Année politique Suisse 2002 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
 
Banken
Während des ganzen Jahres verhandelte die Schweiz mit der EU über den Themenkomplex „gleichwertige Massnahmen“ von wichtigen Nicht-EU-Mitgliedern zur Verhinderung der Steuerhinterziehung. Für die EU bedeutete dies – zumindest war dies ihre Verhandlungsposition – die Übernahme des für die EU beschlossenen gegenseitigen Informationsaustausches der Steuerbehörden durch die Schweiz, wobei sich diese Auskunftspflicht auf alle bei Banken geführten Konten von in der EU ansässigen natürlichen Personen erstrecken würde. Dabei schreckten die Finanzminister der EU und der für die Verhandlungen zuständige Kommissar Bolkenstein auch nicht vor Sanktionsdrohungen gegen die Schweiz zurück. Der Bundesrat seinerseits hielt am Grundsatz fest, dass von der Schweiz bei blosser Steuerhinterziehung (im Gegensatz zum Steuerbetrug) keine Rechtshilfe (und schon gar keine rechtlich nicht anfechtbare Amtshilfe) geleistet wird. Er offerierte als seiner Ansicht nach gleichwertiges und sogar effizienteres Mittel zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung weiterhin die Einführung einer Quellensteuer von bis zu 35% für Personen mit Wohnsitz in der EU nach dem Zahlstellenprinzip, an deren Erträgen die Wohnsitzstaaten partizipieren könnten. Die Verhandlungen, welche auch innerhalb der EU verschiedene Interessen zutage treten liessen, konnten im Berichtsjahr noch nicht abgeschlossen werden [8].
Die Verhandlungsführung des Bundesrats wurde von den bürgerlichen Regierungsparteien voll unterstützt. Die SVP-Fraktion reichte im Nationalrat eine parlamentarische Initiative ein, um das „Bankkundengeheimnis“ in der Bundesverfassung zu verankern. Vor allem mit dem Argument, dem Bundesrat für seine Verhandlungen mit der EU den Rücken zu stärken, beschloss die WAK des Nationalrats, dem Plenum diesen Vorstoss zur Annahme zu empfehlen. Analoge Standesinitiativen, zu denen die SVP in den kantonalen Parlamenten den Anstoss gegeben hatte, deponierten die Kantone Aargau, Genf und Tessin. Die SP, welche das Bankgeheimnis seit langem bekämpft, stellte sich hinter die Forderungen der EU; Nationalrat Tillmanns (sp, VD) reichte dazu eine entsprechende Motion ein [9] .
Die Thurgauer Stimmberechtigten lehnten die Umwandlung ihrer Kantonalbank in eine Aktiengesellschaft, bei welcher der Kanton über eine Anteilsmehrheit verfügt hätte, mit einem Nein-Stimmenanteil von 56% ab. Für diese Teilprivatisierung hatten sich nicht nur die drei grossen bürgerlichen Parteien, sondern auch die SP ausgesprochen [10].
Die Bankenkommission gab einen Entwurf für eine Verordnung in die Vernehmlassung, welche die bisher in Rundschreiben festgehaltenen Richtlinien für den Vollzug des Geldwäschereigesetzes expliziter ins Recht fassen soll. Dabei sind – vor dem Hintergrund der Suche nach finanziellen Transaktionen im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und nach den neuesten Fällen von Konten ausländischer Politiker (Abacha, Montesinos) bei Schweizer Banken – auch einige Verschärfungen und Präzisierungen vorgesehen. So sollen die Banken verpflichtet werden, ihre Kundenbeziehungen und Transaktionen in Risikokategorien zu unterteilen, und die als riskant eingestuften mit einem automatisierten Kontrollsystem zu überwachen. Für Kunden mit erhöhtem Risiko müssen zudem persönliche Kundenkontakte gepflegt werden. Um zu verhindern, dass ein Kunde, den eine Bank als zu riskant einschätzte, problemlos zu einer anderen Bank wechseln kann, soll letztere Erkundigungen über die Gründe für die Beendigung der früheren Geschäftsbeziehung einholen dürfen [11].
Der Vorschlag einer Expertenkommission für Verfahrensverbesserungen bei Bankinsolvenzen war in der im Vorjahr durchgeführten Vernehmlassung grundsätzlich positiv aufgenommen worden. Gegen Jahresende beantragte der Bundesrat, diese Neuerungen in das Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen aufzunehmen. Hauptelemente der Gesetzesrevision bilden die Übertragung der Leitung einer Banksanierung, und falls erforderlich einer Liquidation, an die Eidg. Bankenkommission und der verbesserte Schutz der Kleinanleger. Zu letzterem gehört insbesondere das Konkursprivileg für Bankenverpflichtungen jeglicher Art (d.h. nicht nur Sparkonten) bis zu 30 000 Fr. und die vorrangige und möglichst sofortige Bedienung von Kleinstgläubigern mit Einlagen von bis zu 5000 Fr. Für die Sicherung dieser Guthaben wird eine von den Banken selbst verwaltete, aber im Gegensatz zu heute obligatorische und von der EBK überwachte Einlagenversicherung vorgeschrieben [12].
