Année politique Suisse 2004 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kulturpolitik
Im Einverständnis mit dem Bundesrat überwies der Ständerat ein Postulat Bieri (cvp, ZG), welches verschiedene Vorgaben zur Ausgestaltung des geplanten Kulturförderungsgesetzes, insbesondere zur Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden sowie zur Unterstützung der Musikausbildung formulierte und für die Kulturpolitik moderne Strukturen, eine klare Basis für die Förderung und einen effizienten Einsatz der knappen Mittel verlangte
[1]. Mitte Jahr gab der Direktor des BAK bekannt, dass sich die Eröffnung der Vernehmlassung zum
Kulturförderungsgesetz um mindestens ein Jahr verzögert, da verschiedene Aspekte des Gesetzeswerks noch vertieft abzuklären seien; zudem zwängen Finanzdruck und Strukturprobleme zur Definition einer neuen internen Strategie
[2].
Spätestens seit dem Filmfestival von Locarno, als Couchepin das BAK in einem Interview mit einer welschen Wochenzeitung hart angriff und von „Kolonialisierung der offiziellen Kultur durch die Linke“ und von „Vetternwirtschaft“ im BAK sprach, war klar, dass das Verhältnis zwischen Departementschef und Amtsvorsteher einer Klärung bedurfte. David Streiff, 1994 von Bundesrätin Dreifuss als
BAK-Direktor eingesetzt, zog die Konsequenzen aus der verfahrenen Situation und demissionierte per Ende März 2005. Als ausgewiesener Kunsthistoriker und -vermittler hatte er in seiner bisherigen Berufslaufbahn – unter anderem als langjähriger Direktor des Filmfestivals von Locarno – ein dichtes Beziehungsnetz zu ganz unterschiedlichen Kulturinstitutionen knüpfen und deren Vertrauen gewinnen können. Sein Rücktritt wurde denn auch weit über den Kreis der eigentlichen Kunstschaffenden hinaus bedauert. Zu Streiffs Nachfolger ernannte der Bundesrat
Jean-Frédéric Jauslin, bisher Direktor der Schweizerischen Landesbibliothek; der neue BAK-Chef ist von Haus aus Informatiker und gilt als versierter Verwaltungsexperte
[3].
Diskussionslos und einstimmig genehmigte auch der Nationalrat die Ratifikation des Zusatzprotokolls zum Haager Abkommen über den
Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten. Die Zustimmung des Ständerates war bereits im Vorjahr erfolgt
[4].
Mit einer Motion der WBK des Nationalrates wurde der Bundesrat beauftragt, für die
Sicherung, Erschliessung und Vermittlung der audiovisuellen Quellen in allen seinen Zuständigkeitsbereichen entsprechende gesetzliche Grundlagen zu erarbeiten. Die Regierung verwies auf das Engagement des Bundes in der Stiftung Schweizerisches Filmarchiv, dem der Bund neben jährlichen Finanzhilfen von knapp 2 Mio Fr. das Archivgebäude in Penthaz (VD) unentgeltlich zur Verfügung stellt, sowie im Verein Memoriav, der für die Periode 2002-2006 mit jährlich 3 Mio Fr. aus den Budgets der Bundesämter für Kultur und Kommunikation sowie des Schweizerischen Bundesarchivs unterstützt wird. Ihrer Ansicht nach bilden das Bundesgesetz über die Landesbibliothek und das Filmgesetz eine ausreichende rechtliche Grundlagen für die Gewährung von Finanzhilfen; in der laufenden Totalrevision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen werde zudem auch die Erhaltung von audiovisuellen Programmen geregelt. Weil sich der Bundesrat vorbehalten wollte, das Thema allenfalls umfassender bei der gesetzlichen Umsetzung des Kulturartikels der Bundesverfassung zu regeln, beantragte er erfolglos Umwandlung in ein Postulat. Der Nationalrat war der Auffassung, dass gerade der Verein Memoriav eine klarere gesetzliche Grundlage brauche, um seine Finanzierung über das Jahr 2006 hinaus sicherzustellen, und nahm den Vorstoss mit deutlichem Mehr an. Der Ständerat teilte diese Auffassung und überwies die Motion ebenfalls
[5].
Im Einvernehmen mit dem Bundesrat stimmten beide Kammern einer Motion Zisyadis (pda, VD) zu, welche die Regierung aufordert, jene Massnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, damit die
Weinberge des Lavaux (VD) in die Unesco-Liste des Natur- und Kulturerbes der Welt aufgenommen werden können
[6].
Eine Umfrage des BFS bei 7500 Betrieben für das Jahr 2001 ergab, dass die Schweizer Unternehmen die Kultur durch
Sponsoring und Mäzenatentum mit jährlich rund 320 Mio Fr. unterstützen. Der Löwenanteil dieser privaten Kulturfinanzierung geht auf das Konto der Grossunternehmen, insbesondere Banken und Versicherungen, doch erweisen sich die kleinen Betriebe hinsichtlich Beitragshöhe pro Mitarbeitenden am grosszügigsten
[7].
[1]
AB SR, 2004, S. 471. BR Couchepin nahm die Behandlung des Postulats zum Anlass, um aus seiner Sicht klarzustellen, wer im BR letztlich für die kulturelle Arbeit der Schweiz im Ausland zuständig ist, nämlich sein EDI, und nicht etwa das EDA. Ins Visier nahm Couchepin vor allem die DEZA, aber auch das neue Kompetenzzentrum für Kulturaussenpolitik im EDA. Zu den Schwerpunkten der Kulturförderungspolitik des Bundes siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation im NR:
AB NR, 2004, Beilagen IV, S. 454 ff. Vgl.
SPJ 2003, S. 279.
[2] Presse vom 15.6.04;
NZZ, 19.6.04. Siehe auch die Antwort des BR auf zwei Anfragen im NR:
AB NR, 2004, Beilagen IV, S. 189 f. und 224 f.
[3]
LT, 7.8.04;
BZ, 10.8.04;
L’Hebdo, 12.8.04;
NZZ, 13.8. und 21.8.04;
TA, 14.8.und 21.8.04; Presse vom 28.8. und 11.12.04. Neben grundsätzlichen Differenzen über die Ausrichtung der Kulturpolitik fühlte sich Couchepin auch durch die Verballhornung seines Namens in einem vom BAK mitfinanzierten Film verunglimpft, weshalb er im Sommer eine Administrativuntersuchung zur Durchleuchtung der Praxis des BAK bei der Gewährung von finanziellen Beihilfen an Filmschaffende anordnete. Die Untersuchung stellte keine Unregelmässigkeiten fest (Presse vom 14.8. und 4.11.04).
[4]
AB NR, 2004, S. 209 ff. und 500;
AB SR, 2004, S. 166. Siehe
SPJ 2003, S. 281.
[5]
AB NR, 2004, S. 419 f.;
AB SR, 2004, S. 470 f. Siehe dazu auch die Jahrespressekonferenz des BAK (Presse vom 15.6.04).
[6]
AB NR, 2004, S. 1224;
AB SR, 2004, S. 896 f.
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