Année politique Suisse 2005 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Ausgabenordnung
Im Frühjahr nahm der
Nationalrat die Beratungen zur
Totalrevision des Finanzhaushaltgesetzes in Angriff. Eintreten war unbestritten. In der Detailberatung scheiterte die Linke mit all ihren Anträgen, welche die unverändert übernommenen Bestimmungen zur Schuldenbremse betrafen: Weder müssen Parlament und Regierung bei der Führung des Bundeshaushaltes künftig ausser der Finanzierungs- und der Erfolgssicht auch der Konjunktur Rechnung tragen, noch wird der Bund dazu verpflichtet, die ihm gesetzlich zustehenden Einnahmen lückenlos und fristgerecht geltend zu machen; Bundesrat und Bundesversammlung haben jedoch weiterhin bei jeder Vorlage den aus der Schuldenbremse resultierenden Höchstbetrag der Gesamtausgaben zu berücksichtigen. Ebenfalls keine Mehrheit fand das Anliegen der Linken, die Regierung solle beim Entwerfen und beim Vollzug des Voranschlages die sich bietenden Möglichkeiten für Mehreinnahmen nutzen. Bei den dringlichen Kreditbegehren beschnitt die grosse Kammer gegen die Empfehlungen von FDP und CVP mit 88:67 Stimmen die Kompetenzen von Bundesrat und Finanzdelegation: Letztere sollte nur noch Beiträge von maximal 0,5% der im laufenden Jahr budgetierten Einnahmen (zur Zeit ca. 250 Mio Fr.) bewilligen dürfen, einem höheren Kreditbetrag müsste das Parlament zustimmen, notfalls an einer ausserordentlichen Session; die Ratsminderheit hatte vergeblich darauf hingewiesen, dass es sich beim Fall Swissair, wo die Finanzdelegation im Schnellverfahren 1,2 Mia Fr. gesprochen und so das Parlament vor vollendete Tatsachen gestellt hatte, um eine einmalige Situation gehandelt habe. Um sicherzustellen, dass die Schuldenbremse auf alle Fälle eingehalten wird, verschärfte der Nationalrat gegen den Widerstand von Regierung und links-grünem Lager das parlamentarische Verfahren bei der Behandlung des Budgets: Neu darf der Einigungsantrag über den Voranschlag des Bundes gegenüber dem Beschluss der dritten Beratung, der den tieferen Betrag vorsieht, nur Mehrausgaben vorsehen, die keine Überschreitung des Höchstbetrages zur Folge haben. Schliesslich verstärkte die grosse Kammer die Mitwirkung des Parlaments und entschied, dass der Finanzplan den Räten nicht wie bis anhin nur zur Kenntnisnahme, sondern zur Genehmigung vorzulegen sei. Die Vorlage passierte die Gesamtabstimmung mit 93:61 Stimmen; abgelehnt wurde sie von den Grünen und den Sozialdemokraten
[33].
