Année politique Suisse 2004 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Indirekte Steuern
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Zollgesetz
In der Frühlingssession nahm die kleine Kammer die Beratungen zum neuen Zollgesetz in Angriff und folgte dabei bis auf wenige Punkte der Vorlage des Bundesrates: Stärker als dieser erleichterte sie den passiven Veredelungsverkehr (bei dem Waren aus der Schweiz im Ausland bearbeitet und wieder importiert werden). Als Grenzzone legte sie einen Gebietsstreifen von 10 km dies- und jenseits der Zollgrenze fest (Parallelzone) – der Bundesrat hatte hingegen an der geltenden Regelung der Radialzone, d.h. einem Gebiet im Umkreis von 10 km um die nächstgelegene Zollstelle, festgehalten, um die schweizerischen Grenzbauern, die wegen höherer Absatzpreise die deutschen Bauern überbieten können, nicht zusätzlich zu privilegieren. Ausserdem beschloss der Ständerat mit 15:13 Stimmen, dass die Zollfreilager nur über sensible eingelagerte Waren Bestandesaufzeichnungen zu führen haben und nicht über alle Waren. Statt wie bisher nach fünfzehn Jahren soll eine Zollschuld bereits nach acht Jahren verjährt sein. Das Gesetz passierte die Gesamtabstimmung einstimmig [17].
In der Herbstsession lehnte der Nationalrat einen Antrag der SVP-Kommissionsminderheit ab, die Beratungen bis zum Zeitpunkt zu verschieben, an dem klar ist, ob das Schengener Abkommen in Kraft tritt oder nicht. In der Detailberatung schloss sich der Rat in der Veredelungsfrage der kleinen Kammer an und sprach sich generell für das Äquivalenzprinzip aus, nach dem inländische Waren, die wieder ausgeführt werden, von gleicher Menge, Beschaffenheit und Qualität, nicht aber identisch sein müssen. Bei den Ausfuhren zur Veredelung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Produkten hielt er jedoch am Identitätsprinzip fest und baute gegen den Widerstand der Linken einen Schutzmechanismus ein: Danach soll die Zollverwaltung auf eine Zollbefreiung verzichten können, wenn wesentliche Interessen der Wirtschaft im Inland auf dem Spiel stehen. Bei der Definition der Grenzräume folgte der Nationalrat dem Erstrat (Parallelzone), hielt jedoch für Landwirtschaftsprodukte am Prinzip der Radialzone fest. Abgelehnt wurden Anträge der Linken und Grünen, Verdächtige nur durch Personen des gleichen Geschlechts abtasten zu lassen, den Waffeneinsatz des Grenzwachtkorps einzuschränken und den Gebrauch von Waffen in Notwehr und im Notstand, nicht mehr aber als letztes Mittel zur Erfüllung eines Auftrages zu erlauben. Schliesslich verzichtete die grosse Kammer im Gegensatz zum Ständerat darauf, die Verjährungsfrist für Zollschulden von fünfzehn auf acht Jahre zu reduzieren. In der Gesamtabstimmung wurde das Zollgesetz mit 73:30 Stimmen bei 44 Enthaltungen hauptsächlich gegen den Widerstand der SP-Fraktion angenommen [18].
In der zweiten Lesung hielt der Ständerat weitgehend an seinen Positionen fest: Beim aktiven Veredelungsverkehr (bei dem Waren zollbegünstigt importiert, in der Schweiz bearbeitet und wieder exportiert werden) sprach er sich für einen konsequenten Übergang zum Äquivalenzprinzip aus und lockerte die Voraussetzungen für Zollbegünstigungen oder Zollbefreiung auch bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, da nach dem vom Nationalrat beschlossenen Identitätsprinzip separate Verarbeitungsstrassen hätten eingerichtet werden müssen, was zur Marktabschottung beitrage. Auch bei der passiven Veredelung beharrte der Rat auf konsequenten Zollermässigungen und lehnte den Schutzmechanismus bei der Landwirtschaft ab. Um Schweizer Firmen nicht gleich ins kalte Wasser zu werfen, beschloss er eine Übergangsfrist bis Ende 2011. Bei der Definition der Grenzzone sprach sich der Ständerat erneut für Parallelzonen aus; die vom Nationalrat befürwortete Spezialregelung für die Landwirtschaft (Prinzip der Radialzone) fand keine Mehrheit. Auf die Linie der grossen Kammer schwenkte der Ständerat hingegen bei der Frage der Verjährung von Zollschulden ein (fünfzehn statt acht Jahre) [19].
Im Anschluss an die Beratungen zum Zollgesetz stimmte der Nationalrat gegen den Antrag des Bundesrates einem Postulat seiner WAK zu, das die Regierung beauftragt, einen Bericht über die Zollbemessung zu erstellen und dabei die Vor- und Nachteile des heutigen Gewichtszollsystems und des Wertzollsystems, wie es in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in praktisch allen Industrieländern verbreitet ist, aufzulisten [20].
 
[17] AB SR, 2004, S. 337 ff. und 425 ff.; vgl. SPJ 2003, S. 134.
[18] AB NR, 2004, S. 1364 ff., 1473 ff. und 1486 f.; SN, 30.9.04. Zu Schengen siehe oben, Teil I, 2 (Europe: UE).
[19] AB SR, 2004, S. 783 ff.
[20] AB NR, 2004, S. 1487 f.