Année politique Suisse 2004 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
Verwaltung
Als Zweitrat stimmte auch der Nationalrat der Einführung des
Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung zu. Nachdem Eintreten unbestritten war, beschloss der Rat einige kleine Abweichungen zum Ständerat. Die materiell wichtigste war, dass das Öffentlichkeitsprinzip für amtliche Dokumente nur dann gilt, wenn der politische oder administrative Entscheidungsprozess abgeschlossen ist. Der Nationalrat bestätigte insbesondere den Entscheid der kleinen Kammer, dass die Transparenz für Akten nicht gelten soll, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes erstellt worden sind. Er bekräftigte zudem die vielen vom Bundesrat und vom Ständerat beschlossenen Ausnahmen vom Öffentlichkeitsprinzip. Die wenigen Differenzen waren rasch ausgeräumt und die Neuerung konnte im Berichtsjahr verabschiedet werden, wobei sich die SP im Nationalrat wegen der Einschränkungen und Ausnahmeregelungen der Stimme enthielt
[11].
Das Parlament stimmte der Revision des
Publikationsgesetzes ohne nennenswerte Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf zu. Dieses regelt die amtlichen Veröffentlichungen und Sammlungen des Bundes (Bundesblatt, Amtliche und Systematische Sammlung). Ein kleines föderalistisch gefärbtes Intermezzo ergab sich insofern, als der Ständerat auf Antrag Stähelin (cvp, TG) beschloss, die Kantonsverfassungen weiterhin in die Systematische Sammlung aufzunehmen. Die Begründung für seinen Antrag lautete, dass damit die grosse Bedeutung der Kantonsverfassungen für den Bundesstaat zum Ausdruck gebracht werde. Der Nationalrat teilte diese Meinung
[12].
Der im Vorjahr von der SPK-NR unternommene neue Anlauf für die Schaffung einer eidgenössischen
Ombudsstelle verlief im Sande. Nachdem ihr Vorschlag in einer Vernehmlassung von den bürgerlichen Parteien abgelehnt worden war, beschloss die SPK – nach den Wahlen von 2003 in neuer Zusammensetzung – dem Plenum zu beantragen, der parlamentarischen Initiative Jossen (sp, VS), welche 2002 den Anstoss für den Neuanlauf gegeben hatte, keine Folge zu geben. Die Begründung lautete, dass die finanzielle Situation die Schaffung von zusätzlichen Stellen nicht erlaube und zudem Ombudsstellen zur Vermittlung zwischen Bürgern und Behörden vor allem für kantonale und kommunale Verwaltungen von Bedeutung seien. Der Nationalrat war damit einverstanden und gab der Initiative mit 112:64 Stimmen keine Folge
[13].
Zu der vom Bundesrat beantragten Revision des Finanzhaushaltgesetzes, welche die rechtliche Grundlage für die Einführung des neuen Rechnungsmodells für die Verwaltung bildet, siehe unten, Teil I, 5 (Ausgabenordnung).
Die angespannte Finanzlage des Bundes zwang den Bundesrat, noch vor Behandlung der geplanten Totalrevision der Bestimmungen über die
Pensionskasse des Bundespersonals sofort wirkende Massnahmen zur Entlastung dieser Kasse vorzuschlagen. Er wollte dafür noch im Berichtsjahr die Zustimmung des Parlaments erhalten, um sie bereits auf Anfang 2005 in Kraft setzen zu können. Die
Sofortmassnahmen beinhalteten insbesondere einen Verzicht auf den garantierten Teuerungsausgleich und die Aufhebung der Bestimmung, dass Pensionierte der verselbständigten ehemaligen Bundesbetriebe (z.B. PTT), welche vor der Abtrennung in Rente gegangen sind, gleich zu behandeln sind wie die Pensionierten der Bundesverwaltung
[14]. Das Parlament verabschiedete die Vorlage in der Dezembersession. Beide Kammern lehnten zuerst Rückweisungsanträge der Linken ab. Neben der Neuregelung für Pensionierte der verselbständigten ehemaligen Bundesbetriebe sprachen sich die Gegner der Vorlage auch gegen das Dringlichkeitsverfahren aus
[15]. Der Bundesrat gab bekannt, dass er die oben erwähnte
Totalrevision der Pensionskasse des Bundespersonals, welche unter anderem einen Wechsel vom bisherigen Leistungs- zum Beitragsprimat bringen soll, schneller als geplant vorlegen will. Der Verzicht auf eine ursprünglich als Zwischenlösung vorgesehene Teilrevision soll es ermöglichen, die neue Regelung bereits 2006 in Kraft zu setzen
[16].
Die Sparpläne des Bundes und die in diesem Zusammenhang angekündigten
Personalreduktionen stiessen auf heftigen Protest der Gewerkschaften. Ein von 17 verschiedenen Gewerkschaften und Personalverbänden (mit insgesamt 330 000 Mitgliedern) organisierter Protesttag des Personals von Bund, Kantonen und Gemeinden gegen den Abbau der öffentlichen Dienstleistungen (sogenannter Service public) wirkte allerdings nur in der Westschweiz mobilisierend, wo die kantonalen und kommunalen Angestellten seit langem gegen Abbau- und Sparmassnahmen kämpfen
[17].
[11]
AB NR, 2004, S. 1251 ff., 1973 f. und 2187;
AB SR, 2004, S. 592 ff. und 945;
BBl, 2004, S. 7269 ff.;
NZZ, 21.9.04. Vgl.
SPJ 2003, S. 34.
[12]
AB SR, 2004, S. 1 ff., 397 und 438;
AB NR, 2004, S. 935 ff. und 1238;
BBl, 2004, S. 3121 ff. Vgl.
SPJ 2003, S. 34.
[13]
AB NR, 2004, S. 1103 f.;
TA, 21.2.04. Vgl.
SPJ 2003, S. 34 f.
[14]
BBl, 2004, S. 5415 ff.
[15]
AB SR, 2004, S. 834 ff., 902, 921 f. (Dringlichkeit) und 948;
AB NR, 2004, S. 2076 ff., 2140 f., 2155 f. (Dringlichkeit) und 2192.
[17] Presse vom 24.9.04. Zu den Protestdemonstrationen des kantonalen Personals siehe auch oben, Teil I, 1b (Politische Manifestationen). Vgl. zur Situation des Kantonspersonals in der Westschweiz auch
LT, 7.10.04.
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