Année politique Suisse 2002 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Voranschlag 2003
Im Januar erklärte der Bundesrat, er werde die Schuldenbremse, welcher Volk und Stände im vergangenen Jahr zugestimmt hatten, auf 1. März 2003 in Kraft setzen; das Budget 2003 müsse deshalb ihren Anforderungen angepasst werden  LT, 31.1.02; 24h und LT, 14.2.02; Presse vom 18.2.-22.2.02. Zur Schuldenbremse siehe SPJ 2001, S. 104 f.. Ende Juli wurde bekannt, dass die Steuereinnahmen wegen der schwachen Konjunktur voraussichtlich unter den Erwartungen blieben. Bereits zuvor hatte Finanzminister Villiger nach einer ersten Budgetübersicht die Setzung von Prioritäten gefordert: Steuerreduktionen, ein Impulsprogramm für Kinderkrippen und mehr Geld für die Verbilligung der Krankenkassenprämien seien nicht alle zu haben  Presse vom 27.6. und 26.7.02.. Im August präsentierte der Bundesrat einen schuldenbremsenkonformen Voranschlag für das Jahr 2003; dieser ging von einem Überschuss von rund 60 Mio Fr. aus. Nur zwei Monate später meldete die Regierung Korrekturbedarf von 320 Mio Fr. wegen Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer und der Mehrwertsteuer; die Finanzkommissionen erhielten den überarbeiteten Voranschlag zusammen mit der Wiederauflage der Kreditsperre Ende Oktober. Die aktualisierte Version ging von einem konjunkturbedingten Defizit von 256 Mio Fr. aus. Damit der Voranschlag die Auflagen der Schuldenbremse erfüllte (zulässig waren 305 Mio), sah der Bundesrat gezielte Kürzungen von 143 Mio Fr. und eine Kreditsperre von 1% vor, mit der sich maximal 222 Mio. Fr. einsparen liessen  Presse vom 23.8., 17.10. und 31.10.02; NZZ, 25.10.02. .
Um den Bundeshaushalt im Jahr 2003 zu entlasten, stimmte das Parlament einer Wiederauflage der Kreditsperre zu. Um nach 1997 und 1999 zum dritten Mal auf dieses Sparinstrument zurückgreifen zu können, musste der Ende Jahr auslaufende Bundesbeschluss durch ein neues, dringliches Bundesgesetz abgelöst werden, das bis Ende 2007 befristet ist. Das Kreditsperrungsgesetz erlaubt es dem Parlament, pauschal für alle Bereiche des Voranschlages prozentual gewisse Kürzungen gegenüber den beschlossenen Krediten vorzunehmen; für 2003 war eine Kreditsperre von 1% vorgesehen. Im Falle einer schweren Rezession kann das Parlament die Sperre jedoch aufheben, um die Nachfrage zu stimulieren und die Konjunktur zu stützen. In der parlamentarischen Beratung wurde ein Nichteintretenseintrag von Nationalrat Mugny (gp, GE) abgelehnt, ebenso der Antrag der SP, den Begriff "schwere Rezession" aus psychologischen Gründen durch "konjunkturelle Lage" zu ersetzen. In der Schlussabstimmung wurde die Vorlage mit 118:57 (Nationalrat) resp. 39:5 (Ständerat) gegen die Stimmen der SP und der Grünen gutgeheissen. Die Annahme der Dringlichkeitsklausel erreichte das qualifizierte Mehr  BBl, 2002, S. 7770 ff.; AB NR, 2002, S. 1741 ff., 1766 f. und 2177; AB SR, 2002, S. 1096 ff., 1111 f. und 1310; BBl, 2002, S. 8355..
