Année politique Suisse 2001 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Volksrechte
Gegen Jahresende beantragte der Bundesrat dem Parlament eine
Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte. Er beabsichtigt dabei insbesondere, die rechtlichen Grundlagen für kantonale Versuche mit der
elektronischen Stimmabgabe (via Internet) zu schaffen. Der Bundesrat soll ferner explizit ermächtigt werden, spezielle Informationskampagnen zur Verbesserung der Wahlchancen von Frauen und jungen Personen durchzuführen. Daneben soll die Bundeskanzlei beauftragt werden, die Unterschriftenlisten für Initiativen und Referenden im Internet bereitzustellen; allerdings nur zum Herunterladen und Ausdrucken und nicht zum direkten Unterzeichnen. Da in der neuen Bundesverfassung die
Parteien rechtlich verankert sind, sollen sie in Zukunft bei den Nationalratswahlen privilegiert behandelt werden. Wenn sie sich bei der Bundeskanzlei
registrieren lassen, würde für sie die Vorschrift nicht gelten, dass für die Wahlteilnahme mit einer Liste eine bestimmte Anzahl Unterschriften (100-400 je nach Kantonsgrösse) eingereicht werden muss. Diese Erleichterung würde allerdings nur registrierten Parteien gewährt, die bei den vorangegangenen nationalen Wahlen im betreffenden Kanton einen Sitz gewonnen oder einen Stimmenanteil von mindestens 3% erreicht haben. Voraussetzung für die Registrierung selbst ist, gemäss dem Entwurf des Bundesrates, die Organisation der Partei als Verein und die Vertretung mit entweder mindestens einem Sitz im Nationalrat oder je drei Sitzen in drei Kantonsparlamenten
[24]. Die vom Ständerat mit der Überweisung eines Postulats seiner SPK formulierte Anregung, das bezahlte Sammeln von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden zu verbieten, wurde vom Bundesrat nicht in das Reformpaket aufgenommen
[25].
Die SPK des Nationalrats präsentierte ihre Vorschläge zur Umsetzung der im Vorjahr gutgeheissenen parlamentarischen Initiative Stamm (cvp, LU) zur Wahrung der
Lauterkeit in der Abstimmungswerbung. Sie beantragte, mit einer Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte eine vom Bundesrat ernannte Fachkommission zu schaffen, welche Beanstandungen von Stimmberechtigten überprüft und ihre Stellungnahme dazu öffentlich bekannt macht. Über eine Entscheidbefugnis, z.B. zur Verhinderung von beanstandeten Aussagen, verfügt die Kommission jedoch nicht; auf der anderen Seite ist ihre Stellungnahme auch nicht rekursfähig. Entsprechende Terminvorgaben sollen dafür sorgen, dass diese Stellungnahmen noch vor dem Abstimmungstag publiziert werden. Der Bundesrat lehnte diese von der SPK vorgeschlagene neue Instanz ab, da sie den Regeln der freien Meinungsbildung widersprechen würde. Zudem wies er auf kontraproduktive Effekte einer derartigen Kontrolle hin, welche den Urhebern unlauterer Propaganda zu zusätzlicher Publizität verhelfen könnte
[26].
Bei den
Nationalratswahlen ist in den kleinen Kantonen mit wenigen Mandaten infolge des hohen natürlichen Quorums die
Proporzgerechtigkeit nur bedingt verwirklicht. In den zehn kleinsten Kantonen (AI, AR, GL, JU, OW, NW, SH, SZ, UR und ZG) beträgt diese ‚Sperrklausel‘ zwischen 25% und 50%. Auch wenn die Sitzverteilung im Nationalrat insgesamt relativ gut dem gesamtschweizerischen Kräfteverhältnis der Parteien entspricht, bestehen in einzelnen Regionen starke Disproportionen. Zudem fehlt in diesen kleinen Wahlkreisen oft ein politischer Wettbewerb mit echten Auswahlmöglichkeiten für die Wahlberechtigten, weil kleinere Parteien von vorneherein auf eine Beteiligung an der Wahl verzichten. Nationalrat Vollmer (sp, BE) versuchte mit einer parlamentarischen Initiative diesen Zustand zu verändern und schlug dazu die Zusammenfassung der Kantone zu Wahlkreisverbänden nach dem Vorbild des Kantons Bern vor. Auf Antrag seiner SPK, welche insbesondere vor einer dabei entstehenden Dominanz der kleinen Kantone durch die grossen und durch die Städte warnte, lehnte der Nationalrat diese Forderung ab
[27].
[24]
BBl, 2001, S. 6401 ff.;
AZ, 19.6.01;
BaZ, 1.12.01. Die rasche Einführung der elektronischen Stimmabgabe war im Vorjahr mit parlamentarischen Vorstössen verlangt worden (vgl.
SPJ 2000, S. 37). Der Kanton Genf begann mit den Vorarbeiten zu Testversuchen mit dem E-Voting (
LT, 23.3.01;
Bund, 11.5.01;
TG, 22.12.01).24
[25]
AB SR, 2001, S. 503 f.25
[26]
BBl, 2002, S. 389 ff. und 407 ff.; Presse vom 27.10.01. Vgl.
SPJ 2000, S. 44. Siehe auch Bundeskanzlei (Hg.),
Das Engagement von Bundesrat und Bundesverwaltung im Vorfeld von eidgenössischen Abstimmungen, Bern 2001 sowie
TA und
NZZ, 23.11.01. Ein weiteres Beispiel für falsche Behauptungen lieferten die Gegner der Militärgesetzrevision, welche in Inseraten proklamierten, die geplanten Auslandeinsätze der Armee würden 600 Mio Fr. pro Jahr (statt rund 200 Mio Fr.) kosten (vgl.
TA, 14.6.01).26
[27]
AB NR, 2001, S. 348 ff.27
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