Der Zusammenbruch der Fluggesellschaft Swissair hatte gezeigt, dass Einlagen von Betriebsangehörigen in eine von ihrer Firma geführte Depositenkasse im Konkursfall schlecht geschützt sind. Diese Sparkassen sind nicht dem Bankengesetz mit seinen Vorschriften über den Gläubigerschutz unterstellt, und sie werden daher auch nicht von der Bankenkommission beaufsichtigt. Der Ständerat überwies eine Empfehlung Spoerry (fdp, ZH), welche verlangt, dass die diesbezügliche Ausnahmeklausel der Bankenverordnung aufgehoben wird. Bundesrat Villiger teilte die Ansicht, dass der Gläubigerschutz bei diesen Institutionen unbefriedigend ist. Er machte aber darauf aufmerksam, dass die verlangten Verbesserungen sehr wohl das Aus für diese betrieblichen Sparkassen bedeuten könnten. Da sie als nicht unabhängige Einrichtungen grundsätzlich keinen Bankenstatus haben können, ist es nicht möglich, sie dem Bankengesetz und der Bankenaufsicht zu unterstellen [13].
Die im Jahr 2000 eröffnete Vernehmlassung über eine gesetzliche Regelung für den Umgang mit nachrichtenlosen Vermögen hatte ein vorwiegend kritisches Echo ausgelöst. Die SP forderte, dass diesem Gesetz nicht nur die Banken, sondern analog zum Geldwäschereigesetz auch der Parabankenbereich (Treuhänder etc.) unterstellt werden soll. Der Bundesrat lehnte dies ab, da eine derart weit gefasste Regelung in der Realität kaum praktikabel wäre. Mehr Erfolg hatte die von der FDP und der SVP unterstützte Forderung, die gesetzlichen Vorschriften weniger detailliert zu formulieren, und mehr der Selbstregulierung der Banken zu überlassen. Der Bundesrat beauftragte im Berichtsjahr eine Expertenkommission, bis Ende 2003 einen neuen Vorentwurf auszuarbeiten, der die Schaffung einer zentrale Meldestelle für nachrichtenlose Vermögen beinhaltet und die Rahmenbedingungen für eine Selbstregulierung durch die Banken festlegt [14].
 
[8] TA, 25.3.02; Presse vom 25.4.02 (Position der Banken zu den Forderungen der EU), 4.12. und 12.12.02; AZ, 4.5.02; NZZ, 9.10., 25.10. und 23.11.02. Siehe dazu auch BR Villiger in NZZ, 14.12.02. Vgl. auch oben, Teil I, 2 (Europe: UE) sowie SPJ 2001, S. 52 f. Allgemein zur Einschätzung der Bedeutung des Finanzmarktes für die schweizerische Volkswirtschaft durch den BR siehe AB NR, 2002, V, Beilagen, S. 223 ff. (Interpellation der SP-Fraktion).
[9] SVP: Pa.Iv. 02.432; LT, 24.4.02; NZZ, 19.11.02 (WAK-NR). Standesinitiativen: Kt.Iv.02.311 (AG), Kt.Iv. 02.312 (TI) und Kt.Iv. 02.315 (GE). Motion Tillmanns: Mo 02.3662.
[10] SGT, 3.6.02.
[11] NZZ, 18.5., 10.7. und 8.8.02. Im Fall Abacha hatte die UBS mit zweijähriger Verspätung entdeckt, dass ein Konto eines langjährigen englischen Kunden via Vollmachten Verbindungen zu Familienmitgliedern des ehemaligen nigerianischen Staatschefs Abacha aufwies (TA, 21.2.02; NZZ, 16.7. und 6.8.02; Presse vom 2.8.02). Dank eines Vergleichs des nigerianischen Staates mit der Abacha-Familie soll Nigeria die auf Bankkonten im Ausland (davon etwa die Hälfte in der Schweiz) blockierten Guthaben im Wert von 1,9 Mia Fr. auch ohne Durchführung von zeitaufwändigen Prozessen gegen den Abacha-Clan erhalten (TA, 18.4. und 25.9.02; vgl. SPJ 1999, S. 137). Ein Teil der blockierten Vermögenswerte von Montesinos konnte an Peru erstattet werden (TA, 21.8.02). Zu den neuen strafrechtlichen Massnahmen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
[12] BBl, 2002, S. 8060 ff.; Presse vom 21.11.02. Vgl. SPJ 2001, S. 85.
[13] AB SR, 2002, S. 88 f.
[14] NZZ, 16.5.02. Vgl. SPJ 2000, S. 104.