Année politique Suisse 2002 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Regierung
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Regierungsreform
Die SPK des Ständerats, welche sich als erste mit der im Vorjahr vom Bundesrat vorgeschlagenen zweistufigen Regierung mit „Delegierten Ministern“ befasste, war damit nicht zufrieden. Sie gab der Verwaltung den Auftrag, ein Modell mit neun Bundesräten und einem gestärkten Präsidialamt auszuarbeiten. Mit knapper Mehrheit entschied sie sich dann im Herbst allerdings gegen eine Erhöhung der Zahl der Bundesräte. Anstelle der vom Bundesrat vorgeschlagenen zweistufigen Regierung bevorzugte sie jedoch eine Variante, welche jedem Regierungsmitglied einen Stellvertreter zuordnet. Dieser würde vom Bundesrat gewählt und vom Parlament bestätigt, seine Amtsdauer wäre an diejenige des jeweiligen Bundesrates gekoppelt. Das Amt des Bundespräsidenten möchte die SPK in dem Sinne stärken, dass dieser auf eine Dauer von zwei Jahren mit einer Verlängerungsmöglichkeit um eine zusätzliche Zweijahresperiode gewählt würde. Dieser Präsident hätte jedoch weiterhin ein Departement zu führen und verfügte gegenüber den anderen Regierungsmitgliedern über keinerlei Weisungskompetenzen [8].
Keine Chance hatte ein Reformvorschlag Zisyadis (pda, VD), welcher das schweizerische Regierungskollegium durch das in den meisten westeuropäischen Staaten übliche Ministerpräsidentensystem ablösen wollte. Dabei würde das Parlament in Zukunft nur noch den Chef der Regierung wählen (und gegebenenfalls mit einem Misstrauensvotum auch wieder abwählen), während dieser die ihm untergeordneten Minister selbst einstellt und entlässt. Die parlamentarische Initiative Zisyadis wurde vom Nationalrat mit 162:4 sehr deutlich abgelehnt [9].
Weitere Reformvorschläge kamen aus der SPK des Ständerats anlässlich der Beratung des neuen Parlamentsgesetzes, welches das bisherige Geschäftsverkehrsgesetz ersetzt. Diese schlug vor, dass amtierende Bundesräte im Jahr vor der Wahl des Nationalrats in der Regel nicht mehr zurücktreten dürfen, und dass die wiederkandidierenden Bundesräte nicht mehr einzeln in der Reihenfolge ihrer Amtsdauer, sondern auf einer gemeinsamen Liste mit Streichungsmöglichkeiten zu bestätigen sind. Mit der ersten Bestimmung wollte die SPK wahltaktisch motivierte Rücktritte vor Ablauf der Amtsdauer verhindern, die zweite sollte es dem Parlament ermöglichen, missliebige Bundesräte mit einem schlechten Wahlresultat oder gar der Nichtwiederwahl zu sanktionieren, ohne Retourkutschen für die anderen, d.h. amtsjüngeren Bundesräte befürchten zu müssen. Der erste Vorschlag fand bereits im Ständerat keine Mehrheit, der zweite wurde vom Nationalrat abgelehnt (siehe dazu unten, Parlament) [10].
 
[8] LT, 10.4.02; NZZ und TA, 11.9.02; NLZ, 30.10.02; NZZ, 19.11.02. Vgl. SPJ 2001, S. 29.
[9] AB NR, 2002, S. 258 f.
[10] Vgl. auch Presse vom 13.2. und 6.3.02. Vgl. die als „wahltaktisch“ kritisierten Demissionen von Arnold Koller und Flavio Cotti (beide cvp) im Jahr 1999 und v.a. von Stich (sp) 1995 (SPJ 1995, S. 31 f. und 1999, S. 36 ff.).