Das vom Parlament im Dezember verabschiedete Budget 2003 sah bei veranschlagten Ausgaben von 51 102 Mio Fr. und Einnahmen von 50 856 Mio Fr. einen Ausgabenüberschuss von 246 Mio Fr. vor. Damit überschritten die veranschlagten Ausgaben auch im Berichtsjahr die 50-Mia-Grenze, lagen aber 147 Mio Fr. oder 0,3% unter dem Budget des Vorjahres. Am meisten zusätzliche Mittel benötigte die soziale Wohlfahrt (vor allem AHV, IV und Arbeitslosenversicherung) mit 660 Mio Fr. oder 5,2% mehr als im Vorjahr. Bildung und Forschung wiesen ebenfalls ein überdurchschnittliches Ausgabenwachstum auf (+220 Mio); hier profitieren vor allem die EU-Forschungsprogramme, die Berufsbildung und die Fachhochschulen. Die grössten Entlastungen gab es beim Verkehr (-747 Mio), da ausserordentliche Zahlungen von 846 Mio im Vorjahr für die Luftfahrt wegfielen. Bei den Einnahmen ging der Voranschlag von einer Reduktion um 199 Mio Fr. oder 0,2% aus. Mehreinnahmen sollten vor allem die direkte Bundessteuer (+550 Mio), Regalien und Konzessionen (+480 Mio) und die Verrechnungssteuer (+188 Mio) einbringen. Insbesondere bei den Investitionseinnahmen (-1,14 Mia), aber auch den Stempelabgaben (-250 Mio) und den Mineralölsteuern (-245 Mio) rechnet der Bundesrat mit geringeren Erträgen  Eidg. Finanzverwaltung, Botschaft zum Voranschlag 2003, Bern 2002; Eidg. Finanzverwaltung, Bundesbeschlüsse über den Voranschlag 2003, Bern 2003; BBl, 2003, S. 127 ff.; Lit. Schwaller..
In den Parlamentsdebatten musste Bundesrat Villiger Kritik entgegennehmen, weil er den korrigierten Voranschlag verspätet vorgelegt hatte; der Bundesrat habe sich an die vom Geschäftsverkehrsgesetz vorgegebenen Termine zu halten, damit die Bundesversammlung die Beratungen seriös vorbereiten könne. Am umstrittensten waren neben den Kürzungen der Personalkosten vor allem die Beiträge zum Strassenbau, die Anstossfinanzierung für Kinderkrippen und der Transfer von Geldern für die Gesundheitsprävention an das Bundesamt für Sport. Namens der SVP-Fraktion beantragte Nationalrat Zuppiger (ZH) vergeblich Rückweisung des Budgets mit dem Auftrag, 1 Mia Fr. einzusparen und die Investitionen im Strassenbau um 200 Mio Fr. zu erhöhen. Der Nationalrat lehnte auch die Anträge von linker Seite zur Aufstockung der Beiträge für die Entwicklungszusammenarbeit, die Bekämpfung des organisierten Verbrechens und die Infrastrukturleistungen für die Bahn sowie zu Einsparungen beim Kauf von neuem Rüstungsmaterial ab. Verworfen wurden ebenfalls die Streichungs- resp. Kürzungsanträge der SVP bei der Expo, im Asylbereich, bei den Integrationsmassnahmen für Ausländerinnen und Ausländer, der Friedensförderung und bei "Präsenz Schweiz" – letzterer allerdings knapp. Ebenfalls verschont blieben die Filmförderung, Pro Helvetia, die Kulturabgeltungen für die Stadt Bern und der Heimatschutz. Die grosse Kammer verwarf einen Antrag Fässler (sp, SG), der die Verbilligung der Krankenkassenprämien um 1 Mia Fr. erhöhen wollte, um damit die Kinderprämien zu bezahlen. Gegen den Willen des Bundesrates stimmte sie jedoch einem Antrag Cina (cvp, VS) zu, für die Schaffung von Krippenplätzen 50 Mio Fr. zur Verfügung zu stellen – Marlyse Dormond (sp, VD) hatte den Betrag auf 30 Mio Fr. anheben wollen. Widerwillig hiess der Rat einen Nachkredit für die Expo von 80 Mio Fr. gut, um endlich einen Schlussstrich ziehen und die letzten Handwerkerrechnungen bezahlen zu können – die Grünen hatten die Streichung resp. Rückstellung des Kredits verlangt; zunächst sollte die Expo nachweisen, dass sie sich bei der Wirtschaft intensiv um eine Kostenbeteiligung bemüht hatte. Bei der Landwirtschaft verlangte Weyeneth (svp, BE) eine Ausklammerung der Direktzahlungen von der Kreditsperre und wollte im Gegenzug auf die ursprünglich beantragte Aufstockung der Beihilfen und Zulagen in der Milchwirtschaft um 30 Mio verzichten. Der Rat wies den Antrag ab, stimmte aber kostenneutralen Umschichtungen von 50 Mio Fr. zugunsten der Produktions- und Absatzförderung zu. Mugny (gp, GE) wehrte sich trotz bundesrätlicher Unterstützung vergeblich gegen Abstriche bei der Abgeltung für den kombinierten Verkehr. Zusätzliche Mittel kamen hingegen dem Nationalstrassenbau (+60 Mio), den Hauptstrassen (+15 Mio) und der Sanierung von Bahnübergängen (+8 Mio) sowie den Programmen zur Energie- und Abwärmenutzung (+ 2 Mio) zugute. Gegen den Willen des Bundesrats beschloss der Nationalrat massive Einsparungen bei den Personalkosten von insgesamt 130 Mio. Fr. – beantragt waren 40 Mio Fr. Die generelle Kreditsperre blieb bei 1%; sowohl eine von Hess (cvp, ZG) verlangte Erhöhung auf 2% als auch ein von Fässler (sp, SG) geforderter Verzicht wurden abgelehnt  AB NR, 2002, S. 1740 ff., 1767 ff., 1802 ff. und 1811 ff.; Presse vom 6.11. (Kommissionsberatungen) und 27.11.-29.11.02..
