Année politique Suisse 2004 : Bildung, Kultur und Medien / Bildung und Forschung / Hochschulen
Im Berichtsjahr verabschiedete das Parlament die
Revision des Fachhochschulgesetzes. Eintreten war in beiden Kammern unbestritten. In der Detailberatung stimmte der
Ständerat der Einführung der zweistufigen Ausbildung (Bachelor/Master) im Sinne der Bologna-Reform zu, ergänzte aber die Befugnisse der Kantone dahingehend, dass sie zum Erwerb des Masters zusätzliche Zulassungsvoraussetzungen erlassen dürfen; Ziel sei es, den Bachelor als berufsqualifizierenden Regelabschluss in den Fachhochschulen (FHS) aufzuwerten. Der Rat entschied, die Land- und die Forstwirtschaft als eigenständige Fachbereiche aufzuführen und sie nicht unter dem Begriff Life Sciences zu subsumieren. Der Bund habe auf die Besonderheit der Organisationsstrukturen von FHS Rücksicht zu nehmen, an welchen mehr als ein Kanton oder ausländische Staaten beteiligt sind; diese Präzisierung trug der Situation in der Ostschweiz Rechnung, wo sich auch das Fürstentum Liechtenstein engagierte. Der Ständerat lockerte die Zulassungsbedingungen für die Inhaberinnen und Inhaber einer gymnasialen Maturität; angesichts der Schwierigkeit für künftige Studierende, einen Arbeitsplatz für das Vorpraktikum zu finden, sei es sinnvoll, dass diese ihre Praxiserfahrung auch während des Studiums und nicht zwingend davor erwerben können. Der Kernpunkt der Revision, die Integration der Studiengänge in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Kunst, war unbestritten. Zu deren Finanzierung sah der Bundesrat eine Subventionierung in der Höhe von jährlich 20 Mio Fr. bis 2007 und ab 2008 eine Gleichstellung mit den anderen FHS vor, wollte aber – ebenso wie die Finanzkommission – die Möglichkeit offen halten, diese Gleichstellung aufzuschieben, falls die Finanzlage des Bundes dies erforderte. Mit 22:19 Stimmen lehnte die kleine Kammer diesen Antrag ab, weil sie Unsicherheiten vermeiden wollte und der Bund gegenüber den Kantonen glaubwürdig bleiben sollte. Sie stellte sich, unterstützt von Bundesrat Joseph Deiss, gegen den Antrag, die Subventionierung anstelle des bisherigen festen Drittels auf „höchstens“ ein Drittel der Investitions- und Betriebskosten zu beschränken. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage mit 37 Stimmen einhellig angenommen
[47].
In der Herbstsession stimmte der
Nationalrat in den meisten Punkten den von der kleinen Kammer vorgenommenen Änderungen zu. Eine wichtige Differenz schuf er bei den Zulassungsbedingungen, wo er – wie der Bundesrat – die Inhaberinnen und Inhaber einer gymnasialen Maturität verpflichten wollte, vor dem Eintritt in eine FHS ein einjähriges Berufspraktikum zu absolvieren. Die Absolventen der verschiedenen Maturitäten seien gleich zu behandeln, wer die Berufsmatura abgeschlossen habe, werde auch nicht prüfungsfrei zur Universität zugelassen; zudem gelte es zu vermeiden, dass die FHS zu Light-Universitäten würden. Kompromissanträge, welche für das Praktikum eine Frist bis ein Jahr vor Diplomabschluss resp. bis Ende des ersten Studienjahres vorsahen, wurden abgelehnt. Bei der Anerkennung ausländischer Diplome verpflichtete der Nationalrat im Gegensatz zur kleinen Kammer den Bundesrat dazu, den berufspraktischen Teil in den Ausbildungsgängen zu berücksichtigen. Bei der Akkreditierung unterstützte die Ratsmehrheit die Vorlage der Regierung, wonach das Volkswirtschaftsdepartement mit den Kantonen vereinbaren kann, die Akkreditierung der FHS und ihrer Studiengänge Dritten zu übertragen, um die Qualität und die Besonderheiten des dualen Ausbildungssystems in der Schweiz zu sichern; die finanzielle Beteiligung des Bundes habe sich auf die Hälfte der akkreditierungsbedingten Kosten zu beschränken. In der Gesamtabstimmung wurde die Vorlage einstimmig angenommen
[48].
