Année politique Suisse 2002 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Direkte Steuern
Zu den kantonalen Steuervorlagen siehe unten, Teil II, 2b.
Im Vorjahr hatte der Nationalrat Erleichterungen beim Steuerpaket 2001 von insgesamt 2,75 Mia Fr. (Bund: 2,16 Mia, Kantone: 590 Mio) beschlossen – die Vorlage des Bundesrats sah 1,73 Mia Fr. vor (Bund: 1,305 Mia, Kantone: 425 Mio). Der Ständerat war nicht bereit, weitere Steuergeschenke zu machen. Nachdem er einen Nichteintretensantrag Leuenberger (sp, SO) abgelehnt hatte, kürzte er die Einnahmenausfälle auf 1,6 Mia Fr. (Bund: 1,2 Mia, Kantone: 400 Mio). Mit 21:17 Stimmen beschloss er, die drei Vorlagen Ehegatten-/Familienbesteuerung, Wohneigentumsbesteuerung und Stempelabgaben gemeinsam dem Referendum zu unterstellen; Spoerry (fdp, ZH) hatte sie gesondert präsentieren wollen, um den Stimmberechtigten maximale Entscheidungsfreiheit zu gewähren. In der Gesamtabstimmung verabschiedete der Ständerat das Steuerpaket 2001 mit 32:0 Stimmen AB SR, 2002, S. 571 ff. und 920 ff.; Presse vom 26.1. und 23.2. (Kommission), 19.9., 20.9. und 3.10.02 (Parlament); vgl. auch SPJ 2001, S. 97. Ausführlicher zur Familienbesteuerung und zur Umsatzabgabe siehe unten; zur Wohneigentumsbesteuerung siehe unten, Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum).. In der Differenzbereinigung verwarf der Nationalrat zuerst einen Antrag Genner (gp, ZH), die den ständerätlichen Beschlüssen zustimmen wollte, um das ganze Steuerpaket in der Schlussabstimmung abzulehnen, und hielt anschliessend grösstenteils an seinen Beschlüssen vom Vorjahr fest; diese führen zu Steuereinbussen von 2,41 Mia Fr. (Bund: 1,77 Mia, Kantone: 640 Mio) AB NR, 2002, S. 1851 ff.; Presse vom 30.10.02 (Kommission)..
Ende Jahr präsentierte der Bundesrat seine Botschaft für eine Neue Finanzordnung; sie entsprach dem im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebenen Entwurf. Die Vorlage beinhaltet insbesondere die Aufhebung der Befristung der direkten Bundessteuer und der Mehrwertsteuer sowie die Streichung des Sondersatzes von 3,6% im Tourismusbereich. Letzterer sei eine strukturpolitisch motivierte Finanzhilfe, die nicht in das Steuersystem gehöre. Da der Sondersatz umstritten ist – in ihrer Stellungnahme hatten sich die Hotellerie und die Tourismuskantone für seine Beibehaltung ausgesprochen –, soll separat darüber abgestimmt werden. Nach der Ablehnung der Energielenkungsabgabe verzichtete der Bundesrat auf eine Steuerreform mit ökologischen Anreizen BBl, 2003, S. 1531 ff.; Presse vom 10.12.02; vgl. auch SPJ 2001, S. 98. In der Vernehmlassung hatten sich vor allem economiesuisse und die Bankiervereinigung, aber auch der Strassenverkehrsverband gegen die definitive Verankerung der direkten Bundessteuer ausgesprochen. Der Schweizerische Treuhändlerverband und die SVP plädierten gar für die Abschaffung der direkten Bundessteuer (AZ, 7.1. und 4.7.02; SN und SZ, 17.1.02; NF, 19.1.02; LT, 22.1. und 4.7.02). Zur Mehrwertsteuer siehe unten, Indirekte Steuern..
Nachdem die Bemessung der Gewinn- und Kapitalsteuern für juristische Personen auf die einjährige Gegenwartsbesteuerung umgestellt worden war, empfahl der Bundesrat diese Vereinheitlichung auch für natürliche Personen. Seit 1990 sind alle Kantone dem Vorbild von Basel-Stadt gefolgt und haben die einjährige Gegenwartsbesteuerung eingeführt – mit Ausnahme von Tessin, Waadt und Wallis, wo Gesetzesänderungen aber bereits im Gange sind BBl, 2002, S. 2181 ff. Zu den Auswirkungen der Gegenwartsbesteuerung auf die Kantone siehe Presse vom 14.6.02..
