Année politique Suisse 2002 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein / Grundsatzfragen
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Die Schweiz im 2. Weltkrieg
Die Arbeit der Historikerkommission Bergier war im Vorjahr offiziell abgeschlossen worden. Im Jahr 2002 wurde der Schlussbericht veröffentlicht und vom Bundesrat kurz gewürdigt. Dabei warnte die Landesregierung davor, diese wissenschaftliche Arbeit für aktuelle politische Ziele zu instrumentalisieren. Die Ergebnisse sollen in den nächsten zwei Jahren im Rahmen einer Wanderausstellung auch einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Zu einer grossen öffentlichen Debatte über die Befunde der Historikerkommission kam es aber bis anhin nicht; diese hatte in den Jahren der Entstehung des Berichts stattgefunden [3].
Der Nationalrat hatte 2000 einer parlamentarischen Initiative Rechsteiner (sp, SG) für die Aufhebung von Gerichtsurteilen gegen Flüchtlingshelfer während der Zeit der faschistischen Regime in Europa und gegen Personen, welche im spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Internationalen Brigaden gegen die Faschisten gekämpft hatten, Folge gegeben. Seine Rechtskommission legte im Herbst eine entsprechende Gesetzesvorlage vor. Ihre Mehrheit sprach sich allerdings nur für eine Rehabilitierung der verurteilten Flüchtlingshelfer, nicht aber der Spanienkämpfer aus. Konkret beantragte sie, die Strafurteile gegen die Flüchtlingshelfer generell abstrakt aufzuheben. In einem zweiten Schritt soll dann eine spezielle Kommission in jedem Einzelfall auf Gesuch hin entscheiden, ob das konkrete damals ergangene Urteil unter diesen Aufhebungsbeschluss fällt. Entsprechende Gesuche können von den Verurteilten, deren Angehörigen oder schweizerischen Organisationen, welche sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen, gestellt werden. Explizit werden Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüche ausgeschlossen. In der Wintersession befasste sich der Nationalrat mit der Vorlage. Nachdem Eintreten unbestritten war, gab einzig der von der Linken unterstützte Antrag der Kommissionsminderheit zu reden, auch die wegen Kriegsdienst in fremden Armeen verurteilten schweizerischen Spanienkämpfer in die Rehabilitierung einzuschliessen. Diese Forderung konnte sich jedoch nicht durchsetzen. In der Gesamtabstimmung wurde die Gesetzesänderung gegen die Stimmen der Mehrheit der SVP-Fraktion mit 131:27 gutgeheissen [4].
 
[3] Presse vom 23.3.02; BaZ, 10.10.02; NZZ, 28.11.02. Vgl. dazu auch AB NR, 2002, Beilagen V, S. 70 f. Der NR lehnte ein Postulat der SVP ab, welches den BR auffordern wollte, den Schlussbericht zuhanden einer Neubearbeitung an die Kommission zurückzuweisen (AB NR, 2002, S. 71; vgl. SPJ 2001, S. 14 f.). Siehe dazu auch die Interpellationen Müller-Hemmi (sp, ZH) betreffend die Diffusion der Forschungsergebnisse der Bergier-Kommission in AB NR, 2002, Beilagen, III, S. 487 ff. bzw. der Grünen betreffend der Konsequenzen für die heutige Asylpolitik (AB NR, 2002, Beilagen, IV, S. 460 f.). Zur neuen gesetzlichen Regelung des Umgangs mit nachrichtenlosen Bankkonten siehe unten, Teil I, 4b (Banken).
[4] BBl, 2002, S. 7781 ff. und BBl, 2003, S. 490 ff. (BR); AB NR, 2002, S. 2151 ff.