Année politique Suisse 2004 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
Presse
In der Herbstsession befasste sich der Ständerat mit der im Vorjahr von der grossen Kammer unterstützten
parlamentarischen Initiative „Medien und Demokratie“. Mit dieser sollte die 2007 auslaufende indirekte Unterstützung der Zeitungen und Zeitschriften über die Subventionierung der Vertriebskosten durch eine direkte Finanzhilfe an die Medienunternehmen ersetzt werden
[4]. Der dazu von der SPK des Nationalrats konzipierte Verfassungsartikel fand jedoch keinen Beifall. Nicht einmal die SP und die CVP, welche im Nationalrat hinter der Vorlage gestanden hatten, setzten sich noch für sie ein. Die auch vom Bundesrat bekämpfte Initiative wurde
mit einem einstimmig gefällten Nichteintretensbeschluss abgelehnt. Hauptargument war, dass direkte Zahlungen an einzelne Unternehmen nicht die Medienvielfalt schützen würden, sondern einer unerwünschten, ja für die Meinungsfreiheit sogar gefährlichen staatlichen Lenkung gleichkämen. Diese Art von Direktzahlungen war auch von den Verlegerverbänden aller drei Sprachregionen abgelehnt worden. Die SPK des Nationalrats beschloss nach diesem Entscheid, dem Plenum ebenfalls einen Verzicht auf das Vorhaben nahe zu legen
[5].
Da aber auch in der kleinen Kammer der Wert einer vielfältigen Medienlandschaft unbestritten war, wollte diese die bisherige Presseförderung
via Beiträge an die Vertriebskosten in abgewandelter Form beibehalten. Sie überwies dazu ohne Gegenstimme eine
Motion ihrer SPK, welche verlangt, dass die Vertriebskostensubventionierung auch nach 2007 weitergeführt wird. Gemäss Motionstext sollen allerdings die Mängel des alten Systems, von welchem die in Grossauflage erscheinenden Gratis-Konsumentenzeitungen der Detailhandelsketten Migros und Coop am meisten profitiert hatten, behoben werden. Bundesrat Leuenberger, der die Motion ablehnte, wies vergeblich darauf hin, dass dies entweder einer Fortsetzung der ineffizienten Subvention nach dem Giesskannenprinzip, oder aber – bei gezielter Subventionierung anhand von politisch festgelegten Kriterien – einer problematischen staatlichen Presselenkung gleichkommen würde. Keine Chance hatte demgegenüber im Nationalrat eine parlamentarische Initiative Mugny (gp, GE) für einen Verzicht auf die für die Zeit bis 2007 beschlossenen Sparmassnahmen bei den Beiträgen an die Vertriebskosten. Der Vorstoss wollte zuerst Presseerzeugnisse mit einer Auflage bis zu 30 000 Exemplaren und anschliessend schrittweise auch solche mit grösseren Auflagen davon ausnehmen
[6].
Ende Juli lief der
Gesamtarbeitsvertrag für die Pressebranche aus. Namentlich wegen der Meinungsverschiedenheiten über die Bestimmungen für Mindestlöhne hatten sich die Sozialpartner (Verlegerverband und Gewerkschaft Comedia) im Frühjahr nicht über einen neuen GAV einigen können. Die Comedia wollte die Höhe dieser Löhne weiterhin im GAV festgeschrieben haben, während die Arbeitgeber für den Grundsatz einer Festlegung aller Löhne auf Betriebsstufe plädierten. Im September führte die Gewerkschaft mehrere Aktionen durch, um die Verleger zur Wiederaufnahme der Verhandlungen zu veranlassen. Dieses Ziel wurde damit allerdings nicht erreicht
[7].
Der
Presserat ist ein 1977 geschaffenes Selbstkontrollorgan der schweizerischen Printmedien und wird von einer Stiftung von vier Journalistenverbänden (Comedia, SSM, Impressum und Konferenz der Chefredaktoren) getragen. Er behandelt Klagen und Beschwerden rechtlicher und vor allem ethischer Art. Dabei hat er zwar keine Weisungsbefugnis, seine Stellungnahmen finden aber jeweils grosse Beachtung. Die vier Trägerorganisationen lehnten es im Berichtsjahr einmal mehr ab, auch den Verlegerverband (Verband Schweizer Presse) an dieser Institution, welche von einzelnen Unternehmen finanziell unterstützt wird, zu beteiligen. Namentlich die Gewerkschaft Comedia lehnte dieses Ansinnen kategorisch ab, da der Presserat sonst auf die kommerziellen Interessen der Verleger Rücksicht zu nehmen hätte und damit seine Glaubwürdigkeit verlieren würde
[8].
In Bern startete zu Jahresbeginn das so genannte
Berner Modell, das für die zwei Tageszeitungen Berner Zeitung und Bund zwei weiterhin unabhängige Redaktionen, aber ein gemeinsames Verlagsdach (Espace Media Groupe) und einen gemeinsamen Inseratepool (Inserate können nur noch für beide Zeitungen gemeinsam gebucht werden) beinhaltet. Die Wettbewerbskommission hatte diesen Zusammenschluss 2003 provisorisch und im Berichtsjahr nach einer vertieften Prüfung auch definitiv gutgeheissen; verbunden war damit die Auflage, sich nicht an der Gratiszeitung „20 minuten“ zu beteiligen, da sonst die Espace Media Groupe über eine zu dominante Vormachtstellung auf dem bernischen Werbemarkt verfügen würde
[9].
In der
Westschweiz schlossen die Freiburger Liberté und der Walliser Nouvelliste ein Zusammenarbeitsabkommen ab, das sich sowohl auf die redaktionelle Tätigkeit als auch auf den Vertrieb erstreckt
[10].
Gemäss der Erhebung der wemf ist die Gratiszeitung „
20 Minuten“ im Jahr 2004 zur meist gelesenen Tageszeitung der Schweiz geworden und hat damit den Blick von seiner seit Jahrzehnten eingenommenen Spitzenstellung verdrängt
[11].
[4] Diese Einstellung der Vertriebssubventionierung war 2002 mit der Revision des Postgesetzes beschlossen worden (siehe
SPJ 2002, S. 281 ff.).
[5]
AB SR, 2004, S. 552 ff.;
AZ, 18.8.04 (Verleger);
LT, 23.10.04 (SPK-NR). Vgl.
SPJ 2003, S. 288 f.
[6]
AB SR, 2004, S. 558 (Motion);
AB NR, 2004, S. 1355 (pa.Iv.).
[7]
NZZ, 21.4. und 20.8.04;
AZ, 28.8.04.
[8]
AZ und
NZZ, 8.9.04. Die Beiträge der Verleger machen rund 15% des Gesamtbudgets aus.
[9]
Bund und
BZ, 3.1.04;
BaZ, 28.1.04 (Weko). Vgl.
SPJ 2003, S. 292. Zur Espace Media Groupe siehe auch
BZ, 29.1.04.
[11]
MACH Basic 2004: Media-Analyse Schweiz, Sondernummer September 2004 von
Media Trend Journal;
TA, 7.9.04. Vgl.
SPJ 2003, S. 291.
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