In der Sommersession behandelte der
Ständerat das Geschäft: Er begrüsste die bessere Vergleichbarkeit der Rechnungslegung des Bundes mit jener der Kantone, der Gemeinden, aber auch des Auslandes. In der Detailberatung verpflichtete er Parlament und Regierung, Sach- und Finanzierungsentscheide soweit als möglich aufeinander abzustimmen. Unverändert aus dem alten Gesetz übernommen wurden die Ausführungsnormen zur Schuldenbremse; abgelehnt wurde hingegen ein Antrag Leuenberger (sp, SO), beim Entwurf und Vollzug des Voranschlags auch nach Möglichkeiten für Mehreinnahmen zu suchen. Bei der dringlichen Kreditsprechung beharrte die kleine Kammer im Gegensatz zum Nationalrat auf dem geltenden Recht, wonach der Bundesrat eine nicht budgetierte Aufgabe, die keinen Aufschub erträgt, vor der Bewilligung eines Nachtragskredites durch die Bundesversammlung beschliessen kann, wobei er wenn möglich die vorgängige Zustimmung der Finanzdelegation einholt. Um weitere Fälle analog dem Scheitern des Rüstungsprogramms 2004 zu verhindern, schlug Reimann (svp, AG) eine Änderung im Differenzbereinigungsverfahren vor: Die Einigungskonferenz sollte zu jeder einzelnen Differenz eines Budgets oder eines Verpflichtungskredits einen separaten Antrag stellen; bei Ablehnung des Antrages sollte der Verpflichtungskredit gestrichen resp. der tiefere Betrag aus der dritten Beratungsrunde gelten. Bundesrat Merz und die Ratsmehrheit argumentierten, dieses Vorgehen durchbräche den Grundsatz der Gesamtbereinigung und gefährde die positive Konsensfindung, worauf der Vertreter der SVP seinen Vorschlag zurückzog. Beim Finanzplan hielt der Ständerat ebenfalls an der bestehenden Regelung, Kenntnisnahme und nicht Genehmigung durch das Parlament, fest. Die Vorlage passierte die Gesamtabstimmung mit 19 Stimmen bei drei Enthaltungen
[34].
Im
Differenzbereinigungsverfahren setzte sich der Ständerat mit seiner Ablehnung einer „Lex Swissair“ durch; die Kompetenzen von Bundesrat und Finanzdelegation bei der Bewilligung von dringlichen Krediten werden nicht eingeschränkt. Künftig ist der Bundesrat verpflichtet, das Budget bis spätestens Ende August zuhanden der Räte zu verabschieden. Und um die Einflussmöglichkeiten des Parlaments zu verstärken, hat die Regierung bei einer Motion der Bundesversammlung zum Finanzplan nicht mehr maximal zwei Jahre Zeit, um tätig zu werden, sondern muss bereits mit dem nächsten Finanzplan berichten, wie sie das Begehren umgesetzt hat. Weicht sie von der Motion ab, muss sie einen begründeten Abschreibungsantrag stellen. Die Totalrevision des Finanzhaushaltsgesetzes wurde in der Schlussabstimmung im Nationalrat mit 175:4 Stimmen bei 7 Enthaltungen und im Ständerat mit 43:0 Stimmen angenommen
[35].
Da sich beide Räte bezüglich der Kompetenzen der Finanzdelegation für die Beibehaltung des Status quo und
gegen eine „Lex Swissair“ ausgesprochen hatten, lehnte es der Nationalrat ab, auf eine entsprechende Gesetzesvorlage einzutreten, welche seine Finanzkommission aufgrund einer parlamentarischen Initiative der SVP-Fraktion ausgearbeitet hatte
[36]. Mit Zustimmung des Bundesrates überwies das Parlament eine Motion der FK-NR, welche eine Überprüfung von Ressourcen und Leistungen im Flag-Modell auf Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verlangte
[37].
[33]
AB NR, 2005, S. 208 ff., 372 ff., 384 ff. und 397 ff.; vgl.
SPJ 2004, S. 111. Siehe auch die Motion 05.3004 der FK-NR (Stärkung der Budgethoheit des Parlaments), die auf Antrag des Büros aus formalen Gründen zurückgezogen wurde, in
AB NR, 2005, S. 405 f.
[34]
AB SR, 2005, S. 568 ff.; zum Rüstungsprogramm siehe
SPJ 2004, S. 77.
[35]
AB NR, 2005, S. 988 ff., 1343 ff. und 1529;
AB SR, 2005, S. 775 ff., 810 f. und 879;
BBl, 2005, S. 5973 ff.; siehe auch den Beitrag von Felix Walker (cvp, SG) in
NZZ, 5.3.05.
[36]
AB NR, 2005, S. 1895 und Beilagen IV, S. 42 ff.; vgl.
SPJ 2004, S. 111. Siehe auch oben, Teil I, 1c (Volksrechte).
[37]
AB NR, 2005, S. 404 f.;
AB SR, 2005, S. 586.
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