Année politique Suisse 2005 : Grundlagen der Staatsordnung / Politische Grundfragen und Nationalbewusstsein
 
Kantonale Verfassungsrevisionen
In Basel-Stadt beendete der Verfassungsrat im März die zweite Lesung der neuen Kantonsverfassung und verabschiedete sie mit 48:3 Stimmen. Gegen den Widerstand der SVP hiess das Volk am 30. Oktober die neue Verfassung mit einem Ja-Stimmenanteil von 77% gut. Sie enthält zwei bemerkenswerte Neuerungen im institutionellen Bereich: Das Parlament wird von 120 auf 100 Mitglieder reduziert, und die Amtsdauer des Regierungspräsidenten wird von einem auf vier Jahre verlängert. Letzteres geschah unter anderem auch, um dem Präsidenten einen ähnlichen Bekanntheitsgrad in den nationalen Medien zu verschaffen wie den Stadtpräsidenten anderer Grossstädte. Das im Vorentwurf enthaltene Ausländerstimmrecht war 2004, aus Angst vor einer Abstimmungsniederlage für das gesamte Projekt, wieder aus der neuen Verfassung eliminiert worden. Immerhin dürfen die beiden Gemeinden Binningen und Riehen dieses für kommunale Angelegenheiten einführen [5].
In Luzern nahm die Verfassungskommission an ihrem im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebenen Entwurf gewichtige Abstriche vor. Sie verzichtete auf die von den bürgerlichen Parteien heftig kritisierten Elemente Ausländerstimmrecht, Stimmrechtalter 16, Anerkennung weiterer Religionsgemeinschaften und Einführung von Einbürgerungskommissionen. Die Regierung schlug dem Parlament vor, den Stimmberechtigten zumindest das fakultative Ausländerstimmrecht als Zusatzfrage zur neuen Verfassung vorzulegen [6].
In Zürich nahm das Volk am 27. Februar die neue Kantonsverfassung mit einem Ja-Stimmenanteil von 64% an. Für ein Nein hatten sich neben der SVP auch einige prominente Freisinnige ausgesprochen. Die wenigen durch die neue Verfassung herbeigeführten materiellen Änderungen konzentrieren sich auf die Volksrechte, wo die Unterschriftenzahlen für Initiative und Referendum reduziert und das konstruktive Referendum sowie das Gemeindereferendum eingeführt wurden [7]. Auf Antrag des Bundesrats genehmigte die Bundesversammlung die neue Zürcher Verfassung. Dabei gab eine Praxisänderung des Bundesrates Anlass zu einer kurzen Diskussion im Ständerat. Die Regierung stellte in der Botschaft bloss noch fest, dass die neue Verfassung den Anforderungen der Bundesverfassung genüge, ohne dies für jeden einzelnen Artikel ausführlich zu diskutieren und zu begründen. Auslöser für diese stark verkürzte Berichterstattung war die Behandlung der Bündner Kantonsverfassung im Vorjahr gewesen, als ein Kommentar in der bundesrätlichen Botschaft zum Wahlrecht vom Parlament heftig kritisiert worden war. Bundesrat Blocher versicherte im Ständerat, dass die kantonalen Verfassungen natürlich weiterhin sorgfältig auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht überprüft würden. Zudem hätten es auch die Kantone begrüsst, dass der Bundesrat in seiner Botschaft auf eine ausführliche Kommentierung ihrer Verfassungen verzichte [8].
Im Kanton Schwyz gab das Volk im September den offiziellen Startschuss zur Totalrevision der Kantonsverfassung. Es hiess dazu unter anderem den Antrag der Regierung zur Einsetzung einer Verfassungskommission gut. Diese wurde vom Kantonsrat auf Antrag der Regierung gewählt und setzt sich aus 15 Kantonsräten und 12 aus der übrigen Bevölkerung stammenden Personen zusammen [9].
Der Kanton Genf ist einer der letzten, der seine Verfassung noch nicht totalrevidiert hat. Ein Vorstoss der Freisinnigen, die aus dem Jahre 1847 stammende Verfassung einer vollständigen Überarbeitung zu unterziehen, konnte nur einen Teilerfolg erzielen. Der Grosse Rat entschied, dieses Anliegen von einer parlamentarischen Kommission überprüfen zu lassen. Das selbe Vorgehen war, ohne dass sich daraus konkrete Folgen ergeben hätten, bereits 2001 bei der Behandlung eines ähnlichen Antrags beschlossen worden [10].
Die Bundesversammlung genehmigte eine Reihe von Revisionen von kantonalen Verfassungen, darunter – neben der oben erwähnten zürcherischen – auch die Totalrevision derjenigen des Kantons Freiburg [11].
 
[5] BaZ, 27.2., 24.3., 1.10. und 31.10.05. Vgl. SPJ 2004, S. 15.
[6] NLZ, 9.5. und 20.12.05. Vgl. SPJ 2004, S. 15.
[7] TA, 8.1., 2.2. und 28.2.05. Vgl. SPJ 2004, S. 15 sowie NZZ, 28.12.05.
[8] BBl, 2005, S. 5239 ff.; AB SR, 2005, S. 982 f.; AB NR, 2005, S. 1926 f.; BBl, 2006, S. 341. Zur Bündner Verfassung siehe SPJ 2004, S. 15 f.
[9] NZZ, 26.5., 26.9. und 17.11.05. Vgl. SPJ 2004, S. 15.
[10] LT, 24.1., 8.2. und 13.5.05; TG, 20.6. und 3.9.05.
[11] AB SR, 2005, S. 538; AB NR, 2005, S. 771; BBl, 2005, S. 4245. Vgl. SPJ 2004, S. 15 und 16 (Fussnote 9).