Année politique Suisse 2001 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
Jenische
In seinem ersten Bericht zur Umsetzung des 1998 ratifizierten Übereinkommens des Europarates zum
Schutz nationaler Minderheiten erklärte der Bundesrat, Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Minderheitenschutzes gebe es in der Schweiz lediglich mit den Fahrenden. Da die Rechtsordnung der Schweiz im Wesentlichen eine sesshafte Gesellschaft reglementiere, entspreche sie nicht immer den Bedürfnissen der nomadisierenden Bevölkerung, was zu Problemen bei der Konkretisierung derer Rechte führen könne. Der Bundesrat bedauerte in diesem Zusammenhang, dass die Fahrenden auch in der Schweiz in der Vergangenheit Opfer von Verfolgung wurden. Heute hätten sich die Beziehungen zwischen den Behörden und den Jenischen aber verbessert, und der Staat bemühe sich, diese Minderheit zu schützen und ihr Hilfe zu leisten
[26].
Trotz dieser Versicherung berief sich der Bundesrat auch im Berichtsjahr auf allfällige Ansprüche der Fahrenden in den Bereichen Bildung, Raumplanung und Arbeitsbedingungen, um sich der
Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 zum Schutz der indigenen Völker zu widersetzen. 2000 hatte er mit dem Verweis auf die unklare Fassung des Wirkungsbereichs erreicht, dass der Nationalrat eine diesbezügliche Motion Gysin (sp, BS) lediglich als Postulat überwies. Mit der gleichen Argumentation versuchte er nun erneut, eine entsprechende Motion der APK des Nationalrates abzublocken. Im Plenum machten die Befürworter geltend, es handle sich hier um einen wesentlichen Bereich des allgemeinen Menschenrechts, weshalb der Schutz der Minderheiten nicht an den Landesgrenzen Halt machen dürfe. Obgleich der Bundesrat diesmal gar Ablehnung des Vorstosses beantragte, weil die ILO in der Zwischenzeit bestätigt hatte, die Konvention könnte tatsächlich auf die Fahrenden angewendet werden, falls diese sich selber als indigenes Volk bezeichnen sollten, wurde die Motion knapp mit 78 zu 72 Stimmen angenommen. Dafür sprach sich das links-grüne Lager sowie ein Teil der CVP aus. Der Ständerat schloss sich dann aber der Auffassung des Bundesrates an und lehnte die Motion mit 28 gegen 5 Stimmen ab
[27].
Das Parlament stimmte auf Antrag des Bundesrates einem Kredit von 750 000 Fr. für die Jahre 2002-2006 zu Gunsten der
Stiftung „Zukunft für Schweizer Fahrende“ zu. Damit ist die Arbeit der 1997 vom Bund ins Leben gerufenen Stiftung für weitere fünf Jahre sichergestellt
[28]. Die Stiftung hat den Auftrag, die Lebensbedingungen der fahrenden Bevölkerung in der Schweiz zu verbessern und einen Beitrag zur Wahrung ihres kulturellen Selbstverständnisses zu leisten. Aus einem im Frühsommer vorgelegten Bericht der Stiftung ging allerdings hervor, dass sich Kantone und Gemeinden in der Frage der Quartiere nach wie vor oft querlegen, weshalb es schwierig sei, die bis 2010 zusätzlich benötigten 30 Stand- und Durchgangsplätze für jene rund 2500 Schweizerinnen und Schweizer (von insgesamt 35 000 Jenischen) bereitzustellen, die noch als fahrende Händler und Handwerker durchs Land ziehen
[29].
[27]
AB NR, 2001, S. 509 ff.;
AB SR, 2001, S. 889 f. Entsprechend gab der StR auch einer Petition des Bruno-Manser-Fonds für eine Ratifizierung keine Folge (
a.a.O., S. 1042). Siehe
SPJ 2000, S. 248 f. 27
[28]
BBl, 2001, S. 1583 ff.;
AB NR, 2001, S. 655 ff.;
AB SR, 2001, S. 536. 28
[29] Presse vom 12.6.01;
Ww, 16.8.01.29
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