Année politique Suisse 2003 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Strafrecht
Mit der Bereinigung der letzten übrig gebliebenen Differenzen konnte auch die Erneuerung des
Jugendstrafrechts verabschiedet werden
[42].
Das Parlament folgte dem Antrag des Bundesrats und beschloss, die
Volksinitiative „für eine lebenslange Verwahrung für nicht therapierbare, extrem gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter“ zur Ablehnung zu empfehlen. In der Debatte waren sich zwar alle einig, dass sich die Gesellschaft besser vor rückfallgefährdeten extrem gefährlichen Straftätern schützen müsse. Für die meisten waren aber die dazu im Vorjahr im Rahmen der Strafrechtsrevision beschlossenen Mittel ausreichend und auch besser geeignet als die von der Initiative verlangten. Im Nationalrat sprachen sich nur eine klare Mehrheit der SVP, zwei Freisinnige und die beiden Vertreter der SD und der EDU dafür aus. Vorangehend war ein Antrag von Rechsteiner (sp, SG) gescheitert, die Initiative von der Rechtskommission eingehender auf ihre völkerrechtliche Zulässigkeit überprüfen zu lassen. Dass die Initiative, welche für lebenslänglich Verwahrte eine periodische Überprüfung der Verwahrungsgründe praktisch ausschliesst, nicht EMRK-konform ist, war auch von Strafrechtlern moniert worden. Allerdings verstösst sie nicht gegen zwingendes Völkerrecht (wie etwa Folterverbot, Sklavereiverbot), was gemäss neuer Bundesverfassung automatisch zu einer Ungültigkeitserklärung führen würde. Justizministerin Metzler vertrat bei der Begründung ihrer Ablehnung des Antrags Rechsteiner die Ansicht, dass der Initiativtext eine völkerrechtskonforme Auslegung zulassen würde. Der Ständerat plädierte mit einer Gegenstimme ebenfalls für die Ablehnung der Initiative
[43].
Die Probleme, welche sich vor einigen Jahren beim
Vollzug des revidierten Geldwäschereigesetzes (Einbezug der Finanzintermediäre) ergeben hatten, schienen weitgehend behoben zu sein. Die vom Nationalrat im Jahr 2001 überwiesene Motion für eine bessere personelle Dotierung der Kontrollstelle des Bundes wurde vom Ständerat zuerst aus formalen Gründen in ein Postulat umgewandelt und dann als erfüllt abgeschrieben
[44].
Das Parlament ratifizierte einstimmig das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats über die
Überstellung verurteilter Personen für den Strafvollzug. Dieses erlaubt es in gewissen Fällen, einen ausländischen Straftäter auch ohne dessen Einwilligung eine Strafe in seinem Herkunftsland absitzen zu lassen
[45].
Der Nationalrat befasste sich mit den Kommissionsvorschlägen zur Umsetzung von zwei parlamentarischen Initiativen von Felten (sp, BS) für die strafrechtliche Verfolgung von
Vergewaltigung und anderen Gewaltakten in der Ehe oder eheähnlichen Verhältnissen. Diese gelten in Zukunft als Offizial- und nicht nur als Antragsdelikt. Bei weniger gravierenden Straftatbeständen (einfache Körperverletzung, Tätlichkeit, Drohung, Nötigung) kann das Verfahren auf Wunsch des Opfers eingestellt werden. Gegen den Widerstand der SVP und der Liberalen hiess der Nationalrat die neuen Bestimmungen mit 118 zu 33 Stimmen gut. Nachdem der Ständerat oppositionslos zugestimmt hatte, wurde die Gesetzesrevision in der Herbstsession verabschiedet
[46].
[42]
AB NR, 2003, S. 787 f. und 1241;
AB SR, 2003, S. 487 und 713;
BBl, 2003, S. 4445 ff. Vgl.
SPJ 2002, S. 31. Siehe dazu auch
Lit. Doelling und Riklin.
[43]
AB NR, 2003, S. 277 ff., 296 ff. und 1244;
AB SR, 2003, S. 579 f. und 716;
BBl, 2003, S. 4434 f. Vgl.
SPJ 2002, S. 31. Zum Aspekt der EMRK-Widrigkeit siehe auch Stefan Trechsel in
NZZ, 22.5.03.
[44]
AB SR, 2003, S. 60 ff. Vgl.
SPJ 2002, S. 25.
[45]
AB SR, 2003, S. 1018 f. und 1246;
AB NR, 2003, S. 1831 f. und 2130;
BBl, 2003, S. 8247 f. Vgl.
SPJ 2002, S. 31.
[46]
AB NR, 2003, S. 788 ff. und 1741;
AB SR, 2003, S. 853 f. und 1028. Vgl.
SPJ 2002, S. 31 f.
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