Année politique Suisse 2005 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
Geld- und Währungspolitik
Nachdem sich die Konjunkturlage im Sommer und Herbst eindeutig verbessert hatte, erhöhte die Nationalbank im Dezember den
Leitzins um einen Viertelpunkt auf eine Bandbreite von 0,5% bis 1,5% (Dreimonats-Libor). Sie rechtfertigte das geringe Ausmass der Zinserhöhung mit dem Fehlen einer Inflationsgefahr einerseits und der Zaghaftigkeit des Wirtschaftsaufschwungs andererseits
[1].
Der Frankenkurs veränderte sich im Jahresverlauf gegenüber dem Euro kaum. Grösser waren die Schwankungen im Vergleich zum US-Dollar. Erstmals seit längerer Zeit gewann die US-Währung wieder an Wert gegenüber dem Franken und dem Euro. Der Dollarkurs stieg von 1,13 Fr. im Januar auf 1,31 Fr. im Dezember. Der reale exportgewichtete
Kurs des Schweizerfrankens war in der ersten Jahreshälfte leicht rückläufig und blieb dann weitgehend stabil
[2].
Die
Geldmarktsätze blieben in den ersten drei Quartalen stabil bei 0,75%, dann erhöhten sie sich in Vorwegnahme der Anhebung des Nationalbank-Leitzinses auf rund 1%. Bei den
langfristigen Zinssätzen wurde die Talfahrt des Vorjahres vorerst gebremst, setzte sich dann aber bis in den Herbst fort, wo der Zinssatz im September mit 1,8% (für 10-jährige Bundesanleihen) seinen Tiefpunkt erreichte. Bis Jahresende stieg der Satz dann wieder bis auf 2,0% an
[3].
Im Herbst legte der Bundesrat die Botschaft zu einer Totalrevision des
Anlagefondsgesetzes vor. Dass sich dieses revidierte Gesetz nicht nur mit den herkömmlichen Fonds, sondern auch mit Investmentgesellschaften (z.B. so genannte SICAV) befasst, kommt durch die neue Bezeichnung „Bundesgesetz über kollektive Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz)“ zum Ausdruck. Der Bundesrat schlug unter anderem die Aufnahme von Bestimmungen über die für Risikokapitalanlagen besonders attraktive Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (so genannte „Limited partnership“) vor. Hauptziel der Gesetzesrevision ist es, das Sortiment der auf dem schweizerischen Finanzmarkt angebotenen Anlageformen auszuweiten und an dasjenige der internationalen Konkurrenz anzupassen. Der Bundesrat verzichtete jedoch auf den ursprünglich vorgesehenen Einbezug der Anlagestiftungen, da sich zur Zeit diverse Expertenkommissionen im Rahmen der Neuregelung der Anlagevorschriften für die 2. Säule der Altersvorsorge mit diesem Thema befassen. Neben einer Ausweitung des Geltungsbereichs auf neue Anlageformen sieht die Revision auch eine Anpassung an die neuen Bestimmungen der EU über Anlagefonds und deren Leitung vor
[4].
Zu dem vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebenen Vorentwurf für eine Verschärfung des Geldwäschereigesetzes siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
Die Aufteilung des Erlöses von rund 21 Mia Fr. aus dem
Verkauf des überschüssigen Goldes der Nationalbank wurde im Berichtsjahr definitiv vorgenommen. Daran änderte auch eine lange Diskussion im Nationalrat im Zusammenhang mit der Behandlung von dringlichen Interpellationen der Fraktionen der SVP, der SP und der GP nichts mehr. Diese hatten nochmals erfolglos verlangt, dass mehr Geld direkt in den AHV-Fonds geleitet werde. Kein Gehör fand auch das neu eingebrachte Argument der SP, mit der Verteilung sei bis nach dem Entscheid über die Kosa-Volksinitiative (siehe dazu unten) zu warten, und bei einer Annahme müsse deren Verteilprinzip angewendet werden. Der Bundesrat schloss sich anfangs Februar der Ansicht des Ständerats an und brachte die in der Verfassung und im Nationalbankgesetz festgelegte Verteilformel für Nationalbankreingewinne (zwei Teile für die Kantone, einen für den Bund) zur Anwendung. Das EFD und die Leitung der Nationalbank verständigten sich in der Folge über den Auszahlungsmodus. Dieses Vorgehen fand Ende April auch die Zustimmung der Generalversammlung der Nationalbank. Die Ausschüttung begann bereits im Mai und wurde Mitte Juli abgeschlossen. Die meisten Kantone verwendeten den Geldsegen für den Schuldenabbau (vgl. dazu unten, Teil I, 5, Finanzhaushalt der Kantone)
[5]. Obwohl sich damit das Anliegen der Kantone durchgesetzt hatte, musste der Ständerat aus formellen Gründen beschliessen, den fünf eingereichten Standesinitiativen für einen Zweidrittels-Anteil der Kantone, die er ursprünglich unterstützt hatte, keine Folge mehr zu geben
[6].
