Année politique Suisse 2005 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
Verwaltung
Zu der vom Bundesrat beantragten Revision des Finanzhaushaltgesetzes, welche die rechtliche Grundlage für die Einführung des neuen Rechnungsmodells für die Verwaltung bildet, siehe unten, Teil I, 5 (Ausgabenordnung). Zur Korruptionsbekämpfung siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
Mit Stichentscheid des Präsidenten unterstützte der Nationalrat eine parlamentarische Initiative Haering (sp, ZH), welche
mehr Frauen in den Verwaltungsräten von Unternehmungen des Bundes oder Betrieben mit mehrheitlicher Bundesbeteiligung fordert. Die Rechtskommission, welche sich ebenfalls hinter den Vorstoss gestellt hatte, argumentierte, die verlangte Minimalquote von 30% sei nicht nur wegen des Verfassungsauftrags der Geschlechtergleichstellung angebracht, sondern würde sich auch für die anvisierten Gesellschaften positiv auswirken
[14].
Eine Motion der SVP-Fraktion im Nationalrat für die
Veröffentlichung aller sowohl von der Bundesverwaltung als auch von Unternehmungen des Bundes in Auftrag gegebenen
externen Studien wurde vom Parlament teilweise überwiesen. Der Bundesrat war damit einverstanden, da das neue Öffentlichkeitsgesetz dies für Berichte zuhanden des Bundes ohnehin vorschreibe. Für die Bundesbetriebe (z.B. SBB), für welche dieses Gesetz nicht gilt, empfahl er hingegen die Ablehnung der Motionsforderung. Der Nationalrat und nach ihm auch der Ständerat folgten der Empfehlung der Regierung
[15].
Der Nationalrat nahm eine Motion Häberli (cvp, TG) für eine umfassende
Reform und Straffung der Bundesverwaltung diskussionslos an. Der Ständerat hiess sie und auch eine ähnliche Motion Stähelin (cvp, TG) gut
[16]. Er überwies auch eine vom Nationalrat im Vorjahr akzeptierte Motion der CVP für eine eingehende Überprüfung der Aufgaben und Leistungen des Staates sowie eine grundlegende Verwaltungsreform
[17]. Umstritten war hingegen ein in Motionsform gekleideter Prüfungsauftrag der nationalrätlichen Kommission, welcher sich mit dem Entlastungsprogramm 2004 befasste. Dieser forderte den Bundesrat auf, im Rahmen der von ihm eingeleiteten Verwaltungsreform die Integration der beiden
Bundesämter für Veterinärwesen und für Landesversorgung sowie der Forstdirektion in das Bundesamt für Landwirtschaft ins Auge zu fassen. Gegen den Widerstand der Linken, welche darin eine Sparmassnahme auf dem Buckel des Personals sah, die sachlich nicht gerechtfertigt sei, überwies der Nationalrat den Vorstoss. Der Ständerat hiess den Überprüfungsauftrag ebenfalls gut, obwohl insbesondere die vorgeschlagene Integration des Bundesamtes für Veterinärwesen in das Landwirtschaftsamt auf Kritik stiess, da ersteres bezüglich seiner Aufgaben eher im Gesundheits- oder Verbraucherschutzbereich einzuordnen wäre
[18]. Der Bundesrat beschloss, das Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG) auf Anfang 2006 zu einem guten Teil in das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) zu überführen und dieses neu Bundesamt für Umwelt (Bafu) zu nennen. Andere Teile des BWG gingen an die Bundesämter für Verkehr resp. Energie
[19].
Die Regierung gab Mitte September den eigentlichen Startschuss zu einer
Verwaltungsreform. Ziel sei es gemäss Bundesrat Merz, Abläufe zu vereinfachen und Strukturen auf ihre Zweckmässigkeit zu überprüfen. Dabei gehe es nicht um Personalabbau und direkte Einsparungen, sondern primär um Effizienzgewinne. Als Beispiele wurden später die Schaffung von Dienstleistungszentren genannt, welche für die Bundesämter Routinearbeiten aus dem Personal- oder Rechnungswesen zentral erledigen könnten, wie etwa Stellenausschreibungen und die erste Triage der Bewerbungen
[20]. Aufsehen erregten die rigorosen Sparanstrengungen im EJPD. Nach einer 2004 eingeleiteten Aufgabenüberprüfung kündigte Departementschef Blocher im Juni an, bis 2008 in den zentralen Diensten seines Departementes netto 116 Stellen (d.h. ein Fünftel) abzubauen. Dabei sollen primär Doppelspurigkeiten und unnötige Hierarchiestufen eliminiert werden. Bereits gestrichen wurde unter anderem die Stelle der stellvertretenden Generalsekretärin des Departements
[21].
