Année politique Suisse 2001 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Medienpolitische Grundfragen
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Qualitätssicherung und Selbstkontrolle
Beim Presserat gingen im Berichtsjahr erneut mehr Beschwerden ein als in den vergangenen Jahren. Hatten 1999 noch 39 Klagen behandelt werden müssen, war die Zahl im Jahr 2000 auf 55 gestiegen und belief sich im Berichtsjahr auf 68. Zwei Fälle griff der Presserat von sich aus auf, und 70 Verfahren wurden abgeschlossen. Die Mehrarbeit wurde unter anderem auf die wachsende Bedeutung des Rats als Organ der medialen Selbstreflexion zurückgeführt. Die Statistik widerspiegelte zudem die vermehrte Bereitschaft, das Gremium auch wegen unbedeutenderen Angelegenheiten anzurufen: die Zahl der abgewiesenen Beschwerden stieg auf 25 (1999: 11; 2000: 17) sowie diejenige der zurückgezogenen Beschwerden auf 15 (1999: 4; 2000: 9). Im Präsidialverfahren, das im Jahr 2000 zur Entlastung des Presserats von Fällen untergeordneter Bedeutung eingeführt worden war, konnten 32 Fälle erledigt werden. Gutgeheissen wurden 6, teilweise gutgeheissen 18 Beschwerden. Von den 54 Stellungnahmen, die der Rat im Berichtsjahr veröffentlichte, betrafen 20 den Persönlichkeitsschutz, wobei es in etlichen Fällen nicht „nur“ um die Privat-, sondern auch um die Intimsphäre gegangen war. Unlautere Recherchen und die Behandlung von Leserbriefen standen an zweiter bzw. dritter Stelle [10].
Peter Studer, ehemaliger Chefredaktor des Schweizer Fernsehens DRS sowie des „Tages-Anzeigers“ und seit Februar des Berichtsjahres neu gewählter Präsident des Presserates, legte die künftige Agenda des Rates dar. Dabei betonte er unter anderem die Wichtigkeit eines stärkeren Einbezugs der Verleger in die mediale Selbstkontrolle, einer besseren Berücksichtigung der Medienethik in der hausinternen Aus- und Weiterbildung sowie einer dezidierten Abwehr von Verrechtlichungstendenzen im Mediensektor [11].
Der Presserat stellte in der Kriminalberichterstattung eine Zunahme rassistischer Vorurteile fest und empfahl, auf die Nationalitätennennung zu verzichten, ausser diese sei für den Kontext einer Tat relevant. Die Medienschaffenden hätten bei Berichten über kriminelle Ereignisse besonders darauf zu achten, dass einzelne Gruppierungen nicht diskriminiert würden. Rassistisch und deshalb zu unterlassen sei die Zuordnung von negativen Eigenschaften als typisch für die Angehörigen einer Nation, Ethnie oder Religion [12]. Für einiges Aufsehen sorgte die Rüge des Presserats an die Adresse des Chefredaktors des Westschweizer Wirtschaftsmagazins „Bilan“. Dieser hatte eine Uhr im Wert von über Fr. 1000 zum 70% tieferen Fabrikpreis erworben und sich für einen Foto-Auftritt im Jahresbericht eines Westschweizer Unternehmens ablichten lassen. Obwohl Medienschaffende durch öffentliche Auftritte das Image ihres Mediums fördern dürfen, sei es ihnen laut Presserat untersagt, sich zugunsten von Werbung für Dienstleistungen oder Produkte Dritter einspannen zu lassen [13].
An der Konferenz der Chefredaktoren rief der ehemalige Präsident des Presserats, Roger Blum, zur Einrichtung flächendeckender Ombudsstellen auf. Der Schweizer Presserat sei als nationales Selbstkontrollorgan finanziell zu sichern und auszubauen, denn eine Branche, die als mächtiger als der Staat angesehen werde, bedürfe auch der Kontrolle. Der neue Präsident der Konferenz, Chefredaktor des Schweizer Fernsehens DRS Filippo Leutenegger, sprach sich gegen eine Verrechtlichung des Presserats aus. Dieser müsse eine publizistische Instanz sein und nicht zum juristischen Gremium verkommen. Den Tendenzen zur Überregulierung sei die Selbstkontrolle entgegenzuhalten [14].
Die AZ-Medien Gruppe setzte erstmals einen Ombudsmann für ihre Zeitungen und Online-Auftritte ein. In das Amt wurde Josef Rennhard, ehemaliger Chefredaktor des „Beobachters“, gewählt. Der Ombudsmann soll zwischen Nutzerinnen und Nutzern, von Medienberichten betroffenen Personen und Institutionen sowie den Macherinnen und Machern der AZ-Medien vermitteln. Dabei hat er für eine Weiterentwicklung der Diskussionskultur wie auch für Verständnis gegenüber den Regeln und Gesetzesmässigkeiten des Medienalltags zu sorgen [15].
Der Schweizer Verband der Journalistinnen und Journalisten (SVJ) legte Ende des Berichtsjahres ein neues Reglement für das Berufsregister (BR) zuhanden der beiden anderen Mediengewerkschaften comedia und Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) vor. Ziel ist es, ein neues und gesamtschweizerisch einheitliches BR für Medienleute zu schaffen, wobei die wichtigsten Änderungen eine Flexibilisierung des Registers sowie eine Betonung der ethischen Aspekte anstreben und insbesondere die Aufnahmebedingungen in das Register betreffen: Nicht mehr die Einkommenshöhe, sondern die eingesetzte Zeit (mindestens 50% während zweier Jahre) definiert die „hauptberufliche Tätigkeit“. Zudem gilt die journalistische Tätigkeit an sich und nicht das Medium als Aufnahmekriterium. Aufnahmewillige müssen sich künftig auf die Standesregeln des Berufs verpflichten [16].
 
[10] NZZ, 18.1.02; Bund, 13.4.02. 10
[11] TA, 25.1.01; NZZ, 26.1. und 20.4.01; AZ, 3.2.01; Presse vom 8.2.01. Entgegen Studers Empfehlung entschied sich die Trägerschaft des Presserats jedoch gegen einen Einbezug der Verlegerseite und lehnte die Erweiterung des Stiftungsrats durch Verleger und Veranstalter der elektronischen Medien ab (ssmgazette, 3/2001, S. 16 f.). 11
[12] Bund, 13.3.01; NZZ, 16.3.01; AZ, 22.3.01; TA, 12.7.01. 12
[13] Presse vom 1.3.01; NZZ, 2.3.01. 13
[14] NZZ, 15.6. und 23.11.01; TA, 16.6.01. 14
[15] AZ, 22.12.01. 15
[16] ssmgazette, 3/2001, S. 4 f.; Bund, 30.10.01; TA, 1.11.01; NZZ, 2.11.01. 16