Noch nicht geregelt war damit die Verwendung des
Bundesanteils von rund 7 Mia Fr. Die Linke und die CVP wollten das Geld zur Tilgung der Schulden der IV einsetzen, die SVP wollte die AHV begünstigen und die FDP sprach sich für eine Verwendung zum Schuldenabbau aus. Der Bundesrat selbst gab keine Vorlieben an. Die Spitzen der Bundesratsparteien einigten sich darauf, dass, auch im Sinne eines indirekten Gegenvorschlags zur Kosa-Initiative, die rund 7 Mia Fr. in den AHV-Fonds fliessen sollen. Diese Zuweisung wird allerdings nur vorgenommen werden, wenn Volk und Stände die Kosa-Initiative ablehnen. Noch nicht entschieden wurde, ob das in den Fonds eingelegte Geld dann für die AHV oder die IV verwendet wird
[7].
Das Parlament empfahl die
Volksinitiative „
Nationalbankgewinne für die AHV“ (so genannte
Kosa-Initiative) ohne direkten Gegenvorschlag zur Ablehnung. Der Ständerat bekräftigte in der ersten Runde der Differenzbereinigung seine Ablehnung des im Vorjahr vom Nationalrat beschlossenen Gegenvorschlags, der den Kantonen nur die Hälfte (statt wie bisher zwei Drittel oder wie in der Initiative vorgeschlagen eine Fixsumme von einer Mia Fr.) des zukünftigen Reinertrags der Nationalbank zusprechen und den Bundesanteil analog zur Initiative mit einer Zweckbindung zugunsten der AHV versehen wollte. Die kleine Kammer stimmte zudem einer Fristverlängerung für die Behandlung der Initiative zu. Der Nationalrat gewährte diese Fristverlängerung ebenfalls. Nachdem beide Kammern die Einzahlung des Bundesanteils von 7 Mia Fr. aus den Goldverkäufen der Nationalbank in den AHV-Fonds im Sinne eines indirekten Gegenvorschlags akzeptiert hatten (siehe oben), sprach sich in der Wintersession dann auch der Nationalrat für eine Ablehnung der Volksinitiative ohne direkten Gegenvorschlag aus. Für die Kosa-Initiative setzten sich nur die SP und die GP ein. Sie sahen als einzige in der Verpflichtung der Nationalbank, dauerhaft die AHV mitzufinanzieren, keine Gefahr für eine unabhängige Notenbankpolitik
[8].
[2] Schweizerische Nationalbank,
98. Geschäftsbericht 2005, Bern 2006, S. 24 f.
[3] Schweizerische Nationalbank,
98. Geschäftsbericht 2005, Bern 2006, S. 24 f.
[4]
BBl, 2005, S. 6395 ff. Vgl.
SPJ 2004, S. 89. Eine rechtliche Regelung für die „Limited partnership“ war auch im Parlament gefordert worden (siehe oben, Teil I, 4a, Gesellschaftsrecht).
[5] Zur Diskussion der Interpellationen im NR siehe
AB NR, 2005, S. 355 ff.;
Bund, 19.1.05 (SP); Presse vom 3.2.05 und
AZ, 5.3.05 (BR);
AZ, 30.4.05 (Nationalbank);
LT, 15.7.05 (Verteilung);
TG, 19.9.05 (Verwendung durch die Kantone). Vgl.
SPJ 2004, S. 89 f.
[6]
AB SR, 2005, S. 1064 ff. Vgl.
SPJ 2003, S. 112.
[7]
LT, 17.12.05. Über die Verwendung des Bundesanteils orientieren wir detaillierter unten, Teil I, 7c (AHV).
[8]
AB SR, 2005, S. 157 ff. und 1220;
AB NR, 2005, S. 328 f., 340 ff., 1638 ff. und 1999;
BBl, 2005, S. 7269 f. Vgl.
SPJ 2004, S. 90.
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