Année politique Suisse 2001 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Grüne Partei (GP)
Im August kündigte Ruedi Baumann seinen Rücktritt als Parteipräsident auf Ende Oktober an, weil er in Frankreich einen Bio-Landwirtschaftsbetrieb übernahm. Sein Nationalratsmandat wollte er jedoch behalten. Im Vordergrund für seine Nachfolge stand ein Mitglied der Fraktion. Weil die GP eine Ämterkumulation von Fraktionsvorsitz und Parteipräsidium ablehnte, kam eine Kandidatur von Cécile Bühlmann (LU) nicht in Frage. Als Favoriten galten die Mitglieder des Nationalrats Ruth Genner (ZH) und Patrice Mugny (GE). Kurzfristig war nicht klar, ob auch der Berner Grossrat und ehemalige Parteisekretär Bernhard Pulver sich bewerben und die Partei zu einem Richtungsentscheid zwingen würde, da er als liberaler gilt als die beiden Favoriten. An der Delegiertenversammlung vom Oktober wählten die Grünen auf Antrag der Parteileitung ein Kopräsidium mit Patrice Mugny und Ruth Genner; damit wurden sie der Tatsache gerecht, dass die Partei in letzter Zeit in der Romandie hatte Erfolge verbuchen können. Mugny, früherer Chefredaktor beim linkskatholischen Le Courrier, ist politischer Sekretär der Genfer Grünen und Westschweizer Koordinator der Alpen-Initiative. Er hat den Ruf, Themen rasch zu erkennen und zu analysieren und Provokation auch gezielt einzusetzen. In jüngster Zeit setzte er sich vor allem für die Antiglobalisierung und die „Sans-papiers“ ein. Genner, als Lebensmittel-Ingenieurin tätig, war zehn Jahre Zürcher Kantonsrätin und präsidierte die VCS-Sektion. Sie gilt als stille Schafferin mit viel Sachkompetenz [53].
Das Berner Grüne Bündnis und das Demokratische Nidwalden erhielten Beobachterstatus [54].
Anfangs Jahr beschloss der Parteivorstand die Ja-Parole zur Volksinitiative „Ja zu Europa“. Die Baselstädtischen und die Luzerner Grünen hingegen beschlossen Stimmfreigabe, die Berner und die Schaffhauser stimmten für ein Nein, und die übrigen 15 Kantonalparteien schlossen sich der Mutterpartei an. Ebenfalls ein Ja empfahlen die Grünen zur Initiative „Strassen für alle“ [55].
Im März entschied sich die Delegiertenversammlung mit 32:28 Stimmen bei drei Enthaltungen, das Referendum gegen das Elektrizitätsmarktgesetz zu unterstützen. Es ginge in erster Linie darum, den Service public zu bewahren [56].
An ihrer Delegiertenversammlung in Delémont beschlossen die Grünen zweimal die Nein-Parole zu den Militärgesetzrevisionen (Bewaffnung bei Auslandeinsätzen und Ausbildungszusammenarbeit). Für die Vorlagen votierten insbesondere die Berner, dagegen argumentierten Vertreter aus der Romandie. Der Text der Vorlage sei zu schwammig; so sei die Unterstützung von Kriegseinsätzen, die von der NATO geführt würden, nicht ausgeschlossen. Ausserdem ziehe ein Ja weitere Rüstungsbeschaffungen nach sich. Die Befürworter wiesen vergeblich darauf hin, dass es, da Gewalt existiere, bei allem Pazifismus eine Macht brauche, welche Ordnung als Voraussetzung für zivile Entwicklung schaffe. Die Abschaffung des Bistumsartikels wurde gutgeheissen; einen Antrag auf Stimmfreigabe lehnten die Delegierten mit 26:22 Stimmen ab. In einer Resolution beharrten die Grünen auf dem Nachtfahrverbot für Lastwagen und forderten ein LKW-Verbot an staugefährdeten Tagen. Ausserdem verlangten sie die Erhöhung der LSVA auf das Niveau der Brenner-Gebühren, eine LKW-Kontingentierung und eine Kleintransporterabgabe [57].
Im Herbst verurteilte die GP den Terrorismus und den Krieg in Afghanistan. Die Reaktion der USA und ihrer Alliierten sei keine adäquate Reaktion auf die grauenhaften Terrorakte vom 11. September. Parteipräsidentin Genner kritisierte den grünen deutschen Aussenminister Joschka Fischer und bedauerte, das dieser für den Krieg in Afghanistan einstünde. Des weiteren verabschiedeten die Grünen eine Resolution für ein Ausschaffungsmoratorium für Papierlose [58].
In den kantonalen Parlamentswahlen konnten die Grünen ihre Delegation im Aargau, in Genf und in Neuenburg um vier Mandate verstärken, mussten in Solothurn jedoch fünf Verluste hinnehmen, weil sie nur noch in einem Bezirk angetreten waren. Robert Cramer konnte seinen Sitz in der Genfer Regierung verteidigen. Im Lausanner Parlament legten die Grünen auf Kosten der SP vier Sitze zu und stellen mit Daniel Brélaz den Stadtpräsidenten.
 
[53] TA, 23.2.01; SoZ, 26.8.01; Presse vom 27.8.01; TA, 28.8.01; NZZ, 6.9.01; TA, 7.9.01; Bund und BZ, 11.9.01; BZ, 18.9.01. Pulver: SoZ, 23.9.01; NZZ, 27.9.01; LT und 24h, 28.9.01; LT und TA, 29.9.01. Wahl: SGT, 26.10.01; Presse vom 27.10. und 29.10.01. 53
[54] Bund, 5.5.01; NZZ, 7.5.01; Presse vom 29.10.01. 54
[55] NZZ, 13.1.01; Bund, 14.2.01. 55
[56] NZZ und TA, 12.3.01. 56
[57] NZZ und TA, 7.5.01. 57
[58] Presse vom 29.10.01. 58