Année politique Suisse 2003 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Flüchtlingspolitik
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Vollzug
Seit 1990 kann der Bundesrat auf Vorschlag des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF) Herkunftsländer von Asylsuchenden, die als hinreichend verfolgungssicher gelten, als Safe Countries bezeichnen. Gemäss Asylgesetz muss auf Asylgesuche oder Beschwerden von Personen, die aus einem Safe Country stammen, nicht eingetreten werden, es sei denn, es lägen Hinweise auf eine individuelle Verfolgung vor. Der Bundesrat ergänzte Mitte Jahr die Liste der verfolgungssicheren Staaten. Ab 1. August 2003 gelten auch Bosnien und Herzegowina sowie Mazedonien als Safe Countries. Im weiteren wurden alle EU-Staaten, die EU-Beitrittskandidaten und die EFTA-Staaten als Gruppe zu Safe Countries erklärt. Bereits zuvor galten folgende Länder als verfolgungssicher: Albanien, Bulgarien, Gambia, Ghana, Senegal, Indien, Litauen, Mongolei und Rumänien [21].
Anfangs Jahr reiste Bundesrätin Metzler nach Senegal, um mit der dortigen Regierung ein Transitabkommen zu vereinbaren. Die Vereinbarung sollte der Schweiz ermöglichen, abgewiesene westafrikanische Asylsuchende mit unklarer Identität nach Dakar zu transportieren. Im Transitbereich des Flughafens sollte mit Hilfe westafrikanischer Diplomaten innerhalb von 72 Stunden versucht werden, die Identität festzustellen. Im Erfolgsfall sollten die Asylbewerber direkt in ihr westafrikanisches Herkunftsland ausgeschafft, bei negativem Ergebnis in die Schweiz zurückgebracht werden. Das Abkommen kam nach langem Ringen zustande, offiziell ohne dass die Schweiz dafür Gegenleistungen zugestimmt hätte. Im senegalesischen Parlament regte sich aber unerwartet heftiger Widerstand gegen das Abkommen, das deswegen letztlich scheiterte [22].
Im Nationalrat verlangte Hess (sd, BE) mit einer Motion, es sei eine Änderung des Asylgesetzes in dem Sinne vorzunehmen, dass jegliche Entwicklungshilfe an Staaten einzustellen ist, die sich bei der Rückführung ihrer Bürgerinnen und Bürger, die in der Schweiz erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen haben, nicht oder kaum kooperativ verhalten. Die Motion wurde vorerst von links-grüner Seite bekämpft, dann mit Stichentscheid des Ratspräsidenten als Postulat überwiesen. Ebenfalls in Postulatsform wurde eine ähnlich lautende Motion von Lalive d’Epiney (fdp, SZ) angenommen. Auf Antrag des Bundesrates, der erklärte, die anvisierten Organisationen seien dafür gar nicht zuständig, wurde hingegen eine Motion Schlüer (svp, ZH) abgelehnt, die forderte, abgewiesene Asylbewerber und illegale Einwanderer aus „kulturfremden Ländern“ seien nicht mehr in der Schweiz, sondern in von anerkannten internationalen Organisationen (wie UNHCR, IKRK u. a.) betreuten Flüchtlingslagern in der Region ihrer Herkunft zu beherbergen [23].
Anfangs Februar trat die Exekutive der Stadt Zürich geschlossen vor die Medien, um ihrem „Manifest für eine neue Schweizer Asylpolitik“ Gewicht zu verleihen. Sie erklärte, die Folgekosten der verfehlten Asylpolitik trügen vor allem die Städte. Die Hoffnung auf eine abschreckende Wirkung des Arbeitsverbots habe sich als falsch erwiesen. Zusammen mit dem sehr knapp bemessenen Taschengeld sei die erzwungene Untätigkeit geradezu eine Einladung zu Schwarzarbeit, Kleinkriminalität und sogar Drogenhandel. Sie regte in einer Resolution mit zehn Punkten ein Umdenken in der Asylpolitik an. Insbesondere verlangte sie die Aufhebung des für die ersten drei resp. sechs Monate nach der Einreise geltenden Arbeitsverbots: Asylsuchende sollten sich durch das Erbringen von öffentlich nützlichen Dienstleistungen sinnvoll betätigen können und mit dem dafür erhaltenen Lohn dazu beitragen, Fürsorgekosten zu sparen. Bund und Kantone zeigten sich skeptisch, die städtischen Parteien (inkl. SVP) begrüssten den Aufruf hingegen grundsätzlich, ebenso der Schweizerische Städteverband. Am 1. Mai startete in Zürich ein Pilotprojekt mit Asylsuchenden, mit vorläufig aufgenommenen Personen, die noch keine Arbeit gefunden haben, sowie mit arbeitslosen anerkannten Flüchtlingen [24].
 
[21] Presse vom 26.6.03.
[22] Presse vom 8.1.-11.1.03; TA, 20.2. und 5.3.03. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Frage und eine Interpellation im NR: AB NR, 2003, Beilagen I, S. 595 und III, S. 411 ff. Im Berichtsjahr konnten Rückübernahmeabkommen mit Nigeria, Armenien, der Ukraine und Spanien abgeschlossen werden (TA, 8.1. und 12.7.03; NZZ, 10.1.03; Presse vom 11.9., 31.10 und 14.11.03).
[23] AB NR, 2003, S. 501 und 1487 ff. In gleiche Richtung wie die Vorstösse Hess und Lalive d’Epinay geht eine im Berichtsjahr eingereichte Standesinitiative des Kantons Aargau (Geschäft 03.304).
[24] Presse vom 1.2.03; TA, 4.2., 14.2. und 10.4.03; SoZ, 9.2.03; NLZ, 13.2., 1.3. und 19.9.03; 24h, 30.6.03.