Année politique Suisse 2001 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Finanzausgleich
Die Vorbereitungsarbeiten für den Neuen Finanzausgleich (NFA) konnten im Berichtsjahr abgeschlossen werden; gegen Jahresende legte der Bundesrat seine Botschaft vor. Ende April gab die NFA-Delegation bekannt, mit einem „Härteausgleich“ in der Höhe von 525 Mio Fr. jährlich (Bund: 350 Mio, Kantone: 175 Mio) die politische Akzeptanz des Vorhabens sicherstellen zu wollen. Damit sollten die beim Übergang vom geltenden zum neuen System schlechter gestellten Kantone entlastet werden. Profitieren würden die finanzschwachen Kantone Obwalden, Freiburg, Appenzell Ausserrhoden, Neuenburg und Jura sowie die Waadt und die finanzstarken Kantone Zürich und Nidwalden. Der Härteausgleich führe dazu, dass alle Kantone mit einem unterdurchschnittlichen Steuerpotenzial beim NFA als Gewinner hervorgingen. Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) erklärte sich grundsätzlich einverstanden, senkte aber den Betrag für Härtefälle auf 430 Mio Fr.; Ende Juni fand das Projekt auch die Billigung der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK). Nein sagten Zug und Genf, der Stimme enthielten sich Neuenburg, Aargau, Jura und Zürich. Zug befürchtete einen Zwang zu Steuererhöhungen und als Folge die Abwanderung von Firmen ins Ausland, während Genf grundsätzliche Vorbehalte äusserte. Die Rhonestadt sei zwar bereit, ärmere Kantone zu unterstützen, aus Genfer Sicht benachteilige das neue System diese jedoch weiterhin, wie das Beispiel des Jura zeige. Ende August wurde auf Antrag Zugs eine ausserordentliche FDK einberufen. Diese entschied mit 22:2 Stimmen gegen den Antrag der Zuger Regierung, den NFA mit einer Belastungsobergrenze für finanzstarke Kantone zu ergänzen. Ein Gutachten der Universität St. Gallen hatte die Abwanderungsgefahr von juristischen Personen ins Ausland bei einer jährlichen Zusatzbelastung für Zug in der Höhe von 110 bis 120 Mio Fr. verneint 48 Presse vom 27.4., 22.6. und 26.6.01; NLZ; 25.8. und 20.9.01. 48.
Mitten im Sommerloch verkündete die SP, sie erwäge, mit einer Volksinitiative die Steuern landesweit anzugleichen – dies als Ergänzung zum NFA oder an dessen Stelle. Sie befürworte zwar den Ressourcenausgleich, doch gehe dieser mit einer Reduzierung der Steuerbelastungsunterschiede um 10% bis 20% zu wenig weit. Der Finanzausgleich müsse mit einer materiellen Steuerharmonisierung verknüpft werden. Mit der Initiative, über die der Parteitag 2002 entscheiden soll, will die SP Druck machen auf die Parlamentsberatungen 49 Presse vom 25.7.01. Zum Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen und seinen Folgen vgl. NZZ, 27.1.01; QJ, 2.2.01. 49.
Anfangs November legte der Bundesrat die Finanzkraft der Kantone für die Jahre 2002 und 2003 neu fest. Dieser Index gilt bis zur Inkraftsetzung des NFA und beruht auf den vier Kriterien Volkseinkommen, Steuerkraft, Steuerbelastung und Anteil des Berggebiets. Verschiebungen ergaben sich in drei Fällen: Die beiden Appenzell stiegen in die Gruppe der mittelstarken Kantone auf, derweil Bern neu zu den finanzschwachen Kantonen zählt 50 Presse vom 8.11.01. 50.
Im gleichen Monat veröffentlichte der Bundesrat auch seine Botschaft zur „Neuausgestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen“ (NFA). Es geht dabei um Aufgaben, in welchen bisher beide Staatsebenen über Kompetenzen verfügten und bei denen der Verlauf der Finanzströme aus den unterschiedlichen Quellen oft wenig übersichtlich ist. Neu soll der Bund für sieben dieser Bereiche abschliessend zuständig sein (z.B. für den Betrieb und den Unterhalt der Nationalstrassen oder die Landesverteidigung); in dreizehn Bereichen tragen hingegen die Kantone künftig allein die Verantwortung (z.B. bei den Sonderschulen, den Lehrmitteln für Turnen und Sport oder der Verbesserung der Wohnverhältnisse in Berggebieten). In neun Bereichen (mit Bundesbeteiligung) werden die Kantone gesetzlich zur Zusammenarbeit und zum Lastenausgleich verpflichtet (z.B. Straf- und Massnahmenvollzug oder Hoch- und Fachhochschulen). Zwölf Bereiche bleiben Verbundaufgaben, wobei der Bund die Kantone mit Pauschalen für Mehrjahresprogramme anstatt mit Subventionen für Einzelprojekte unterstützen will (z.B. öffentlicher Regionalverkehr oder Prämienverbilligung in der Krankenversicherung).
Kernelement der Vorlage bildet das neue Ausgleichssystem, das nicht mehr auf der kantonalen Finanzkraft, sondern auf dem sogenannten Ressourcenindex beruht, welcher vom fiskalisch ausschöpfbaren Steuerpotential der Kantone ausgeht. Dieser aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse von 1999 revidierte Ressourcenindex enthält keine Lastenelemente. Doch will der Bund übermässige und unbeeinflussbare Lasten der Kantone, die sich aus ihren geographisch-topographischen Gegebenheiten oder ihrer Bevölkerungsstruktur ergeben, gezielt ausgleichen. Da das Parlament sowohl die Eckwerte des Ressourcenausgleichs als auch den Umfang des Lastenausgleichs festlegen kann, soll der Finanzausgleich, der die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit und damit auch in der Steuerbelastung der Kantone verringern soll, politisch steuerbar werden. Um den Übergang von der heutigen Regelung zur NFA abzufedern und Härtefälle zu vermeiden, gewähren Bund und Kantone ressourcenschwachen Kantonen gezielte Übergangshilfen. Die Botschaft enthielt auch eine Wirkungsanalyse der vorgeschlagenen Instrumente. Diese ergab, dass wertmässig rund 40% der heutigen Aufgaben entflochten würden. Damit vergrössere sich der Handlungsspielraum von Bund und Kantonen und steigere ihre Effizienz. Die Vorlage erfordert eine Reihe von Verfassungsänderungen, welche im Rahmen der Botschaft beantragt wurden. Die nötigen Gesetzesanpassungen sollen im Anschluss an die Verabschiedung der NFA in einer zweiten Botschaft vorgeschlagen werden 51 BBl, 2002, S. 2291 ff.; Presse vom 15.11.01. 51.