Année politique Suisse 2002 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein
Kantonale Verfassungsrevisionen
In der
Waadt schloss der Verfassungsrat seine dreijährige Arbeit ab und legte die neue Kantonsverfassung, welche unter anderem das kommunale Ausländerstimmrecht obligatorisch einführt, dem Volk zur Entscheidung vor. Trotz Widerstands der Rechten (LP, SVP und Arbeitgeber) und nur halbherziger Unterstützung durch die FDP hiessen die Stimmberechtigten die neue Grundordnung am 22. September mit einer Mehrheit von 56% gut
[31]. Nachdem im Kanton
Schaffhausen die Totalrevision der Verfassung im Vorjahr in der Volksabstimmung gescheitert war, legte das Parlament eine Neuauflage vor. Diese erhöhte die Ausgabenlimite für das obligatorische Finanzreferendum weniger stark und strich die im Abstimmungskampf heftig umstrittene Abschaffung des obligatorischen Gesetzesreferendums. Als Variante wurde dem Volk aber eine Lösung vorgeschlagen, welche Gesetze, die vom Parlament mit deutlicher Mehrheit (80%) verabschiedet worden sind, nur noch dem fakultative Referendum unterstellt. Die Schaffhauser Stimmberechtigten hiessen am 22. September die neue Verfassung deutlich gut und stimmten mit knappem Mehr (50,2%) auch der Variante mit der teilweisen Abschaffung des obligatorischen Gesetzesreferendums zu
[32].
In den Kantonen Freiburg, Basel-Stadt, Luzern, Graubünden und Zürich gingen die Arbeiten an den Totalrevisionen der Verfassungen weiter. In
Freiburg war in dem im Jahr 2000 eingesetzten Verfassungsrat insbesondere der Beschluss umstritten, das bisherige strikt befolgte Prinzip der Sprachterritorien etwas aufzuweichen und entlang der Sprachgrenzen auch gemischtsprachige Gemeinden zuzulassen. Im weiteren stimmte der Verfassungsrat dem Ausländerstimmrecht auf Gemeindeebene zu
[33]. In
Basel-Stadt verzichtete der Verfassungsrat, welcher seit anfangs 2000 am Werk ist, darauf, die bisher gültige Bestimmung, wonach eine Wiedervereinigung mit Basel-Land anzustreben sei, in den Entwurf für die neue Kantonsverfassung aufzunehmen
[34]. Anders als Freiburg, Basel, Zürich und die Waadt geht der Kanton
Luzern bei seiner Totalrevision der Verfassung vor. Hier soll nicht ein gewählter Verfassungsrat, sondern eine von der Regierung ernannte und je zur Hälfte aus Vertretern der Politik und des „Volks“ zusammengesetzte 20köpfige Kommission einen Entwurf ausarbeiten. Diese Verfassungskommission nahm im Berichtsjahr ihre Tätigkeit auf
[35]. Die Regierung des Kantons
Graubünden legte anfangs Jahr dem Parlament ihren Entwurf für eine neue Verfassung vor. Dieser basiert auf dem Vorentwurf einer Verfassungskommission, welcher im Jahr 2000 in die Vernehmlassung gegeben worden war. Als besonders umstritten erwies sich hier das Wahlsystem für das Parlament. Die Verfassungskommission hatte ein Proporzsystem vorgeschlagen, die Regierung wollte ein Mischsystem einführen (Majorz mit zusätzlichem Proporz in grösseren Wahlkreisen). Das Parlament seinerseits entschied sich für Festhalten am bisherigen Majorzsystem, beschloss aber, dem Volk im Jahr 2003 die neue Verfassung in zwei Varianten (Beibehaltung des Majorz resp. Mischsystem) vorzulegen
[36].
Die Bundesversammlung genehmigte eine Reihe von Revisionen von Kantonsverfassungen, darunter auch die Totalrevision derjenigen des Kantons St. Gallen
[37].
[31]
24h, 27.4., 18.5., 27.6. (LP), 24.8. (SVP), 2.9. (Unternehmer) und 23.9.02;
Lib., 6.6.02.
[32]
SN, 12.1., 31.5., 18.6. und 23.9.02. Vgl.
SPJ 2001, S. 267.
[33]
NZZ, 7.1.02;
Lib., 25.1. und 25.4.02. Vgl.
SPJ 2000, S. 18.
[34]
BaZ, 25.2.02. Vgl.
SPJ 2000, S. 317.
[35]
NLZ, 19.1., 5.4. und 1.5.02. Vgl.
SPJ 2000, S. 317 und
2001, S. 267.
[36]
BüZ, 18.1. und 27.11.02;
NZZ, 11.10.02. Vgl.
SPJ 2000, S. 317. Die Variante Mischsystem sieht nach dem Vorbild der Wahl für den deutschen Bundestag vor, dass ein Teil des Parlaments in Einermajorzkreisen gewählt wird und ein Teil in diese überlagernden grösseren Proporzwahlkreisen.
[37] SG:
AB SR, 2002, S. 300 f.;
AB NR, 2002, S. 900 ff.;
BBl, 2002, S. 4471. Vgl.
SPJ 2001, S. 16.
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