Année politique Suisse 2001 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit
 
Arbeitsmarkt
Im Laufe des Jahres begann sich die abflauende Konjunktur auf den Arbeitsmarkt auszuwirken. Während die Indikatoren des vom BFS vierteljährlich veröffentlichten Beschäftigungsbarometers im ersten Quartal noch eine Fortsetzung des Beschäftigungswachstums gegenüber dem Vorjahr auswiesen (+1,7%), zeigte sich im zweiten Quartal bereits eine Verlangsamung (+1,0%), die im vierten Quartal gegen Null tendierte (+0,4%). Im sekundären Sektor (-0,6%) und in der Grossregion Zürich (-0,2%) war die Beschäftigung sogar rückläufig. Im Jahresverlauf schuf die Wirtschaft aber immer noch netto rund 30 000 neue Arbeitsplätze. Das BFS zählte am Jahresende 16 000 Stellen mehr als ein Jahr zuvor (+0,4%), die Erwerbstätigenstatistik wies eine Zunahme um 47 000 Einheiten aus (+0,7%). Auffällig war weiterhin die Diskrepanz zwischen Voll- und Teilzeitarbeit: Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten blieb praktisch konstant, während die Teilzeitstellen stark zulegten, wobei sich auch der Beschäftigungsgrad erhöhte [9].
Trotz nach wie vor bestehender Arbeitslosigkeit klagten mehrere Branchen über einen austrocknenden Arbeitsmarkt. Der Mangel an Arbeitskräften scheint besonders die beiden Extreme der Qualifikationsskala zu betreffen. In seiner Antwort auf eine Interpellation Simoneschi (cvp, TI) anerkannte der Bundesrat, dass in den Branchen, welche hochqualifizierte Arbeitskräfte verlangen, tatsächlich Engpässe bestehen, weshalb er sich entsprechend seiner neuen Ausrichtung der Ausländerpolitik auch bereit erklärte, gut ausgebildeten Arbeitnehmenden aus Staaten ausserhalb der EU und der EFTA kontingentierte Arbeitsbewilligungen zu erteilen. Er bestritt aber einen Mangel an unqualifizierten Arbeitskräften aus dem EU-Raum (insbesondere aus Südeuropa); seiner Ansicht nach ist das Fehlen ausreichender Hilfsarbeiter darauf zurückzuführen, dass Betriebe in strukturschwachen Branchen, insbesondere in der Landwirtschaft und im Gastgewerbe nicht gewillt sind, angemessene Löhne auszurichten [10].
Sorgen bereitet sowohl dem Arbeitgeberverband wie den Angestelltenverbänden die hohe Fluktuation im Arbeitsmarkt. Über alle Branchen hinweg beträgt sie seit der Konjunkturerholung Ende 1999 10,3%, was über dem internationalen Durchschnitt von 9% liegt. Für die Arbeitgeber bringt die neu erwachte „Wanderlust“ der Arbeitnehmenden – wobei es sich in erster Linie um jüngere, männliche Kader ohne Familienpflichten handelt – hohe Anwerbungs- und Einarbeitungskosten. Die Angestelltenverbände befürchten ob dem von den jungen Kaderleuten praktizierten „Lohnjumping“ (rascher Wechsel zu besser bezahlten Stellen) eine verstärkte Frustration der älteren und erfahreneren Kaderleute [11].
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Arbeitslosigkeit
Mit durchschnittlich 67 200 Personen erreichte die Arbeitslosigkeit den tiefsten Stand seit 1991. Die Arbeitslosenquote verbesserte sich gegenüber dem Vorjahr von 2,0% auf 1,9% der Erwerbsbevölkerung. Ende Juni erreichte sie sogar das Rekordtief von 1,6%. Allerdings schlug die Konjunkturverlangsamung in der zweiten Jahreshälfte auf die Situation am Arbeitsmarkt durch: Ende Jahr waren über 86 000 Personen als arbeitslos gemeldet. Gesamthaft gesehen bestätigten sich die Trends der letzten Jahre: Die Westschweiz und das Tessin waren stärker von Arbeitslosigkeit betroffen (2,8%) als die Deutschschweiz (1,5%), Frauen (2,3%) mehr als Männer (1,6%) und ausländische Arbeitskräfte (3,8) über dreimal so viel wie Schweizer (1,3%). Während die Arbeitslosigkeit in allen Sektoren und den meisten Wirtschaftszweigen zurückging (am stärksten im Gastgewerbe: von 6,1% auf 5,3%) nahm sie in den Bereichen Energie, Wasser und Bergbau, Banken sowie Beratung, Planung und Informatik leicht zu. Die Konjunkturabkühlung führte auch zu wieder steigender Kurzarbeit. Betroffen waren 134 Betriebe (2000: 91) und 2424 Arbeitnehmende (655); 143 921 (44 542) Arbeitsstunden fielen aus [12].
 
[9] Presse vom 30.5., 29.8., 28.11.01 und 1.3.02.9
[10] AB NR, 2001, VI, Beilagen, S. 483 ff. Siehe unten, Teil I, 7d, Ausländerpolitik. Zum geltend gemachten Arbeitskräftemangel nach Branche vgl. LT, 15.6.01. Für Weiterbildungsmassnahmen zu Gunsten von weniger qualifizierten Arbeitnehmenden sowie von Frauen siehe unten, Teil I, 8a (Berufsbildung). 10
[11] Lit. Henneberg / Souza-Posa; TA, 27.6.01; Presse vom 21.11.01; Bund, 23.11.01 (Arbeitgeberpräsident Hasler). 11
[12] Presse vom 9.1.2002; Die Volkswirtschaft, 2002, Nr. 6, S. 76*-79*. 12