Année politique Suisse 2004 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
 
Sanierungsmassnahmen
Während des laufenden Jahres behandelten die Räte mehrere Vorstösse, welche eine Aufgabenverzichtsplanung verlangten: In der Sommersession lehnte der Nationalrat eine von Ständerat Epiney (cvp, VS) eingereichte Motion, welche eine umfassende Überprüfung der Bundesaufgaben verlangte, ab, da mit den Entlastungsprogrammen 2003 und 2004 bereits entsprechende Schritte eingeleitet seien [32]. Auf Antrag des Bundesrates überwies er drei gleichlautende Motionen der SVP-, CVP- und FDP-Fraktion als Postulate, welche eine schuldenbremsenkonforme Finanzplanung ohne Steuererhöhungen, eine Verzichtsplanung sowie eine Beschränkung des Ausgabenwachstums auf das Wirtschaftswachstum forderten und stimmte der Umwandlung einer weiteren Motion der FDP-Fraktion in ein Postulat zu, das die Kürzung der Ausgaben verlangte [33]. In der Herbstsession nahm der Nationalrat eine Motion der CVP-Fraktion an, welche die Überprüfung von Aufgaben und Leistungen des Bundes und der Strukturen der Bundesverwaltung sowie die Durchforstung der Rechtserlasse forderte. Der Bundesrat hatte diesen Vorstoss lediglich in Postulatsform entgegennehmen wollen [34].
Im Anschluss an die Budgetdebatte überwies das Parlament eine Motion der FK-NR, welche den Bundesrat beauftragte, die Normen und Standards der allgemeinen Bundesverwaltung im Bereich Bauten, Raumbewirtschaftung, Logistik und Informationstechnologie in allen Departementen durchzusetzen. Zwei weitere Vorstösse der Kommission stiessen beim Nationalrat zwar auf Zustimmung, der Ständerat lehnte sie jedoch auf Antrag des Bundesrats ab: Die erste Motion forderte eine konkrete Aufgabenverzichtsplanung und Verwaltungsreform, um mindestens ein ausgeglichenes Rechnungsergebnis zu erreichen. Der Ständerat verwarf sie mit der Begründung, dass nur noch das Finanzplanjahr 2006 einen negativen Abschluss aufzeige, 2007 und 2008 gingen von schwarzen Zahlen aus. Um auch für 2006 einen ausgeglichenen Abschluss zu erreichen, müsste parallel zum und gleichzeitig mit dem Entlastungsprogramm 2004 (EP 04) mit einem Umfang von 2 Mia Fr. ein weiteres Sanierungsprogramm in der Grössenordnung von rund 800 Mio Fr. konzipiert und mit Gesetzesänderungen im Hinblick auf das Jahr 2006 umgesetzt werden. Ein derart drastisches Vorgehen – zwei Sanierungsprogramme gleichzeitig nebeneinander – sei nicht nur nicht machbar, sondern gefährde das EP 04. Die zweite vom Ständerat verworfene Motion verlangte, die im Generalsekretariat des UVEK unter der Rubrik „Dienst für besondere Aufgaben“ anfallenden, von den Bestellern nicht vollständig abgegoltenen Kosten bezüglich des Kostendeckungsgrades, der Transparenz und der Departementszuordnung zu überprüfen und entsprechende Anpassungen im Budget 2006 vorzunehmen [35]. Der Nationalrat überwies zudem diskussionslos ein Postulat der FDP-Fraktion, welches vom Bundesrat die Gewährleistung der Kostentransparenz für staatliche Leistungen forderte [36].
Ende Dezember verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft zum Entlastungsprogramm 2004 (EP 04), mit dem er die strukturellen Defizite des Bundes bis 2007 beseitigen will. Das EP 04 setzt hauptsächlich auf der Ausgabenseite an und besteht im Vergleich zum EP 03 aus deutlich weniger, aber wesentlich ergiebigeren Massnahmen mit Schwergewicht auf den sechs grossen Ausgabengebieten (soziale Wohlfahrt, Verkehr, Landesverteidigung, Bildung und Grundlagenforschung, Landwirtschaft sowie Beziehungen zum Ausland) und aus Massnahmen, die sich relativ einfach und rasch umsetzen lassen. Auf der Einnahmenseite sollen mittels verstärkter Kontrolltätigkeit Mehreinnahmen im Umfang von 100 Mio Fr. bei der Mehrwertsteuer und der direkten Bundessteuer erzielt werden. Zusammen mit den im Rahmen einer systematischen Aufgabenverzichtsplanung vorgesehenen Kürzungen der Personal-, Sach- und Investitionsausgaben in allen Aufgabenbereichen (400 Mio) resultiert die angestrebte finanzielle Entlastung von gegen 2 Mia Fr. im Jahr 2008 [37].
