Année politique Suisse 2002 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
Wirtschaftsordnung
Die sowohl im Ausland als auch in der Schweiz bei einigen grossen Konzernen aufgedeckten Unregelmässigkeiten in der Buchhaltung und noch fast mehr die als exorbitant empfundenen Bezüge und Entschädigungen für aktive und für freigestellte Verwaltungsräte und Spitzenmanager trugen wenig zur Förderung des Vertrauens breiter Bevölkerungsschichten in die Effizienz und Gerechtigkeit der liberalen
marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung bei
[1]. Über politische Vorstösse in diesem Zusammenhang berichten wir an anderer Stelle
[2].
Der Nationalrat überwies eine Motion der FDP-Fraktion, welche den Bundesrat auffordert, das
Wirtschaftswachstum in das Zentrum seiner Politik zu stellen und dabei insbesondere die staatlichen Rahmenbedingungen zu verbessern
[3]. Mit ihrem Sieg in der Volksabstimmung über das neue Elektrizitätsmarktgesetz vom 22. September demonstrierte die Linke, welche dagegen das Referendum ergriffen hatte, einmal mehr, dass ihr
Kampf gegen Liberalisierung
und
Globalisierung in der Öffentlichkeit breite Unterstützung geniesst. Dabei reichte die Front der Opposition bis weit ins bürgerliche Lager hinein: am deutlichsten abgelehnt wurde die Deregulierung des Elektrizitätsmarktes nicht etwa von den Anhängern der politischen Linken, sondern von den Sympathisanten der SVP
[4].
Als Reaktion auf den Zusammenbruch der Fluggesellschaft Swissair im Herbst 2001 hatte die GPK des Ständerats Empfehlungen und ein Postulat zur Verbesserung der Fähigkeit der politischen Instanzen zur
Früherkennung von wirtschaftlichen und anderen für die Politik relevanten Problemen ausgearbeitet. Der Bundesrat war bereit, diese Anregungen entgegenzunehmen, hielt aber fest, dass die Früherkennung von Problemen und Krisen eine Daueraufgabe der Verwaltung sei. Dabei könne die Koordination noch verbessert werden; er denke aber nicht daran, eigene, speziell damit befasste Institutionen ins Leben zu rufen
[5].
[1] Vgl. dazu etwa Claude Longchamp e.a.,
Wirtschaftsskepsis bestimmt die heutigen Sorgen. Schlussbericht zum ‚Sorgenbarometer 2002’ für das Bulletin der CS, Bern (GfS) 2002, S. 3 f.
[2] Siehe unten, Gesellschaftsrecht sowie oben, Teil I, 1c (Verwaltung).
[3]
AB NR, 2002, S. 745 ff. Die SP-Fraktion hatte dagegen gestimmt, da sie den Vorstoss nur als Postulat unterstützen wollte. Vgl. zur Frage des wirtschaftlichen Wachstums und der Steuerungsmöglichkeiten des Staates auch die Antwort des BR auf eine entsprechende Interpellation der SP-Fraktion in
AB NR, 2002, IV, Beilagen, S. 336 ff. Siehe auch
Lit. Staatssekretariat.
[4] Vgl. dazu unten, Teil I, 6a (Politique énergétique). Zu den Auswirkungen der Globalisierung der Wirtschaft auf die Schweiz siehe auch die diversen Beiträge unter dem Titel „Internationalisierung der Wirtschaft: Auswirkungen auf die Schweiz“ in
Die Volkswirtschaft, 2002, Nr. 9, S. 4-24.
[5]
AB SR, 2002, S. 1267 ff. Zu Swissair und dem Eingreifen des Bundes siehe
SPJ 2001, S. 146 ff.
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