Année politique Suisse 2001 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein / Grundsatzfragen
Die Auseinandersetzung um die
Verwendung der nicht mehr für die Währungspolitik benötigten Goldbestände der Nationalbank ging im Berichtsjahr weiter. Der Bundesrat veröffentlichte im Februar seine Position zu der im Vorjahr von der SVP eingereichten Volksinitiative für eine Zuweisung aller Erträge aus dem Verkauf der nicht mehr benötigten Goldreserven an die AHV. Er empfahl sie zur Ablehnung, da dadurch nicht nur die Solidaritätsstiftung verhindert würde, sondern auch der Bund und die Kantone auf unbefristete Zeit hinaus ein Anrecht auf diese Mittel verlören
[3]. Ein aus SP-Politikern gebildetes Komitee lancierte schliesslich noch eine zweite Volksinitiative. Diese will nicht die überflüssigen Goldreserven, sondern den jährlichen Reingewinn der Nationalbank (abzüglich einer Mia Fr. pro Jahr für die Kantone) in den AHV-Ausgleichsfonds einfliessen lassen
[4].
Der
Ständerat befasste sich als Erstrat mit den Anträgen des Bundesrats aus dem Vorjahr zur Verwendung der verfügbaren Goldbestände. Dabei wich er, mit dem Einverständnis des Bundesrats, von dessen Vorschlag ab, die Verwendung der nicht für die Solidaritätsstiftung benötigten Gelder erst später in einem Gesetz zu regeln. Seine WAK argumentierte, diese Verteilungsfrage sei von derartiger Bedeutung, dass sie im Rahmen einer Übergangsbestimmung auf Verfassungsebene entschieden werden müsse. Dies biete zudem den Vorteil, der
Goldinitiative der SVP einen direkten Gegenvorschlag gegenüber zu stellen. Der Ständerat beschloss auf Antrag seiner WAK, dass der gesamte Verkaufserlös der 1300 t Gold (rund 18 Mia Fr.) in einen auf 30 Jahre befristeten Fonds einfliessen soll, welcher bewirtschaftet wird und dessen Substanz real erhalten werden muss. Die
Fondserträge sollen
zu je einem Drittel der Solidaritätsstiftung, der AHV und den Kantonen zukommen. Ein Antrag Hess (fdp, OW), auf die Solidaritätsstiftung zu verzichten und zwei Drittel der Fondserträge an die Kantone zu überweisen, wurde mit 35:9 Stimmen abgelehnt. Bei der Beratung des Gesetzes über den Zweck und die Organisation der Solidaritätsstiftung hielt sich der Rat weitgehend an die Vorgaben des Bundesrats. Zu Reden gab insbesondere ein knapp abgelehnter Antrag der Kommissionsmehrheit, dass die Mitglieder des Stiftungsrats nicht älter als 40 Jahre sein dürfen. Die Kommissionsmehrheit wollte damit zusätzlich verdeutlichen, dass diese Stiftung zukunftsgerichteten Projekten verpflichtet ist und nichts mit der schweizerischen Politik während des 2. Weltkriegs zu tun hat
[5].
Als Zweitrat schloss sich der
Nationalrat diesen Entscheiden an. Zuvor hatte er sich allerdings mit einer Reihe von Anträgen auseinanderzusetzen, welche eine andere Ertragsverteilung wünschten. Der SP war vor allem das Drittel für die Kantone ein Dorn im Auge; Gewerkschafter innerhalb der SP sympathisierten sogar offen mit einer Unterstützung der „Goldinitiative“ der SVP. Ohne Erfolg versuchten die Sozialdemokraten, den Kantonsanteil mit einer Zweckbindung zugunsten von Bildungsausgaben zu versehen (Antrag Fässler, SG); von vielen SP-Abgeordneten unterstützt wurde auch ein Antrag Marti (sp, GL), die Kantone leer ausgehen zu lassen und zwei Drittel für den AHV-Fonds zu reservieren. Erfolglos blieb ebenfalls der Versuch von Kaufmann (svp, ZH), mit einer Zuweisung der gesamten Erträge an die AHV auf 30 Jahre ein offensichtliches Manko der SVP-Initiative (Zuweisung auf unbeschränkte Zeit) zu beheben. Eine Abweichung zum Ständerat ergab sich beim Vorgehen nach dreissig Jahren. Die kleine Kammer hatte beschlossen, dass, falls nicht durch eine neue Verfassungsbestimmung eine Verlängerung (unter Umständen mit einem neuen Zweck der Mittelverwendung) beschlossen wird, das Stiftungsvermögen zum üblichen Verteilschlüssel für Nationalbankgewinne (ein Drittel Bund, zwei Drittel Kantone) an die öffentliche Hand fallen soll. Der Nationalrat stimmte mit knapper Mehrheit einem Antrag Rechsteiner (sp, BS) zu, der für diesen Fall das Fondsvermögen vollumfänglich der AHV übertragen will. In der Gesamtabstimmung wurde der Gegenvorschlag zur SVP-Initiative gegen den Widerstand der SVP gutgeheissen. In der noch nicht abgeschlossenen Differenzbereinigung bestätigte der Ständerat seinen Beschluss zum Verteilungsmodus für den Fall, dass die Stiftung nach dreissig Jahren nicht weitergeführt werden sollte
[6].
[3]
BBl, 2001, S. 1403 ff. Vgl.
SPJ 2000, S. 16.3
[4]
BBl, 2001, S. 1499 ff.4
[5]
AB SR, 2001, S. 406 ff.;
TA, 3.2.01; Presse vom 5.5.01 (Modell der WAK-StR). Vgl.
SPJ 2000, S. 15 f.5
[6]
AB NR, 2001, S. 1120 ff.;
AB SR, 2001, S. 755 ff.; Presse vom 25.9. und 26.9.01.6
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