In der
Differenzbereinigung einigten sich die beiden Kammern darauf, bei der Akkreditierung von FHS und ihrer Studiengänge die Kantone beim Entscheid mit einzubinden, da diese Träger der Fachhochschulen sind; bei der Anerkennung ausländischer Diplomabschlüsse soll auch der berufspraktische Teil der Ausbildung berücksichtigt werden. In der Einigungskonferenz setzte sich der Nationalrat mit seiner Auffassung durch, dass Maturanden zwingend ein Berufspraktikum absolvieren müssen, um prüfungsfrei in eine Fachhochschule eintreten zu können. Das Fachhochschulgesetz passierte die Schlussabstimmung mit 40:0 Stimmen bei 2 Enthaltungen (Ständerat) und 190:0 Stimmen (Nationalrat)
[49].
Um die
Mehrkosten für die Forschung und die
Bologna-Reform aufzufangen, beschlossen Bund und Kantone, bis 2007 insgesamt 450 Mio Fr. einsparen, indem sie die Studiengebühren bis 300 Fr. erhöhen und Subventionen für Zusatzangebote (v.a. berufsbegleitende Nachdiplomstudien) streichen
[50].
Im März erhielt die
Fachhochschule Ostschweiz, bestehend aus der Interstaatlichen Hochschule für Technik in Buchs, der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur, der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Soziale Arbeit in St. Gallen und der Hochschule für Technik Rapperswil die definitive Anerkennung durch den Bund. Die FHS Ostschweiz basiert auf einer Zusammenarbeit der Kantone Zürich, Schwyz, Glarus, Schaffhausen, Appenzell Inner- und Ausserrhoden, St. Gallen, Graubünden und Thurgau; das Fürstentum Liechtenstein ist an den Sitzungen des Fachhochschulrates als ständiger Gast vertreten
[51].
Im November schlossen die Regierungen des Kantons Aargau, beider Basel und Solothurns einen Staatsvertrag über eine gemeinsame
Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in den Bereichen Technik, Bau, Wirtschaft, Gestaltung und Kunst, Soziale Arbeit, Pädagogik sowie Musik (diese ab 2008). Die Kooperation soll in eine Vollfusion münden. Das von Solothurn favorisierte Modell mit drei Teilschulen drang nicht durch. Die FHNW wird einer einheitlichen Führung unterstehen (mit Hauptsitz Windisch, AG) und einen umfassenden Leistungsauftrag erhalten, jedoch an den bisherigen Standorten präsent bleiben. Weil Solothurn und Aargau hohe Mehrkosten zu tragen haben, Basel-Stadt aber entlastet wird, erklärte sich der Stadtkanton bereit, drei Jahre lang Abfederungen von insgesamt 3,4 Mio Fr. zu entrichten. Die Kantonsregierungen trugen dem insbesondere von den freisinnigen Kantonalparteien konzertiert vorgebrachten Hauptkritikpunkt aus der Vernehmlassung Rechnung und stellten eine Bereinigung der Portfolio-Frage vor den Parlamentsberatungen auf Ende Januar 2005 in Aussicht
[52].
Der Kanton Bern beteiligte sich an der von den Westschweizer Kantonen betriebenen
Fachhochschule Westschweiz (HES-SO), indem er die Ecole d’ingénieurs von St. Imier in die von Jura und Neuenburg betriebene Hochschule ARC Bern-Jura-Neuenburg überführte sowie durch ein Engagement an der Fachhochschule Westschweiz für Gesundheit und soziale Arbeit
[53].
[47]
AB SR, 2004, S. 90 ff.; vgl.
SPJ 2003, S. 271.
[48]
AB NR, 2004, S. 1426 ff.; Presse vom 29.9.04.
[49]
AB SR, 2004, S. 758 ff., 855 ff., 887 und 946;
AB NR, 2004, S. 1965 ff., 2067 f., 2123 f. und 2188;
BBl, 2004, S. 7325 ff.
[51] Presse vom 13.3.04;
SGT, 22.3.04.
[52] Presse vom 14.4., 27.5. und 13.11.04; vgl.
SPJ 2003, S. 271.
[53]
BZ, 27.2. und 9.9.04.
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