Année politique Suisse 2002 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Sanierungsmassnahmen
Zusammen mit dem Voranschlag unterbreitete der Bundesrat dem Parlament zwei
Massnahmen zur Entlastung des Bundeshaushalts. Diskussions- und oppositionslos stimmte dieses einer Änderung des Raumplanungsgesetzes, wonach die Kantone keine Bundesbeiträge mehr an die Kosten der Richtpläne erhalten, zu; mit dieser Massnahme sollen ab 2005 insgesamt 1,7 Mio Fr. eingespart werden. Umstritten war hingegen eine Änderung des Postgesetzes, welche eine Kürzung der Bundesmittel für die Beförderung von abonnierten Zeitungen und Zeitschriften vorsah und mit der ab 2004 jährlich 20 Mio Fr. eingespart werden sollen. Die Linke argumentierte, die Kürzung komme zur falschen Zeit, weil die Staatspolitische Kommission des Nationalrats einen Verfassungsartikel zur Presseförderung in Arbeit habe. Ausserdem träfe sie die Falschen, nämlich vor allem Zeitungen und Zeitschriften, die ihre gesamte Auflage über die Post und nicht über private Zustellorganisationen vertragen lassen. In der Schlussabstimmung wurde die Vorlage mit 112:62 (Nationalrat) resp. 41:0 Stimmen (Ständerat) gutgeheissen BBl, 2002, S. 6965 ff.; AB NR, 2002, S. 1740 ff., 1763 ff. und 2176; AB SR, 2002, S. 1097 ff., 1139 und 1310; BBl, 2002, S. 8348 und 8352. Vgl. auch unten, Teil I, 8c (Presse écrite)..
Auf eine Interpellation Schmied (svp, BE) betreffend Schuldenabbau erwiderte der Bundesrat, dass er die Schulden in erster Linie nominal stabilisieren wolle, dies vor allem mit dem Instrument der Schuldenbremse. Ausserordentliche Einnahmen wie der Erlös des Bundes durch seine Beteiligung am Rückkauf von Swisscom-Aktien kämen dem Schuldenabbau zugute AB NR, 2002, I, Beilagen, S. 582 ff..
Der vom Bundesrat Ende August vorgestellte Finanzplan 2004-2006 geht von roten Zahlen aus. Über die ganze Periode sei mit einem kumulierten Defizit von 960 Mio Fr. zu rechnen. Allerdings entspricht der Finanzplan nicht den Erfordernissen der Schuldenbremse – diese sind nur für den Voranschlag verbindlich. Wenn das Parlament jedoch auf seine Teilbeschlüsse zum Sozialziel in der Krankenversicherung und zum Bundesanteil an den AHV-/IV-Mehrwertsteuerprozenten zurückkäme, könnte der Bundesrat einen annähernd schuldenbremsenkonformen Finanzplan vorlegen Bericht des Bundesrates zum Finanzplan 2004-2006, Bern 2002..
Im Einvernehmen mit dem Bundesrat nahm das Parlament vom Finanzplan in ablehnendem Sinne Kenntnis; die vom Bundesrat Mitte Oktober präsentierten neuen Einnahmenschätzungen und die zurückhaltenden Konjunkturprognosen hätten den Wert des vorgelegten Berichts letztlich auf eine blosse Kompilation der beschlossenen oder sich abzeichnenden Ausgaben reduziert und eine seriöse finanzpolitische Diskussion verunmöglicht. Mit 89:57 Stimmen überwies der Nationalrat ein Postulat, das den Bundesrat aufforderte, bis zur Sommersession 2003 eine finanzpolitische Standortbestimmung vorzulegen. Dieser "neue" Finanzplan sei unter Kürzung der Ausgaben so zu überarbeiten, dass er den Anforderungen der Schuldenbremse entspricht – die Linke hatte vergeblich verlangt, für den Budgetausgleich auch die Einnahmen anzupassen, d.h. Steuererhöhungen zu planen AB NR, 2002, S. 1741 ff. und 1848 ff.; AB SR, 2002, S. 1097 ff. und 1138..
Der Ständerat überwies eine Motion der FK-NR, die das Ausgabenwachstum im Finanzplan 2003-2005 von nominell 4,1% auf 3,3% senken will, um die Ausgaben zu stabilisieren, nur als Postulat. Das Anliegen sei zwar berechtigt, aber realpolitisch nicht umsetzbar; die Schuldenbremse gehe vor AB SR, 2002, S. 88; vgl. SPJ 2001, S. 104.. Gegen den Antrag des Bundesrats überwies der Rat auch eine Motion Merz (fdp, AR), welche die Regierung beauftragt, den Voranschlag 2004 und den Finanzplan 2005-2007 so zu gestalten, dass das Wachstum der Gesamtausgaben gegenüber dem Voranschlag 2003 auf die durchschnittlich erwartete Teuerung beschränkt bleibt. Zudem soll der Bundesrat weitergehende ausgabenseitige Entlastungsmassnahmen aufzeigen. Bundesrat Villiger erklärte, dass bei der Erarbeitung von Voranschlag und Finanzplan nicht nur die Schuldenbremsenkonformität im Vordergrund stehe. Der Bundesrat wolle auch den finanzpolitischen Spielraum sicherstellen. Die Kosten, die im AHV- und IV-Bereich unweigerlich anstehen, seien jedoch derart hoch, dass sie nicht durch Einsparungen in anderen Bereichen kompensiert werden können. Deshalb seien die Forderungen der Motion nicht realistisch AB SR, 2002, S. 1210 ff.; siehe auch die gleichlautende Motion (02.3579) von Nationalrat Walker (cvp, SG) und die gleichlautenden Motionen der FDP-, CVP- und SVP-Fraktion (02.3442, 02.3443 und 02.3444), welche die Respektierung der Schuldenbremse bei der Finanzplanung verlangen..
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