Année politique Suisse 2001 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
Kinder- und Jugendpolitik
Nationalrat Janiak (sp, BL) verlangte in einer Motion den Erlass eines Rahmengesetzes, das Bund und Kantone auf eine
umfassende Jugendförderungspolitik verpflichtet; zudem sei eine Bundesstelle zu errichten, welche die Arbeiten aller Verwaltungseinheiten, die mit Jugendfragen zu tun haben, koordiniert und die Kantone in ihren diesbezüglichen Anstrengungen unterstützt. Der Bundesrat war grundsätzlich mit dem Anliegen der Motion einverstanden und befürwortete auch den Weg über ein Rahmengesetz. Wegen mangelnder personeller Ressourcen beantragte er aber Umwandlung in ein Postulat. Der Motionär war demgegenüber der Ansicht, die Forderung, die seit mindestens 1995 auf dem Tisch liege, dulde keinen weiteren Aufschub, weshalb er an der verbindlichen Form seines Vorstosses festhielt. Der Nationalrat folgte seiner Argumentation und nahm die Motion mit 89 zu 63 Stimmen an. Gleichzeitig überwies er eine Motion Wyss (sp, BE) für eine Förderung der politischen Beteiligung der Jugendlichen als Postulat
[62].
Ebenfalls in Motionsform verlangte Nationalrat Berberat (sp, NE), der Bundesrat solle dem Parlament die nötigen gesetzlichen Massnahmen vorschlagen, damit die Schweiz ihre Vorbehalte gegenüber dem
UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes zurückziehen kann. Bundesrätin Metzler erklärte, es sei ein Ziel des Bundesrates, die Vorbehalte so rasch als möglich zurückzunehmen. In allen Bereichen, die von den Vorbehalten erfasst werden, seien seit der Ratifizierung Gesetzesreformen angepackt worden. Da sich diese aber noch in verschiedenen Verfahrensstadien befinden, beantragte sie erfolgreich Umwandlung in ein Postulat. Abschliessend sprach Metzler Artikel 5 der Konvention an, wo auf Antrag der ständerätlichen Kommission ein Vorbehalt bezüglich des Vorrangs der elterlichen Gewalt formuliert worden war. Sie erinnerte daran, dass der Bundesrat stets die Auffassung vertreten habe, dass dieser Vorbehalt rechtlich nicht zwingend sei. Da sich die Rechtslage seit Genehmigung der Konvention nicht geändert habe und sich kaum ändern werde, interpretiere der Bundesrat die Motion auch in der Postulatsform als verbindliches Signal der Bundesversammlung, den Vorbehalt bei nächster Gelegenheit zurückzuziehen. Andernfalls müssten die Räte ausdrücklich ein Festhalten an diesem Vorbehalt beschliessen
[63].
300 000 Kinder stehen nach Schätzungen der UNO weltweit in Krisengebieten unter Waffen. Sie werden von Rebellen und regulären Armeen als Kindersoldaten eingesetzt, oft dazu gezwungen, misshandelt und sexuell missbraucht. Gegen dieses Elend formulierte die UNO 2000 nach mehrjährigen Verhandlungen ein internationales Abkommen, formell ein Protokoll zur Verschärfung der UNO-Kinderrechtskonvention, die das
Mindestalter für Rekrutierungen und Kriegsdienste bei 15 Jahren festsetzte. Im Zusatzprotokoll wird die Altersgrenze auf 18 Jahre angehoben. Die Schweiz spielte bei der Ausarbeitung des Protokolls eine sehr aktive Rolle, weshalb der Bundesrat dem Parlament umgehend die Ratifizierung beantragte, um ein politisches Zeichen an die internationale Staatengemeinschaft auszusenden. Zudem will er über die Verpflichtungen des Protokolls hinausgehen und das Mindestalter auch für die Rekrutierung von Freiwilligen beachten. Das bedingt eine Änderung des Militärgesetzes, das bisher die freiwillige vorzeitige Aushebung und das Einrücken in die Rekrutenschule im 17. oder 18. Altersjahr zuliess. Zudem will sich die Schweiz verpflichten, asylsuchenden ehemaligen Kindersoldaten bei der Bewältigung erlittener physischer und psychischer Schäden zu helfen
[64].
Obwohl beide Kammern im Vorjahr grundsätzlich der Ratifizierung des Haager Abkommens und einem entsprechenden Ausführungsgesetz für die
Adoption ausländischer Kinder zugestimmt hatten, führte eine Detailbestimmung, nämlich die Kompetenz zur Erteilung von Bewilligungen für Adoptionsvermittlungsstellen, noch zu einem längeren Hin und Her zwischen den Räten. In Übereinstimmung mit dem Bundesrat wollte der Ständerat diese Kompetenz wie bis anhin bei den Kantonen belassen, während der Nationalrat eine gesamtschweizerisch einheitliche Regelung anstrebte. Nach einem ersten Scheitern der Einigungskonferenz wurde schliesslich ein Kompromiss gefunden, der weitgehend der Haltung des Nationalrates entspricht, die Kantone aber trotzdem nicht ganz vom Verfahren ausschliesst
[65].
[62]
AB NR, 2001, S. 1537 ff. Vgl.
SPJ 1995, S. 273 und
2000, S. 255. Zu Forderungen im Bereich der Jungparteien siehe unten, Teil III, a (Parteiensystem). 62
[63]
AB NR, 2001, S. 286 f. Der BR veröffentlichte seinen ersten Bericht zur Umsetzung der Kinderkonvention. Siehe
Gerber Jenni, Regula, „Der erste Bericht der Schweiz zum UNO-Übereinkommen über die Rechte des Kindes“, in
CHSS, 2001, S. 37 f. 63
[64]
BBl, 2001, S. 6309 ff.;
TA, 6.9.01. 64
[65]
AB SR, 2001, S. 4 ff., 263 f. und 471;
AB NR, 2001, S. 181 ff., 726 f. und 951. Siehe
SPJ 2000, S. 255 f. Im EJPD wurde bereits im Sommer dazu ein spezieller Dienst geschaffen (
LT, 22.8.01).65
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