Nationalrätin Fässler (sp, SG) wollte vom Bundesrat wissen, wie Optionen als Lohnbestandteil besteuert werden. In seiner Antwort erklärte der Bundesrat, dass eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Kantone, der Steuerberatung, der Wirtschaft und der Eidg. Steuerverwaltung einen Bericht mit Vorschlägen zur Besteuerung von Mitarbeiteraktien und -optionen vorgelegt habe, welcher im Herbst 2002 in die Vernehmlassung gegeben werde. Je nach den Ergebnissen der Vernehmlassung wolle der Bundesrat eine Botschaft erarbeiten und diese dem Parlament 2003 vorlegen AB NR, 2002, IV, Beilagen, S. 150 f..
Entgegen dem Antrag seiner Rechtskommission gab der Ständerat nur der Standesinitiative des Kantons Jura Folge, welche die Streichung von Steuerbussen verlangt. Die Standesinitiative des Kantons Tessin, welche zusätzlich die Streichung der Steuerschulden fordert, lehnte der Rat ab. Damit wären den Erben desjenigen, der Vermögenswerte nicht deklariert hat, die Steuern erlassen worden, während die Erben eines andern, der sein Vermögen sauber deklariert hat, hätten Steuerschulden bezahlen müssen AB SR, 2002, S. 89 ff.; NZZ, 26.1., 25.2. und 24.4.02; QJ, 26.1.02; TG, 24.4.02; BaZ, 12.9.02. Vgl. auch SPJ 2001, S. 98 f..
In seiner Antwort auf eine Interpellation Pelli (fdp, TI) betreffend geplante Steueramnestien in der EU erklärte der Bundesrat, Informationen über Amnestien in anderen Ländern seien schwer zu erhalten, da die Regierungen solche Massnahmen in der Regel kurzfristig bekannt gäben, um weitere Steuerhinterziehungen zu vermeiden. Polen habe einen entsprechenden Gesetzesentwurf gutgeheissen, und in Italien erwäge die Regierung, die Amnestie auf juristische Personen auszudehnen AB NR, 2002, V, Beilagen, S. 275 ff..
Im Frühling schickte die WAK-SR zwei neue Varianten der Familienbesteuerung mit unterschiedlichen Divisoren an die Kantone zur Vernehmlassung; diese fanden wenig Anklang. Darauf schlug die WAK dem Ständerat die Einführung der Individualbesteuerung vor 24h und NZZ, 27.3. und 22.4.02; SHZ, 2.5.02; Presse vom 4.5.02. Vernehmlassungsreaktionen: Bund, 22.6.02; SZ, 27.6.02; SN, 28.6.02; BaZ, 11.7.02; SGT, 12.7.02. Wechsel zur Individualbesteuerung: Presse vom 24.8.02; NZZ, 13.9.02; AZ, 16.9.02; NLZ, 17.9.02.. Mit 24:17 Stimmen hielt der Rat jedoch am Teilsplitting mit Divisor 1,9 fest, das vom Bundesrat und vom Nationalrat favorisiert wird. In der Detailberatung strich der Ständerat im Einklang mit der Kommission und dem Bundesrat das vom Nationalrat eingeführte Wahlrecht (gemeinsame Veranlagung oder Splitting) für Konkubinatspaare mit Kindern. Anschliessend stutzte er die vom Nationalrat grosszügig genehmigten Abzüge zurück: Er setzte den Betreuungskostenabzug auf 4000 Fr. fest, kürzte den Kinderabzug auf 9300 Fr. und strich den Ausbildungsbeitrag für Jugendliche. Beim Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden stimmte er mit 25:18 Stimmen einem Antrag Plattner (sp, BS) zu, der die Kantone nicht dazu zwingt, zum Teilsplitting überzugehen; damit können die Kantone zwar nicht die Individualbesteuerung einführen, jedoch ihre Doppeltarife beibehalten AB SR, 2002, S. 571 ff. und 600 ff.; Presse vom 18.9.02. Die Motion der WAK-SR, welche einen Wechsel zur Individualbesteuerung verlangte, wurde zurückgezogen (AB SR, 2002, S. 674)..
