Année politique Suisse 2005 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
Datenschutz und Statistik
Der Nationalrat befasste sich erneut mit dem vom Bundesrat 2003 präsentierten Entwurf für eine
Teilrevision des
Datenschutzgesetzes. Seine Rechtskommission hatte den Auftrag des Ständerats aus dem Vorjahr erfüllt und legte eine schlankere Version vor. Diese konzentrierte sich auf die Verbesserung des Datenschutzes bei Online-Verbindungen der Bundesverwaltung, auf die Informationspflicht bei der Erhebung schützenswerter Daten und auf den Datenschutz bei der grenzüberschreitenden Datenübermittlung (geregelt im Zusatzprotokoll zur Datenschutzkonvention des Europarats, das vom Parlament im Anschluss an die Gesetzesrevision genehmigt wurde). Die Linke kämpfte vergeblich dafür, dass einige in der ursprünglichen Vorlage enthaltene Bestimmungen wieder aufgenommen werden. So scheiterte ihr Antrag, dass Inhaber von Datensammlungen die Betroffenen immer – und nicht nur bei der Beschaffung von besonders schützenswerten Daten – informieren müssen. Abgelehnt wurde vom Plenum auch der linke Antrag für ein Verbandsklagerecht gegen die Bearbeitung und Sammlung von Daten. Keine Chance hatte im Weiteren das in der ursprünglichen Regierungsvorlage enthaltene Einspruchsrecht gegen die Bearbeitung von Personendaten durch Privatpersonen und Unternehmen. Damit sollten die Bearbeiter verpflichtet werden, die Datenaufnahme resp. -verarbeitung bis zur Nennung einer gerichtlich anfechtbaren Rechtfertigung für die Datensammlung zu unterbrechen. Der Ständerat schloss sich fast in allen Punkten dem Nationalrat an. Die wenigen verbliebenen Differenzen wurden im Berichtsjahr noch nicht ausgeräumt
[7].
Im Sommer beschloss der Bundesrat, das Projekt einer neuen einheitlichen
Personenidentifikationsnummer (PIN), welche sich in verschiedenen Bereichen der Verwaltung einsetzen und unter Umständen auch verknüpfen lässt, nun doch weiter zu verfolgen. Im Vorjahr hatte er aufgrund des Widerstandes aus Datenschutzkreisen noch darauf verzichten wollen. Der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Hanspeter Thür, aber auch die SVP und die Linke protestierten erneut gegen diese Pläne, da die Barrieren gegen eine unerwünschte Verknüpfung von persönlichen Daten ihrer Meinung nach nicht hoch genug sind
[8].
Gegen Jahresende publizierte der Bundesrat seine Botschaft für die Schaffung eines Bundesgesetzes über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister (
Registerharmonisierungsgesetz, RHG). Hauptziel der Vorlage ist eine für alle verbindliche Vereinheitlichung der kantonalen und kommunalen Einwohnerregister, mit dem Zweck, sie auch für statistische Bevölkerungserhebungen (Volkszählungen) zu nutzen. Neben der Definition der obligatorisch aufzunehmenden Merkmale (Alter, Geschlecht etc.) soll das Gesetz auch die Datenkontrolle und -übertragung regeln. Um einen Datenaustausch dort, wo er gesetzlich erlaubt und normiert ist, weitgehend zu automatisieren, soll ein eindeutiger, in allen betreffenden Registern zu verwendender
Personenidentifikator festgelegt werden. Gemäss dem Gesetzesentwurf wird dies die neue Sozialversicherungsnummer sein, welche ab 2008 die heutige AHV-Nummer ablösen soll. Im Unterschied zur bestehenden AHV-Nummer wird dieser neue Code keine Zeichen enthalten, die Rückschlüsse auf die Person zulassen (z.B. Alter oder Geschlecht). Die Investitionskosten für das Projekt hat die Regierung auf knapp 50 Mio Fr. geschätzt, wovon 15,8 Mio Fr. auf den Bund entfallen. Die von den Kantonen in der Vernehmlassung geforderte Bundesbeteiligung an den Kosten der Kantone und Gemeinden lehnte der Bundesrat ab. Er verwies in der Begründung auf die Einsparungen, welche sich aus den Vereinfachungen auch für die kantonalen und kommunalen Verwaltungen ergäben. Allein die für das Jahr 2010 vorgesehene nächste
Volkszählung soll mit diesem System um mindestens 40 Mio Fr. (davon 15 Mio Fr. für Kantone und Gemeinden) billiger zu stehen kommen
[9].
Der im Sommer bekannt gegebene Plan des BFS, die
Volkszählung 2010 mittels Registerdaten und ergänzenden Repräsentativbefragungen, aber ohne die bisher üblichen Fragebogen für alle Einwohner und Einwohnerinnen durchzuführen, führte zu einiger Aufregung namentlich bei der Wissenschaft und den Beratungs- und Planungsbüros. Da in den Einwohnerregistern nur einige Grunddaten wie Alter, Geschlecht, Nationalität und Zivilstand, jedoch keine Angaben zu Sprache, Verkehrsverhalten, Bildung etc. vorhanden sind, verliere die politische Planung (z.B. für Verkehrs- oder Gesundheitsinfrastrukturen) unentbehrliche Informationen. Die vorgesehenen Repräsentativbefragungen seien dafür kein Ersatz, da diese keine statistisch zuverlässigen Aussagen über die Verhältnisse im kleinräumlichen Bereich (Gemeinden oder Stadtquartiere) machen können. Im Nationalrat reichte der Freisinnige Gutzwiller (ZH) eine Motion ein, welche verlangt, dass der Bundesrat dem Parlament die Beibehaltung der Vollerhebung mit Fragebogen als gleichwertig entwickelte Alternative zur geplanten neuen Erhebung mit Registerdaten und zusätzlicher Stichprobe vorlegen soll
[10].
[7]
AB NR, 2005, S. 1436 ff.;
AB SR, 2005, S. 1152 ff. Vgl.
SPJ 2004, S. 18.
[8]
BZ, 5.7. und 6.7.05;
NZZ, 7.7.05. Vgl.
SPJ 2004, S. 18.
[9]
BBl, 2006, S. 427 ff.;
NZZ, 24.11.05;
SGT, 25.11.05 (Thür).
[10]
Bund und
TA, 8.7.05;
NZZ, 25.7., 22.8. und 6.9.05 (Kritik);
NZZ, 15.7.05 (Replik des BFS). Damit auf die traditionelle Vollerhebung mit Fragebogen verzichtet werden kann, muss das Parlament eine Revision oder die Aufhebung des Volkszählungsgesetzes von 1998 beschliessen (vgl. dazu Büttiker Rolf (fdp, SO) in
NZZ, 3.9.05). Motion Gutzwiller: Mo. 05.3588. Siehe auch BFS (Hg.),
Überblick über die Modernisierung der Volkszählung und der Bevölkerungsstatistik, Neuenburg 2005 sowie Germann, Urs,
Abschlussbericht zur Volkszählung 2000, Neuenburg (BFS) 2005.
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