Année politique Suisse 2002 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Kommunalwahlen
print
Winterthur
Im Gegensatz zu den Erneuerungswahlen von 1998, als alle Bisherigen bestätigt wurden, stand die Stadtratswahl 2002 im Zeichen der Veränderung. Mit Stadtpräsident Martin Haas (fdp), Leo Iten (svp) und Heiri Vogt (sp) traten drei langjährige Regierungsmitglieder zurück. Im März veränderten die Wahlberechtigten bei einer Stimmbeteiligung von 55% die Kräfteverhältnisse im Stadtrat und entzogen den grossen bürgerlichen Parteien die absolute Mehrheit. Künftig regiert eine Exekutive, in der die Linke und die Rechte gleich stark sind und in der die erstmals vertretene Mitte-Partei EVP das Zünglein an der Waage spielen kann (3 SP, 1 EVP, 2 FDP, 1 CVP). Am meisten Stimmen erhielten die Stadträte Ernst Wohlwend (sp), Reinhard Stahel (fdp) und Hans Hollenstein (cvp). Problemlos gewählt wurde auch Walter Bossert, der für die SP den freiwerdenden Sitz von Heiri Vogt verteidigte. Der FDP gelang es mit Verena Gick ebenfalls, ihren zweiten Sitz zu halten; Gick erreichte zwar das schlechteste Resultat, lag aber immer noch vor den beiden Kandidierenden der SVP, Jürg Stahl und Gisela Beutler. Diese erreichten ebenfalls das absolute Mehr, schieden jedoch als überzählig aus und konnten damit den Sitz des zurücktretenden Leo Iten nicht verteidigen. Vom Verlust der SVP profitierte Maja Ingold von der EVP, die das Bündnisangebot von SP und Grünen abgelehnt hatte. Ingold zog als erste EVP-Vertreterin überhaupt in die Winterthurer Stadtregierung und erhielt zudem mehr Stimmen als Pearl Pedergnana (sp), die ihr Amt erst im November 2001 hatte antreten können, und Verena Gick (fdp). Damit sitzen drei Frauen in der Winterthurer Regierung.
Bei der Wahl ins Stadtpräsidium erzielte der SP-Kandidat Wohlwend deutlich mehr Stimmen als der Freisinnige Stahel, verfehlte jedoch das absolute Mehr um 358 Stimmen knapp. Obschon sich die bürgerlichen Parteien FDP, CVP und SVP gemeinsam für die Wahl Stahels einsetzten, um einen Ausgleich zum Verlust der absoluten Mehrheit im Stadtrat zu schaffen, siegte Wohlwend im zweiten Wahlgang mit einem Vorsprung von fast 2000 Stimmen (13 708; Stahel: 11 732). Damit erhielt Winterthur den ersten sozialdemokratischen Stadtpräsidenten; seit 1922 hatten immer die Demokraten und später die Freisinnigen dieses Amt besetzt.
In den Gemeinderatswahlen hingegen war die SVP die grosse Siegerin. Sie hatte den Gewinn von zwei Sitzen angestrebt, legte aber vier Mandate zu und stellt neu 14 Mitglieder. Damit mussten ihr die Freisinnigen die Rolle als stärkste Fraktion des bürgerlichen Blocks überlassen, da sie ihr Ziel, einen Sitzgewinn, verfehlten und stattdessen nach 1998 ein weiteres Mandat abgeben mussten; sie verfügen über so wenige Sitze wie nie zuvor (10). Die CVP konnte ihre 4 Sitze halten. Zusammen mit der EDU (die ihren einzigen Sitz halten konnte) und der SD (die nur eines der beiden Mandate eroberte, das die Freiheitspartei kampflos preisgegeben hatte) kommt das rechte Lager neu auf 30 Abgeordnete (bisher 28) – genau die Hälfte der 60 Gemeinderatssitze. Entscheidend werden wie bisher die 4 Stimmen der EVP sein, die das Zünglein an der Waage zwischen links und rechts spielen kann. Die SP verfehlte ihr Wahlziel von zwei Sitzgewinnen, stellt aber mit 21 Mandaten immer noch die stärkste Fraktion. Die links von ihr politisierende Alternative Liste errang neu einen Sitz. Die Grünen (4) hingegen konnten ihre beiden zusätzlichen Mandate nicht verteidigen, die sie während der Amtsdauer hinzugewonnen hatten, weil sich die DaP (Die andere Partei) und der LdU aufgelöst hatten und nicht mehr antraten. Der Frauenanteil des Winterthurer Parlaments beträgt 36,7% [19].
 
[19] Wahlen vom 3.3.02: NZZ und TA, 4.3.02. 2. Wahlgang Stadtpräsidium vom 7.4.02: NZZ und TA, 8.4.02. Wahlkampf: TA, 24.10. und 1.11.01 und 4.1.-21.2.02; NZZ, 11.10.-1.11.01, 11.1.-22.2.02. Zu den Verzögerungen für den Amtsantritt Pedergnanas vgl. SPJ 2001, S. 48.