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Finanzplan 2006-2008
Obschon die Bestimmungen der Schuldenbremse nur auf den Voranschlag Anwendung finden, präsentierte der Bundesrat im Herbst einen schuldenbremsenkonformen Finanzplan 2006-2008. Für das Jahr 2006 rechnet er mit einem Defizit von 799 Mio Fr., für die Jahre 2007 und 2008 mit Einnahmenüberschüssen von 618 Mio und 715 Mio Fr. Dank der Sanierungsmassnahmen der Entlastungsprogramme 2003 und 2004 sei es möglich, die strukturellen Defizite bis 2007 abzubauen. Bedingung sei, dass die eidgenössischen Räte den geplanten Massnahmen zustimmten und sich die dem Finanzplan zugrunde liegenden Konjunkturprognosen bestätigten. Das Parlament nahm den Finanzplan zur Kenntnis, beurteilte aber das zugrunde gelegte Wirtschaftswachstum und die Einnahmenschätzungen als zu optimistisch [38].
Diskussionslos überwies der Nationalrat ein Postulat von Susanne Leutenegger Oberholzer (sp, BL), welches verlangt, den Einfluss der Fiskal- und der Staatsquote auf das Wirtschaftswachstum vertieft zu untersuchen [39]. Ein Postulat Strahm (sp, BE) wurde abgelehnt, obschon der Bundesrat den Vorstoss bereits umgesetzt hatte, indem er für die Berechnung der Fiskalquote (Abgaben an den Staat in Prozent des Bruttoinlandproduktes) gemäss OECD-Kriterien neu die privaten Beiträge an die Krankenversicherung und die freiwilligen Beiträge an die KV-Zusatzversicherung nicht mehr berücksichtigte [40].
 
[32] AB NR, 2004, S. 821 f. (siehe auch die Ip. der FDP-Fraktion in AB NR, 2004, S. 825 f.); vgl. SPJ 2003, S. 139.
[33] AB NR, 2004, S. 981 ff. (Ziffer 1 des FDP-Vorstosses wurde abgeschrieben); vgl. SPJ 2003, S. 136. Siehe auch die Ip. der SVP-Fraktion und die Ip. Loepfe (cvp, AI) in AB NR, 2004, S. 979 f. und 984 f.
[34] AB NR, 2004, S. 1419 f.
[35] AB NR, 2004, S. 1893 ff.; AB SR, 2004, S. 832 f.
[36] AB NR, 2004, S. 2173 und Beilagen V, S. 220.
[37] BBl, 2005, S. 759 ff. (Botschaft); Presse vom 16.4., 12.6., 18.6.; 1.7., 3.7., 8.7., 20.8., 10.9., 2.11., 22.11., 24.11. und 23.12.04. Zu den Auswirkungen der Sparmassnahmen 03 siehe die Antworten des BR auf die Ip. Amgwerd (cvp, JU) und die Fra. Zisyadis (pda, VD) (Kulturelle Erwachsenenbildung), die Ip. der GP-Fraktion (Sicherheit der Bergbevölkerung und der Tourismusregionen) und die Fra. Gadient (svp, GR) (Schutzwald), Frösch (gp, BE) und Fässler (sp, SG) (Gleichstellung resp. Frauen) sowie Menétrey-Savary (gp, VD) (Einstellung der Zeitschrift Energie-Environnement) in AB SR, 2004, S. 473 ff.; AB NR, 2004, S. 1029 f. und Beilagen I, S. 223 ff., 478, 487 und 513 sowie Beilagen V, S. 377 f.
[38] Bericht des Bundesrates zum Finanzplan 2006-2008, Bern 2004; AB NR, 2004, S. 1783 ff. und 1895; AB SR, 2004, S. 794 ff. und 832; Presse vom 26.-27.2.04.
[39] AB NR, 2004, S. 489 und Beilagen I, S. 381 f. Zum Zusammenhang zwischen Staatsquote und Wirtschaftswachstum siehe auch die Antwort des BR auf die EA Rey (sp, VS) in AB NR, 2004, Beilagen III, S. 208 f.
[40] AB NR, 2004, S. 822 ff. Zur Entwicklung der Fiskalquote siehe die Antwort des BR auf die EA Roth-Bernasconi (sp, GE) in AB NR, 2004, Beilagen IV, S. 159 f.