Eine im Auftrag der EU erstellte Analyse konstatierte bei der Realisierung des
E-Government für die Schweiz einen beträchtlichen Rückstand auf fast alle anderen europäischen Staaten. Der Bericht und auch der Delegierte für die Informationsstrategie des Bundes erklärten dies unter anderem mit den föderalistischen Strukturen und – ähnlich wie beim ebenfalls schlecht platzierten Deutschland – mit der starken Stellung des Datenschutzes. Für Bundeskanzlerin Huber-Hotz ist der Strategiewechsel bei der für das schweizerische E-Government zentralen Internet-Seite www.ch.ch weitgehend darauf zurückzuführen, dass in der Schweiz die meisten Kontakte der Bürger mit der Verwaltung (Steuern, Dienstleistungen, Bewilligungen etc.) nicht mit dem Zentralstaat, sondern mit den kommunalen und kantonalen Behörden stattfinden. Angesichts der Vielzahl dieser Anbieter sei es deshalb ein Gebot der Vernunft gewesen, die Internet-Seite als nationales Einstiegsportal und als Kontaktvermittlerin und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, als umfassendes „guichet virtuel“ zu realisieren
[22]. Mit der Überweisung eines Postulats Noser (fdp, ZH) forderte der Nationalrat den Bundesrat auf, abzuklären, ob Fortschritte beim E-Government möglich wären, wenn für gewisse Bereiche (z.B. Informationsvermittlung) auch Private zugelassen würden
[23].
Im September legte der Bundesrat die Botschaft für die
Totalrevision des Gesetzes über die Pensionskasse des Bundespersonals (PUBLICA-Gesetz) vor. Diese enthält die neu konzipierten Vorschriften über die Organisation und die versicherungstechnischen Regeln. Die noch nicht Pensionierten müssten demnach die Hauptlast der Kassensanierung selbst tragen. Neben dem vom Parlament ultimativ verlangten Wechsel vom bisherigen Leistungs- zum Beitragsprimat beinhaltet die Reform auch eine Senkung des technischen Zinssatzes (weitgehend finanziert über Beitragserhöhungen) und die Erhöhung des ordentlichen Pensionsalters von 62 auf 65 für alle, also auch für diejenigen, die bereits vierzig Jahre beim Bund gearbeitet haben. Zudem beantragte der Bundesrat, die im Vorjahr beschlossenen dringlichen Sanierungsmassnahmen ins ordentliche Recht zu überführen (u.a. Verzicht auf garantierten Teuerungsausgleich). Die bereits Pensionierten sollen hingegen geschont werden. Für sie schlägt der Bundesrat die Schaffung einer besonderen, vom Bund getragenen Rentnerkasse vor, welche ihnen die Auszahlung der früher versprochenen Leistungen garantiert
[24]. Für die Pensionskassen der bundeseigenen Betriebe Post und SBB bestanden ebenfalls Pläne zur Ausgliederung der Rentenkasse für die bereits Pensionierten. Entscheide zugunsten dieser von der SVP bekämpften Massnahme wurden aber noch nicht getroffen
[25].
Mit dem Einverständnis des Bundesrats nahmen der Nationalrat eine Motion Berberat (sp, NE) und der Ständerat eine Motion Studer (sp, NE) für eine Erhöhung der
Zahl der französisch- und italienischsprachigen Personen in den Führungspositionen der Bundesverwaltung an. Konkret erhielten Bewerberinnen und Bewerber aus diesen Sprachregionen bei gleicher Qualifikation solange den Vorzug gegenüber Kandidierenden aus der Deutschschweiz, bis ihr Anteil demjenigen der Landesbevölkerung entspricht
[26]. Eine Motion Simoneschi (cvp, TI), welche verlangte, dass Stellenausschreibungen des Bundes
Italienischsprachige nicht diskriminieren dürfen (z.B. durch das Erfordernis der deutschen oder französischen Muttersprache), nahm der Nationalrat ohne Gegenstimme an
[27].