Um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, für das kommende Jahr geplante Investitionen zu blockieren, zog der Aargauer SVP-Ständerat Reimann seinen Rückweisungsantrag zurück. Von der SVP verlangte Einsparungen im Asylbereich und von der Kommissionsmehrheit beantragte Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit wurden verworfen. Beim Impulsprogramm für Kinderkrippen unterstützte die kleine Kammer den Bundesrat und billigte lediglich 20 Mio Fr. Die vom Nationalrat beschlossene Verschiebung von 5 Mio Fr. vom BAG zum Bundesamt für Sport bei der Gesundheitsprävention sowie Kürzungen bei der Investitionshilfe für Berggebiete lehnte sie ebenfalls ab, entschied aber, mehr Geld für den Nationalstrassenbau und – mit Stichentscheid des Präsidenten – für erneuerbare Energien bereitzustellen. Bei den Personalkosten weigerte sich die kleine Kammer, die vom Nationalrat beschlossenen und von der SVP geforderten massiven Einsparungen vorzunehmen  AB SR, 2002, S. 1096 ff., 1112 ff. und 1127 ff.; Presse vom 4.12.02..
Nach und nach einigten sich die Räte schliesslich im Einverständnis mit dem Bundesrat auf Kürzungen bei den Personalkosten von 10 Mio Fr. Sie beschlossen, das Impulsprogramm für Kinderkrippen auf 30 Mio Fr. aufzustocken und bei der Gesundheitsprävention 5 Mio Fr. vom BAG zum Bundesamt für Sport zu transferieren. Ferner verzichteten sie auf eine Aufstockung der Strassenbaukredite sowie der Nahrungsmittelhilfe mit Milchprodukten, die in erster Linie die Schweizer Milchbauern und nicht die Dritte Welt unterstützt. Von Kürzungen verschont blieben die Wirtschaftszusammenarbeit mit den Entwicklungsländern und die Abgeltungen für den kombinierten Verkehr. Das Parlament genehmigte eine allgemeine Kreditsperre von 1% und eine gezielte Kreditsperre von 2% für übrigen Sachaufwand und die Entschädigungen Dritter  AB NR, 2002, S. 1980 ff. und 2067 ff.; AB SR, 2002, S. 1207 ff. und 1267; BBl, 2003, S. 127 ff. Im November genehmigten die Räte den Voranschlag der Eidg. Alkoholverwaltung für das Jahr 2003 (BBl, 2003, S. 125; AB NR, 2002, S. 1802; AB SR, 2002, S. 1139)..
Bund, Kantone und Gemeinden budgetierten für das Jahr 2003 ein Defizit von insgesamt knapp 4,2 Mia Fr. Das ist fast doppelt soviel wie im Vorjahr. Der Fehlbetrag beim Bund beläuft sich auf 1,5 Mia, bei den Kantonen auf 2 Mia und bei den Gemeinden auf 700 Mio Fr. Er erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr beim Bund nur um 150 Mio, bei den Kantonen hingegen um 1,4 Mia. Trotz dieser unerfreulichen Entwicklung würden die Budgets der öffentlichen Hand weiterhin den EU-Budgetkriterien von höchstens 3% für das Defizit des öffentlichen Sektors und 60% des BIP für die öffentliche Verschuldung genügen. Denn 2003 erreicht die Defizitquote der Schweiz (inkl. Sozialversicherungen) nach den budgetierten Zahlen 1,0%, die Verschuldungsquote 53% (Vorjahr: 0,2% bzw. 50%)  Lit. Schwaller..