In der Differenzbereinigung bekräftigte der Nationalrat seine Beschlüsse vom Vorjahr: Abzug der Kinderbetreuungskosten von 7000 Fr., Erhöhung des Kinderabzuges auf 11 000 Fr. und Ausbildungsabzug von 3000 Fr. Ausserdem beschloss er mit 105:56 Stimmen im Gegensatz zum Nationalrat, den Kantonen den Wechsel zum Teilsplitting-Modell vorzuschreiben AB NR, 2002, S. 1851 ff. (insbesondere S. 1868 ff.); BZ, 25.10.02; NZZ, 26.10.02; SGT, 29.10.02. Zu den Auswirkungen der Steuerharmonisierung auf Steuerpflichtige mit niedrigen Einkommen vgl. auch die Einfache Anfrage Widmer (sp, LU) (AB NR, 2002, S. 78 ff.)..
In seiner Antwort auf eine Interpellation Hess (fdp, OW) räumte der Bundesrat ein, dass die Familienbesteuerungsreform zu Ausfällen führe, welche die finanzschwachen Kantone besonders hart treffen könne. Es sei jedoch nicht sinnvoll, vor dem Inkrafttreten des Neuen Finanzausgleichs noch Änderungen am geltenden System vorzunehmen AB SR, 2002, S. 318 f. und III, Beilagen, S. 98 f. Zum NFA siehe unten..
Ende Februar forderte der Gewerbeverband in einem Grundlagenpapier Steuerreformen zu Gunsten der KMU. So sollen alle Erhöhungen bei der MWSt durch entsprechende Anpassungen bei der direkten Steuer kompensiert werden BZ, 22.2.02; SHZ, 21.8.02..
In der Herbstsession folgte der Ständerat den Anträgen seiner Kommission und verwarf die vom Nationalrat im Vorjahr beschlossene Senkung des Gewinnsteuersatzes von 8,5 auf 8% für Kapitalgesellschaften und Genossenschaften. Eine Senkung verursache 300 Mio Fr. Steuerausfälle, und die Wirkung stehe in keinem Verhältnis zu den Kosten. Das Anliegen für bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen müsse im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform wieder aufgenommen werden AB SR, 2002, S. 571 ff. und 600 ff. (insbesondere S. 605 ff.).. In der Differenzbereinigung hielt der Nationalrat jedoch gegen die Stimmen der Linken an der Senkung des Gewinnsteuersatzes für Unternehmen fest und überwies eine Motion seiner WAK, die vom Bundesrat bis Mitte 2003 eine Botschaft zur Unternehmenssteuerreform II verlangte. Der Bundesrat unterstützte die rechtsformneutrale Besteuerung und die Milderung der Doppelbesteuerung (Besteuerung der Gewinne einerseits und der Dividenden bei der Ausschüttung als Einkommen andererseits), die vor allem Personengesellschaften betrifft. Er wollte den Vorstoss jedoch nur als Postulat entgegennehmen, da eine weitere Vorlage zur Unternehmensbesteuerung bereits in Bearbeitung ist, aber erst in der zweiten Hälfte 2003 vorliegt AB NR, 2002, S. 1851 ff. und 1871 ff.; Express, 13.12.02; Lib., 14.12.02..
Diskussionslos überwies der Ständerat eine Motion der WAK-NR, welche die fiskalischen
Ungerechtigkeiten für kleine und mittlere Personenunternehmen bei Betriebsnachfolge und -aufgabe beseitigen will. Der Nationalrat stimmte einem Vorstoss Eberhard (cvp, SZ), der ähnliches verlangt, als Postulat zu AB SR, 2002, S. 317; AB NR, 2002, S. 459..
Der Ständerat überwies eine Empfehlung Reimann (svp, AG), die es Anlegern und Steuerzahlern bei der Deklarierung ihres Wertschriftenvermögens erlaubt, bereits 2003 den Depotauszug der Banken als steuerlichen Vermögensnachweis zu verwenden AB SR, 2002, S. 321 f..
In seiner Antwort auf eine Interpellation der SP-Fraktion hielt der Bundesrat fest, dass Abgangsentschädigungen von Managern der ordentlichen Besteuerung unterliegen, wenn sie als Arbeitseinkommen deklariert werden. Dienen sie jedoch der Altersvorsorge, komme ein günstigerer Tarif zur Anwendung AB NR, 2002, III, Beilagen, S. 269 f..
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