Der Nationalrat überwies mit 91 zu 75 Stimmen eine Motion Vollmer (sp, BE), welche ein Konzept verlangt, das sicher stellt, dass sich alle Bundesstellen den Bemühungen anschliessen, mehr
Lehrlings- und Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen. Der Ständerat lehnte den Vorstoss in Übereinstimmung mit dem Bundesrat ab
[28].
Die Sparpläne des Bundes und die in diesem Zusammenhang angekündigten
Personalreduktionen haben zu einer Abnahme der Arbeitszufriedenheit beim Bundespersonal geführt. Gemäss einer vom EFD durchgeführten repräsentativen Befragung sind im Vergleich zu früheren Befragungen wesentlich mehr Mitarbeiter demotiviert oder gar resigniert. Besonders schlecht fiel das Urteil bei den Beschäftigten der Departemente von Blocher (EJPD) und Merz (EFD) aus
[29].
Der Leiter des
Bundesamtes für Personal, Peter Hablützel, reichte nach sechzehn Jahren Amtstätigkeit seine Demission ein. Obwohl Sozialdemokrat, hatte er sich als Modernisierer des Personalwesens, unter anderem durch die Abschaffung des Beamtenstatus, bei den Gewerkschaften mehr als einmal unbeliebt gemacht. Hablützel machte kein Hehl daraus, dass sein Rücktritt direkt mit der seit der Wahl von Blocher und Merz in den Bundesrat wesentlich härter gewordenen Personalpolitik des Bundes zusammen hänge
[30]. Der Ständerat überwies im Einverständnis mit dem Bundesrat ein Postulat Fetz (sp, BS) für eine verbindlichere Sozialpartnerschaft in der Personalpolitik des Bundes
[31].
[14]
AB NR, 2005, S. 44 ff. Vgl. auch die Interpellation Leutenegger (sp, BL) zum Stand der Gleichstellung in bundesnahen Unternehmen (
AB NR, 2005, Beilagen II, S. 216 f.)
[15]
AB NR, 2005, S. 452;
AB SR, 2005, S. 805.
[16]
AB NR, 2005, S. 950;
AB SR, 2005, S. 557 ff. (Stähelin) und 805 ff. (Häberli).
[17]
AB SR, 2005, S. 114. Vgl.
SPJ 2004, S. 112.
[18]
AB NR, 2005, S. 604 f.;
AB SR, 2005, S. 805 ff. Zu den Forderungen nach der Bildung eines Forschungs- und Bildungsdepartementes resp. der Ausgliederung der KTI aus dem BBT und die Überführung in einen dem Nationalfonds ähnlichen Status siehe unten, Teil I, 8a (Einleitung resp. Forschung).
[20] Presse vom 8.9.05;
Bund, 9.11.05.
[21] Presse vom 18.6.05;
TA, 16.8.05.
[22]
NZZ, 10.3. (Bericht) und 22.3.05 (Neukonzept des „guichet virtuel“);
TA, 20.6.05. Siehe dazu auch die Antworten des BR auf Interpellationen Amgwerd (cvp, JU) und Riklin (cvp, ZH) in
AB SR, 2005, S. 560 und Beilagen II, S. 137 ff. resp. S. 452 ff., sowie, speziell zum „guichet virtuel“ auf dem Portal www.ch.ch, die Antwort auf eine Anfrage Leutenegger (fdp, ZH) in
AB NR, 2005, Beilagen II, S. 356 f. Vgl.
SPJ 2003, S. 35.
[23]
AB NR, 2005, S. 1510.
[24]
BBl, 2005, S. 5829 ff. und 6905 f. (Korrekturen);
Bund und
NZZ, 24.9.05. Vgl.
SPJ 2004, S. 31 f.
[26]
AB NR, 2005, S. 950 und Beilagen II, S. 562 f.;
AB SR, 2005, S. 591 f. Anlässlich der Beratung der vom BR unterstützten Motion Studer erklärte BR Merz, dass diese Forderung bereits in einer Weisung des BR aus dem Jahre 2003 enthalten ist, aber leider ungenügend umgesetzt werde. Vgl. allgemein dazu auch
SGT, 21.5.05.
[27]
AB NR, 2005, S. 1507 (Beilagen III, S. 239 ff.)
[28]
AB NR, 2005, S. 862 ff.;
AB SR, 2005, S. 1076 ff. Siehe dazu auch unten, Teil I, 8a (Berufsbildung).
[30]
TA, 3.9.05;
BZ, 8.9.05.
[31]
AB SR, 2005, S. 792 f.
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