Année politique Suisse 2005 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen
Voranschlag 2006
Das vom Parlament im Dezember verabschiedete
Budget 2006 sah bei veranschlagten Ausgaben von 52 743 Mio Fr. und Einnahmen von 52 157 Mio Fr. einen
Ausgabenüberschuss von 586 Mio Fr. vor. Die veranschlagten Ausgaben lagen 196 Mio Fr. oder 0,4% über dem Budget des Vorjahres. Am meisten zusätzliche Mittel benötigten die Finanzen (+318 Mio oder +3,0%), Bildung und Forschung (+121 Mio oder +3,1%) und die soziale Wohlfahrt (+45 Mio oder +0,3%). Die grössten Entlastungen sah das Budget beim Verkehr (-169 Mio oder -2,1%), bei der Landesverteidigung (-151 Mio oder -3,2%) und der Landwirtschaft (-38 Mio oder -1,0%) vor. Aufgrund des Wirtschaftsaufschwungs rechnete der Bundesrat mit um 2,8% (+1,4 Mia) höheren Einnahmen als im Vorjahr. Höhere Erträge erwartete er vor allem bei der direkten Bundessteuer (+1,4 Mia oder +11,1%), bei der Mehrwertsteuer (+380 Mio oder +2,1%) und bei den Vermögenserträgen (+197 Mio oder +22,7%). Bei den Stempelabgaben (-500 Mio oder -15,2%), den Regalien (-73 Mio oder -5,5%) und der Tabaksteuer (-39 Mio oder -1,8%) rechnete er hingegen mit Mindereinnahmen
[60].
Am umstrittensten in der Parlamentsdebatte waren die Vorinvestitionen für die Porta Alpina der NEAT und der Kredit für die Projektierung, Erprobung und Beschaffung von Rüstungsmaterial. Im
Ständerat erklärte Lauri (svp, BE) namens der vorberatenden Finanzkommission, diese habe nach langer Diskussion darauf verzichtet, bereits 2006 den Haushaltsausgleich anzustreben und deshalb nur leichte Korrekturen am Entwurf des Bundesrates vorgenommen. In der Detailberatung beschloss die kleine Kammer aufgrund der sinkenden Asylgesuche im Einverständnis mit dem Bundesrat zusätzliche Kürzungen von 70 Mio im Asylwesen. Relativ knapp abgelehnt wurde ein Antrag einer Minderheit Gentil (sp, JU), auf Einsparungen bei den Trassenpreisverbilligungen im Wagenladungsverkehr zu verzichten. Bei der Porta Alpina hatte sich die Regierung bereit erklärt, die Hälfte der Vorinvestitionen von 15 Mio Fr. für die Haltestelle im Gotthard-Basistunnel unter Sedrun (GR) zu übernehmen. Eine knappe Kommissionsmehrheit unterstützte dieses dringliche Begehren mit dem Argument, ein Verzicht würde eine allfällige spätere Realisierung des Projekts massiv verteuern. Altherr (fdp, AR) bemängelte in seinem Einzelantrag das undurchsichtige Verfahren und wollte erst die Grundfragen zum Projekt geklärt wissen. Nach lebhafter Debatte billigte der Ständerat den Kredit für die Porta Alpina schliesslich mit 28:9 Stimmen. Zur Teilfinanzierung des Bundesbeitrages von 7,5 Mio beschloss er, den Investitionskredit für Berggebiete im EVD um 3,75 Mio zu erhöhen und den Privatbahnkredit im UVEK mit 3,75 Mio zu belasten. Der Voranschlag, der zusätzliche Kürzungen von 89 Mio vorsah, passierte die Gesamtabstimmung mit 33:0 Stimmen bei 2 Enthaltungen
[61].
Im
Nationalrat gestaltete sich die Debatte mit rund 40 Minderheits- und 30 Einzelanträgen umstrittener. So verlangten sowohl die SVP als auch Zisyadis (pda, VD) Rückweisung des Budgets an den Bundesrat, erstere mit dem Auftrag, es ausgabenseitig um 700 Mio zu reduzieren, um eine ausgeglichene Rechnung zu erreichen, während letzterer unter anderem die Einführung einer Erbschaftssteuer forderte. Beide Begehren wurden verworfen. In der Detailberatung scheiterte die SVP mit ihren Kürzungsanträgen bei der Filmförderung, der individuellen Krankenkassenprämienverbilligung, der Friedensförderung und bei den Löhnen des Bundespersonals, die Linke mit ihren Anliegen um Aufstockungen bei Jugend und Sport und bei den Lehrstellen in der Bundesverwaltung sowie mit ihren Kürzungswünschen beim Rüstungsmaterial. Im EDA gelang es der SP dank der Unterstützung der CVP-Fraktion und von welschen Mitgliedern der FDP-Fraktion, von der Finanzkommission zusätzlich beantragte Einsparungen von 17 Mio auf 3 Mio zu reduzieren, so lehnte der Rat Abstriche von 9 Mio bei den internationalen Organisationen und der Entwicklungs- und Osthilfe ab. Ebenfalls von Kürzungen verschont blieben das Bundesamt für Kultur und das Seco, die Informations- und Sensibilisierungskampagne zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, Schweiz Tourismus, die Personalbezüge im Bundesamt für Verkehr und im Bundesamt für Umwelt (BAFU, ehemals Buwal). Gutgeheissen wurden die Sparanträge der Finanzkommission jedoch betreffend die Bundesämter für Meteorologie, für Energie und für Kommunikation, den Schweizerischen Zivilschutzverband, den OECD-Kredit, die Trassenverbilligung und die Dienstleistungen Dritter im Generalsekretariat des UVEK und im Bundesamt für Raumentwicklung. Bei der Porta Alpina folgte der Nationalrat mit 106:71 Stimmen bei 4 Enthaltungen einem Einzelantrag Vollmer (sp, BE) und billigte die Vorinvestitionen von 7,5 Mio des Bundes. Bei der Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung im Verteidigungsbereich entschied er sich zu zusätzlichen Einsparungen von 15 Mio; eine Kommissionsminderheit hatte Zustimmung zum Entwurf des Bundesrates beantragt, während die Grünen den Kredit ganz streichen wollten. Mit 96:70 Stimmen hiess die grosse Kammer schliesslich einen Einzelantrag Cathomas (cvp, GR) gut, sich beim Natur- und Landschaftsschutz dem Bundesrat anzuschliessen und die vom Ständerat beschlossenen Kürzungen abzulehnen. In der Gesamtabstimmung votierte die SP grossmehrheitlich für das Budget, welches mit 96:65 Stimmen bei 19 Enthaltungen gegen den Willen der SVP und der Grünen angenommen wurde; es sah mit zusätzlichen Einsparungen von 126 Mio Fr. ein Defizit von 574 Mio Fr. vor
[62].
