Année politique Suisse 2002 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Grüne Partei (GP)
Die Empfehlungen der Grünen Partei zu den eidgenössischen Vorlagen deckten sich mit jenen der Sozialdemokraten. Anfang Januar empfahlen die Grünen die Ja-Parole zu den beiden Volksinitiativen "für den Beitritt der Schweiz zur UNO" und "für eine kürzere Arbeitszeit". Hauptthemata der Delegiertenversammlung bildeten jedoch das Weltwirtschaftsforum in New York/Davos (WEF) und das Weltsozialforum in Porto Alegre. In einer Resolution forderten die Grünen eine Isolierung der WEF-Teilnehmenden. Behörden und Nichtregierungsorganisationen sollten keine Vertreter mehr ans WEF schicken, stattdessen aber ans Weltsozialforum. Anschliessend beschäftigten sich die Grünen mit dem Schächtverbot. Einerseits gehe es darum, jegliche Aussage zu vermeiden, die als antisemitisch interpretiert werden könne, andererseits, für den Tierschutz einzustehen [48].
Im Frühsommer erklärte die GP, sie lehne die Forschung an embryonalen Stammzellen und auch deren Import ab, solange nicht eine breite Diskussion und Aufklärung stattgefunden habe. Alternativen wie die Forschung an adulten Stammzellen und solchen, die aus Nabelschnurblut gewonnen werden, seien genauer auszuleuchten [49].
Mitte August präsentierten die Grünen ihr Wahlmanifest "Vision für eine andere Welt", das bekannte grüne Positionen zusammenfasste. Die Partei wolle radikaler werden und die Probleme an der Wurzel packen, reine Kosmetik genüge nicht mehr. Ziel sei es, in den nächsten Wahlen drei bis vier Sitze hinzuzugewinnen, jedoch nicht auf Kosten der Sozialdemokraten. Gleichzeitig mit dem Wahlmanifest stellte die GP ein Positionspapier zur Familienpolitik vor, das unter anderem die nationale Vereinheitlichung der Kinderzulagen und, entsprechend dem Tessiner Modell, Ergänzungs- und Kleinkinderzulagen für einkommensschwache Familien forderte. Analog zur AHV sollen Erziehungs- und Betreuungsarbeit auch an die 2. Säule angerechnet werden [50].
Am Parteitag im August verabschiedeten die Delegierten das Wahlmanifest mit grossem Mehr. Eingefügt wurde die Forderung, landwirtschaftliche Direktzahlungen müssten existenzsichernde Einkommen für kleine und mittlere Bauernbetriebe garantieren, um das "Bauernsterben" im Berggebiet zu stoppen. Mit 59:28 Stimmen beschlossen die Grünen ferner die Nein-Parole zum Elektrizitätsmarktgesetz. Die Argumente vorab Westschweizer Vertreterinnen und Vertreter, ein liberalisierter Markt führe nicht zum Ausstieg aus der Atomenergie und diene nur den grossen Stromkonsumenten, setzten sich durch. Einstimmig lehnten die Delegierten die Gold-Initiative der SVP ab, ebenso deutlich hiessen sie den bundesrätlichen Gegenentwurf mit der Solidaritätsstiftung gut [51].
Nachdem die Grünen die Asyl-Initiative der SVP und die Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zur Ablehnung empfohlen hatten, verabschiedeten sie ein Positionspapier zur Agglomerationspolitik, welches eine Begrenzung des Siedlungsgebietes forderte. Dessen ungebremstes Wachstum sei einer der Hauptgründe für die zunehmende Verkehrsbelastung in den Agglomerationen. Dem trage der Bund zu wenig Rechnung. Den Bau einer zweiten Gotthardröhre, wie sie die Avanti-Initiative und der Gegenvorschlag des Bundesrates vorsähen, lehnten die Grünen vehement ab. Ausserdem hiessen sie ein zehnjähriges Moratorium für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gut. Gemeinsam mit anderen Organisationen wollten sie eine Gentech-Moratoriums-Initiative starten. Schliesslich forderten sie die sofortige Revision des Betäubungsmittelgesetzes, um die Straffreiheit des Canabiskonsums zu garantieren [52].
Die Grünen gehörten zu den Gewinnern der kantonalen Parlamentswahlen. Sie konnten 19 Sitze gutmachen: sieben in Nidwalden, sechs in Bern, fünf in der Waadt und einen in Glarus. Dabei profitierten sie auch von Beitritten regionaler Gruppierungen wie dem Demokratischen Nidwalden oder dem Grünen Bündnis in Bern [53].
 
[48] Presse vom 28.1.02.
[49] NZZ, 4.6.02.
[50] Presse vom 17.8.02.
[51] Presse vom 26.8.02.
[52] LT und NZZ, 19.10.02; Presse vom 28.10.02.
[53] Presse vom 21.6.02; NZZ, 22.8.02.