Année politique Suisse 2001 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit
 
Arbeitswelt
Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) 2001 des BFS erfasste erstmals auch neuere Arbeitsformen und mass den Arbeitsbedingungen mehr Gewicht zu. Demnach arbeiteten zum Zeitpunkt der Erhebung bereits 5% der Erwerbstätigen nach einem Jahresarbeitszeitmodell. Arbeit auf Abruf leisteten 4%, 1,7% waren mit Heimarbeit (inkl. Telearbeit) beschäftigt und 9,1% arbeiteten regelmässig Schicht. Die Bedeutung der Teilzeitarbeit nahm nochmals zu (von 29,3% auf 30,7%), sowohl bei den Frauen (55,1% gegenüber 53,5% im Vorjahr) als bei den Männern (11,1% vs. 10,3%); rund die Hälfte der Teilzeiterwerbenden leisteten ein Pensum von 50% und mehr. Festgestellt wurde auch, dass Frauen häufiger als Männer und Ausländer öfter als Einheimische unter atypischen Arbeitsbedingungen tätig sind [4].
Gemäss einer Studie der Caritas erfüllt jedes zehnte Arbeitsverhältnis die Kriterien des Prekären. Unter dieser zunehmenden Arbeitsform verstanden die Autoren Arbeitsverhältnisse, die in mehrfacher Hinsicht Unsicherheiten aufweisen, und welche die Existenzsicherung, die Kontinuität sowie die soziale Sicherheit nicht gewährleisten. Prekäre Arbeitsverhältnisse sind beispielsweise Temporärjobs, Arbeit auf Abruf, Gelegenheitsarbeit, Teilzeit- und Schwarzarbeit. Auch Kleinstselbständige befinden sich oft in einer vergleichbaren Lage. Besonders Frauen sind von diesen Arbeitsformen betroffen. Die Autoren schätzten, dass jede sechste Erwerbstätige (16,8%) in einer prekären Arbeitssituation lebt [5].
Die vom Bundesrat geplante Offensive gegen die Schwarzarbeit wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich begrüsst, insbesondere von der Linken und den Gewerkschaften. Die bürgerlichen Parteien sowie Arbeitgeberkreise bedauerten, dass die Ursachen der Schattenwirtschaft zu wenig berücksichtigt wurden; diese lägen bei zu hohen Steuern und schwerfälligen administrativen Abläufen. Gegen schärfere Sanktionen hatten die Parteien nichts einzuwenden. Umstritten war hingegen der Vorschlag, fehlbare Arbeitgeber bis zu fünf Jahren von öffentlichen Aufträgen auszuschliessen. Die SVP und der Arbeitgeberverband bezeichneten dies als unverhältnismässig. Demgegenüber fand der Baumeisterverband, die Massnahme sei nötig, um einen fairen Wettbewerb zu garantieren. Linke und Gewerkschaften forderten noch höhere Bussen. Im bürgerlichen Lager rief die Einführung tripartiter Kommissionen Skepsis hervor. FDP und CVP waren der Ansicht, die Überwachung der Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag sollte allein den Kantonen obliegen. Die Idee, die Deklaration der Arbeit von Haushalthilfen zu vereinfachen, stiess allgemein auf positives Echo, doch wollten die Bürgerlichen „Bagatellfälle“ wie das Babysitting davon ausnehmen [6].
In der Schweiz werden jeden Monat 44 Mio Stunden an unbezahlter Arbeit geleistet. Dies entspricht dem Arbeitsvolumen von rund 248 000 Vollzeitstellen. Gemäss dem BFS führt jede vierte Person mindestens eine ehrenamtliche freiwillige Tätigkeit aus, etwa in Sport- und Kulturvereinen oder bei Interessenvereinigungen. Während sich Männer stärker in der organisierten Freiwilligenarbeit engagieren, findet man Frauen häufiger in der informellen Nachbarschaftshilfe. Der Zeitaufwand dafür beträgt bei den Frauen im Durchschnitt 5,7 Stunden pro Monat (bzw. 20 Stunden, wenn es sich um verbindliche Engagements wie regelmässige Kinderbetreuung oder Pflege handelt), während es bei den Männern nur 2 bzw. 13 Stunden sind [7].
Da ihm die darin enthaltenen Forderungen zu weit gingen, lehnte der Nationalrat eine parlamentarische Initiative Zisyadis (pda, VD) ab, die eine breite Anerkennung der gemeinnützigen Arbeit verlangte (bezahlter Urlaub, Weiterbildung, System der sozialen Sicherheit, Steuerabzug für persönliche Auslagen). Hingegen nahm er gegen den Antrag des Bundesrates, der auf den enormen administrativen Aufwand verwies, knapp ein Postulat seiner WAK an, das die Regierung beauftragte, die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen zu prüfen, damit Steuerabzüge für Aufwendungen, die durch die Ausübung gemeinnütziger Arbeit entstehen, zugelassen werden [8].
 
[4] Presse vom 19.10.01.4
[5] Lit. Prodoillet / Knöpfel; Presse vom 7.11.01.5
[6] Presse vom 20.1. und 26.4.01. Siehe SPJ 2000, S. 185. Vgl. auch unten, Teil I, 7d, Ausländerpolitik. Das Seco schätzte, dass 2001 rund 37,5 Mia Fr. mit Schwarzarbeit erwirtschaftet wurden; das sind gut 9% des BIP (WoZ, 16.8.01).6
[7] NZZ, 23.5.01.Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR zu einer Frage Simoneschi (cvp, TI) in AB NR, 2001, S. 762.7
[8] AB NR, 2001, S. 864 ff. Zur Freiwilligenarbeit siehe auch eine Interpellation Stähelin (cvp, TG) in AB SR, 2001, S. 543.8