In der Differenzbereinigung näherten die Räte ihre Standpunkte nach und nach an. So verzichtete der Ständerat auf die Kürzung von 2 Mio beim Natur- und Landschaftsschutz, um dem BAFU die Förderung von Naturpärken zu ermöglichen, während der Nationalrat bei den Einsparungen beim EDA und beim Schweizerischen Zivilschutzverband einlenkte. Definitiv abgesegnet wurde das Konzept für die Vorinvestitionen in die Porta Alpina, die via Investitionshilfekredit für Berggebiete und via Privatbahnkredit kompensiert wurden. Der Kredit für die Projektierung, Erprobung und Beschaffung von Rüstungsmaterial des VBS musste durch die Einigungskonferenz. Beide Kammern stimmten dem Kompromissvorschlag, einer Kürzung von 7 Mio statt der vom Nationalrat vorgesehenen 15 Mio, zu. Das Defizit des vom Parlament verabschiedeten Voranschlags belief sich auf 586 Mio Fr., rund 110 Mio weniger als vom Bundesrat budgetiert AB SR, 2005, S. 1066 ff., 1117 ff. und 1174 f.; AB NR, 2005, S. 1806 ff., 1861 f. und 1925 f.; BBl, 2006, S. 1577 ff..
Bund, Kantone und Gemeinden budgetierten für das Jahr 2006 ein
Defizit von knapp 3,9 Mia Fr. Dies entspricht einer markanten Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr (2005: 6,5 Mia). Der Fehlbetrag beim Bund belief sich auf 1,7 Mia
[64], bei den Kantonen auf ebenfalls 1,7 Mia und bei den Gemeinden auf 500 Mio Fr. Im Vergleich zum Budget 2005 veranschlagten alle drei Gebietsebenen tiefere Finanzierungsfehlbeträge. Bei Bund und Kantonen reduzierten sich diese um 1,4 Mia resp. um 1 Mia Fr., bei den Gemeinden um 200 Mio Fr. Die Bruttoverschuldung der öffentlichen Haushalte betrug inklusive der Defizite bei den Sozialversicherungen von 2,9 Mia insgesamt 6,8 Mia Fr.; sie dürfte Ende 2006 schätzungsweise 241 Mia Fr. erreichen. Mit einer Defizitquote von 1,4% und einer Verschuldungsquote von 51,3% (Vorjahr: 2,1% resp. 56,4%) bleibt die Schweiz zwar immer noch unter der von der Europäischen Union im Rahmen der Maastricht-Verträge formulierten Obergrenze von höchstens 3% für das Defizit und 60% des BIP für die öffentliche Verschuldung; seit 1990 (29,9%) hat sich die Bruttoverschuldungsquote der Schweiz dennoch um 21 Prozentpunkte des BIP erhöht
[65].
[60] Eidg. Finanzverwaltung,
Botschaft zum Voranschlag 2006, Bern 2005; Eidg. Finanzverwaltung,
Bundesbeschlüsse über den Voranschlag 2006, Bern 2006;
BBl, 2006, S. 1577 ff.;
Lit. May.
[61]
AB SR, 2005, S. 896 ff. und 903 ff.; Presse vom 9.11. (Kommission) und 30.11.05.
[62]
AB NR, 2005, S. 1642 ff., 1671 ff., 1676 ff., 1710 ff. und 1742 ff.; Presse vom 21.11., 26.11. (Kommission), 2.12. und 6.-8.12.05.
[64] Die Differenz von 1,082 Mia Fr. im Vergleich zum Budgetergebnis der Finanzrechnung des Bundes (-586 Mio gemäss Beschluss der eidg. Räte vom Dezember 2005) ist darauf zurückzuführen, dass in der Finanzstatistik sowohl der Fonds für Eisenbahngrossprojekte (Saldo: -1,046 Mia) als auch der ETH-Bereich (Saldo: -36 Mio) bei den Ausgaben und Einnahmen des Bundes mit berücksichtigt werden (
Lit. May).
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