Année politique Suisse 2004 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Gesundheitspolitik
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Transplantationsmedizin
Als Zweitrat befasste sich die kleine Kammer in der Sommersession mit dem Transplantationsgesetz. Ein Rückweisungsantrag Schmid (cvp, AI), der fand, das Gesetz baue eine unnötige Bürokratie auf und greife mit der Bestimmung, dass der Bund Transplantationszentren bestimmen kann, ungebührlich in die Kompetenz der Kantone ein, wurde mit 27 zu 10 Stimmen abgelehnt. In den zentralen Punkten der erweiterten Zustimmungslösung, der Todesdefinition, der Xenotransplantation und des Inländervorrangs folgte der Ständerat der grossen Kammer. Im Zweckartikel gab er dem Gesetz aber eine neue Richtung, indem er es nicht auf die Bekämpfung von Missbräuchen beschränkte, insbesondere die Vermeidung von Organhandel, sondern festschrieb, dass ein Ziel des Gesetzes auch die Förderung der Verfügbarkeit von Transplantaten sei. Die vom Nationalrat eingefügte Verpflichtung für den Bundesrat, ein zentrales Lebendspenderregister zu führen, um die gesundheitliche Nachsorge der Spender sicherzustellen, lehnte er ab, da er nicht eine weitere Bundesstelle schaffen wollte. Mit 22 zu 16 Stimmen und gegen den Willen von Bundesrat Couchepin, welcher die Auffassung vertrat, ein offizielles und deshalb vom Einzelnen nicht veränderbares Dokument sei nicht der richtige Ort dafür, beschloss er, dem Bundesrat die Kompetenz zu erteilen, einen Organspendervermerk im Fahrausweis vorzusehen. Ein Antrag Pfisterer (fdp, AG), bei der Zuteilung der Organe im Sinn der Reziprozität Personen zu bevorzugen, die einen Spenderausweis haben, wurde mit 23 zu 8 Stimmen abgelehnt, da damit die Freiwilligkeit der Spende eingeschränkt würde. Einstimmig wurde ein Minderheitsantrag angenommen, der für die Organzuteilung eine spezielle Rekursmöglichkeit schafft [16].
In der Herbstsession konnten die Differenzen bereinigt werden. In der Ausdehnung des Zweckartikels schloss sich der Nationalrat der kleinen Kammer an. Einen Organspendervermerk im Fahrausweis lehnte er hingegen als wesensfremd ab, worauf der Ständerat einer Formulierung zustimmte, wonach der Vermerk „auf einem geeigneten Dokument oder Datenträger“ angebracht werden kann, beispielsweise auf der geplanten Versichertenkarte. Auch in der Frage des Lebendspenderregisters setzte sich ein Kompromissvorschlag durch. Bei den Voraussetzungen, unter denen Kliniken die Erlaubnis erhalten, Transplantationen durchzuführen, wurden die Qualitätssicherungssysteme durch den Zusatz ergänzt, dass diese auch die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Spender sicherstellen müssen. Bei der vorerst von ihr bekämpften Bestimmung, wonach die Kontrollbehörde bei vermutetem Missbrauch zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch Grundstücke, Betriebe, Räume und Fahrzeuge betreten, also Hausdurchsuchungen durchführen kann, schloss sich die kleine Kammer der grossen an. Das Gesetz wurde im Ständerat einstimmig und im Nationalrat mit 145 zu 10 Stimmen gutgeheissen. Die grüne Fraktion enthielt sich der Stimme, weil sie der Auffassung war, die erstmals in einem Gesetz verankerte Todesdefinition sei zu wenig vertieft diskutiert worden [17].
Da der Bundesbeschluss über die Kontrolle von Transplantaten Ende 2005 ausläuft, das neue Gesetz und das Ausführungsrecht aber nicht auf Anfang 2006 in Kraft treten können, beantragte der Bundesrat dem Parlament, den geltenden Bundesbeschluss maximal um fünf Jahre (d.h. bis Ende 2010) zu verlängern [18].
 
[16] AB SR, 2004, S. 176 ff. und 199 ff.
[17] AB NR, 2004, S. 1338 ff., 1522 ff. und 1759; AB SR, 2004, S. 517 ff., 560 und 649; BBl, 2004, S. 5453 ff. Gegen das Gesetz wurde aus Kreisen der EDU und der „Lebensrecht-Bewegung“ das Referendum ergriffen (NZZ, 1.12.04). Siehe SPJ 2003, S. 210 f.
[18] BBl, 2004, S. 6685 ff.