Année politique Suisse 2004 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
Andere Interessenorganisationen
Der rund 270 000 Mitglieder zählende
Hauseigentümerverband wählte am 19. Juni den freisinnigen Solothurner Nationalrat Rudolf Steiner zum neuen Präsidenten. Er trat die Nachfolge von alt-Ständerat Toni Dettling (fdp, SZ) an
[10].
Die aus einem Zusammenschluss von vier Organisationen („Geboren am 7. Dezember“, „Renaissance Suisse-Europe“, „Geboren 1848“ und „Europäische Bewegung Schweiz EBS“) entstandene
Neue Europäische Bewegung Schweiz (Nebs) setzt sich für einen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union ein und zählt rund 5000 Mitglieder. Im Frühjahr wählte sie Nationalrat Yves Christen (fdp, VD) zum neuen Präsidenten. Der bisherige Amtsinhaber Marc Suter (fdp, BE) hatte seinen Rücktritt erklärt, nachdem er 2003 die Wiederwahl in den Nationalrat nicht geschafft hatte
[11].
Auch die wichtigste direkte Gegenspielerin der Nebs, die gegen einen EU-Beitritt kämpfende Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (
AUNS), hatte als Folge der Wahlen 2003 ihren Präsidenten zu ersetzen. An die Stelle des in den Bundesrat gewählten Gründungsmitglieds Christoph Blocher (svp, ZH) wählte sie am 15. Mai den seit 2003 dem Nationalrat angehörenden Schwyzer Pirmin Schwander (svp). Geschäftsführer der rund 43 000 Mitglieder und eingebundene Sympathisanten zählenden Organisation blieb der Zürcher Nationalrat Hans Fehr (svp). Die AUNS-Versammlung bestätigte bei dieser Gelegenheit auch ihren Beschluss aus dem Vorjahr, gegen das Dublin/Schengen-Abkommen aus dem Paket der Bilateralen Verträge II mit der EU das Referendum zu ergreifen
[12].
Das
Beschwerderecht der Umwelt- und Naturschutzverbände bei grossen Bauprojekten kam im Berichtsjahr noch stärker unter Beschuss bürgerlicher und wirtschaftsnaher Politiker. Dieses Recht ist im Natur- und Heimatschutzgesetz sowie im Umweltschutzgesetz enthalten und steht anerkannten Organisationen aus diesen Bereichen zu, die seit mindestens zehn Jahren national tätig sind
[13]. Auslöser für die Verschärfung der seit Jahren dauernden Kontroverse war das Baugesuch für einen Neubau des Fussballstadions Hardturm in Zürich verbunden mit einem neuen Einkaufszentrum. Infolge der von den Bewilligungsbehörden und Gerichten teilweise gutgeheissenen Beschwerden des
Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) gegen das vorgesehene Parkplatzangebot und die Zahl der erlaubten Zu- und Wegfahrten des privaten Autoverkehrs drohten Verzögerungen, welche die rechtzeitige Stadioneröffnung für die Fussball-Europameisterschaft 2008 in Frage stellten. Zudem war fraglich, ob angesichts der reduzierten maximal zugelassenen Parkflächen und Verkehrsmengen der von Privaten geplante Bau überhaupt realisiert würde. Die Zürcher Freisinnigen nutzten die Verärgerung breiter Kreise über die unnachgiebige Haltung der VCS-Sektion Zürich
[14] um eine nationale Volksinitiative zu lancieren. Diese verlangt, dass bei Infrastruktur- und Bauprojekten, welche in einer Volks- oder Parlamentsabstimmung genehmigt worden sind, das Verbandsbeschwerderecht aufgehoben wird. Dieses soll nur noch bei Behördeentscheiden (Verwaltung, Exekutive) zur Anwendung kommen. Im Nationalrat reichte zudem der Aargauer Transportunternehmer Giezendanner (svp) eine von 80 Ratsmitgliedern unterzeichnete Motion ein, welche den Ausschluss des VCS vom Verbandsbeschwerderecht fordert, weil dieser nicht rein ideell sondern durch sein Angebot an Reisen, Versicherung etc. auch kommerziell tätig sei
[15].
Die Beschwerden gegen das Hardturmstadion
führten aber auch im VCS selbst zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der von Nationalrätin Teuscher (gp, BE) präsidierten nationalen Leitung und der Co-Geschäftsführerin der Zürcher Kantonalsektion, Gabi Petri. Erstere plädierte für eine gewisse Flexibilität, welche beim Entscheid über die Einreichung resp. den Weiterzug einer Beschwerde auch politische Argumente wie der allgemeine Nutzen und die Beliebtheit eines Projekts berücksichtigt. Begründet wurde diese Rücksichtnahme einerseits mit dem Imageschaden, welche der VCS mit einer unnachgiebigen Haltung bei populären Projekten erleiden könnte, und andererseits auch mit der Gefährdung der Institution des Verbandsbeschwerderechts als Ganzes. Diese Ansicht wurde auch von anderen Umwelt- und Naturschutzverbänden geteilt. Für Petri und ihre Zürcher Sektion hingegen dürfen solche Kriterien keine Rolle spielen, sondern es soll allein die Übereinstimmung des Projekts mit sämtlichen in Gesetzen, Verordnungen und übrigen Bestimmungen festgelegten umweltschutzpolitischen Normen ausschlaggebend sein. Rücke man davon aus politischen Gründen ab, schädige man nicht bloss die Umwelt, sondern setze auch die Glaubwürdigkeit des VCS aufs Spiel. An einer Delegiertenversammlung im Mai konnte sich keine dieser beiden Positionen entscheidend durchsetzen, die Anhänger einer unnachgiebigen Politik waren aber in der Mehrheit
[16].
[11]
TG, 24.1.04;
LT, 19.2.04. Zur Entstehung der Nebs siehe auch
BZ, 4.12.04 sowie
SPJ 2001, S. 308.
[12]
TA, 25.2.04;
Lib., 15.5.04. Zu Schwander siehe
TA, 15.5.04.
[13] Allgemein dazu siehe
TA, 14.12.04. Dieses Beschwerderecht von ideell tätigen Interessenorganisationen gibt es auch im Arbeitsrecht, im Konsumentenschutz, bei der Behindertengleichstellung und in weiteren Bereichen.
[14] Diese hatte trotz der bei den Behörden und Gerichten erzielten Teilerfolge beim nationalen VCS beantragt, die Beschwerde an die nächsthöhere Instanz weiterzuziehen.
[15] Siehe dazu oben, Teil I, 6d (Protection des sites et de la nature). Motion Giezendanner: Mo. 04.3456. Vgl. auch
SPJ 2003, S. 354.
[16]
SGT, 27.4.04;
NZZ, 17.5.04; Presse vom 25.5.04;
Bund und
TA, 26.5.04 (andere Verbände). Zur Gründungsgeschichte des seit 25 Jahren bestehenden VCS siehe
WoZ, 12.8.04.
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