausanne verzichtete der bisherige SP-Stadtpräsident auf eine erneute Kandidatur und ermöglichte damit, dass erstmals ein Vertreter der Grünen ins Stadtpräsidium gewählt wurde.
 
[5] Finanzkrise: BZ, 21.4.01; Presse vom 23.4.01. Monatszeitung: BZ, 29.5.01; NZZ, 30.5.01; TA, 21.6.01. Gala: LT und NZZ, 16.10.01; TA, 26.11.01.5
[6] Presse vom 17.4.01; WoZ, 19.4.01; NZZ, 30.5.01 (Dubois). LT, 7.9.01 (Scheidegger-Ogi).6
[7] Presse vom 2.4.01.7
[8] TA, 5.6.01; Bund und TA, 7.6.01.8
[9] Presse vom 5.5. und 7.5.01 (einzelne Stellungnahmen: Strahm: TA, 3.1.01; BZ, 1.5.01; 24h, 4.5.01; Gamma: WoZ, 5.1.01 und TA, 8.1.01; Pierre-Yves Maillard und Andreas Gross: LT, 1.5.01. Kritik an Präsidentin Christiane Brunner nach der massiven Ablehnung der von der SP unterstützten EU-Beitrittsinitiative: Presse vom 6.3.-10.3.01 und SGT, 8.3.01.9
[10] Presse vom 11.5.01; Bund, 12.5.01; Bund und SGT, 2.6.01; TA, 11.7.01 (Autoren des Grundsatzpapiers waren der Zürcher SP-Präsident Koni Loepfe und die Migrationsspezialistin Maria Roselli. Zu den Unterzeichnenden gehörten 17 Mitglieder der eidg. Fraktion, u.a. Cavalli, Fässler, Gross, Goll, Maillard und Thanei sowie rund 100 weitere SP-Mitglieder). 10
[11] Presse vom 25.6.01. 11
[12] Presse vom 8.10.01. 12
[13] Presse vom 10.12.01. 13