Année politique Suisse 2001 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Grundschulen
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Schulreformen und -modelle
Die im Vorjahr vom Nationalrat ganz knapp überwiesene Motion Zbinden (sp, AG) für eine gesamtschweizerische Volksschulreform wurde vom Ständerat abgelehnt. Der Vorstoss verlangte vom Bundesrat, die Kantonsregierungen und die Schweizerische Konferenz der Kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zur gemeinsamen Realisierung einer schweizerischen Volksschulmodernisierung anzuhalten [8].
Der St. Galler Grosse Rat stimmte einer Revision des Volksschulgesetzes und damit einem „Repressionsartikel“ zur Einrichtung von „Besonderen Unterrichts- und Betreuungsstätten“ (BUB) für renitente Schülerinnen und Schüler zu. Demnach können gewalttätige, für den Unterricht nicht mehr tragbare Schülerinnen und Schüler von den Vormundschaftsbehörden für ein Jahr in die BUB eingewiesen werden – auch ohne Zustimmung der Eltern. Laut den Behörden wird ab Beginn des neuen Schuljahres im August 2002 die Einweisung von aus der Schule ausgeschlossener Jugendlichen in ein Strafinternat Realität werden. Dank der Bereitstellung der BUB hätten die Vormundschaftsbehörden nun die Möglichkeit, auch in schwierigen Situationen fördernde Massnahmen für die Schülerinnen und Schüler einzuleiten [9]. Im Kanton Bern stimmte das Parlament einer Revision des Volksschulgesetzes zu, womit der Ausschluss von renitenten Schülerinnen und Schülern während maximal zwölf Wochen pro Schuljahr möglich wird. Im weiteren ermöglicht das revidierte Gesetz flexible Lösungen für die Integration von Schulkindern mit unterschiedlichen Lernfähigkeiten [10] .
Im Kanton Tessin erlitt die heftig und kontrovers debattierte Volksinitiative „für eine effektive Freiheit in der Wahl der Schule“ mit über 74% Nein-Stimmen eine vernichtende Niederlage. Das Volksbegehren mit nationaler Signalwirkung hatte Bildungsgutscheine als Beiträge an Eltern, die ihre Kinder in Privatschulen schicken, in der Höhe von rund 10 Mio Fr. verlangt. Dass es der Stimmbevölkerung mit der Verwerfung der Initiative um das Prinzip der Bildungsgutscheine für Privatschulen an sich – und nicht um die Frage nach der Beitragshöhe – gegangen war, zeigte sich in der Ablehnung des Gegenvorschlags mit über 72% Nein-Stimmen. Der Gegenvorschlag hatte tiefere Beiträge und eine Beschränkung der Zahlungen auf die obligatorische Schulzeit vorgesehen. Bei beiden Vorlagen hätten auch einkommensstarke Eltern von den Gutscheinen profitiert. Die Initianten bedauerten das Abstimmungsergebnis und beklagten, die Bevölkerung habe das Begehren als Angriff auf die öffentliche Schule und als Geschenk an begüterte Eltern missverstanden [11].
Keine Folge gab der Nationalrat der Motion Wandfluh (svp, BE) für klare Zertifizierungsrichtlinien für Diplome. Der Vorstoss hatte eine Bestimmung von Zertifizierungsrichtlinien auf einfachem, unbürokratischem Weg verlangt, damit Privatschulen ihren Marktvorteil der Topaktualität gegenüber den staatlich subventionierten Anbietern nutzen könnten. Ziel war dabei ein fairer Wettbewerb bei standardisierten Diplomstudien gewesen [12].
 
[8] AB SR, 2001, S. 536 ff.; NZZ, 21.9.01. Vgl. SPJ 2000, S. 262.8
[9] SGT, 9.5., 25.9. und 28.9.01; NZZ, 14.12.01; vgl. SPJ 2000, S. 343 f.9
[10] Bund, 5.4., 6.4. und 6.9.01.10
[11] Bund, 10.2.01; Presse vom 12.2.01; LT, 17.2.01; TA, 19.2.01; vgl. SPJ 2000, S. 263.11
[12] AB NR, 2001, S. 1989.12