Année politique Suisse 2005 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Gesundheitspolitik
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Transplantationsmedizin
Da der Bundesbeschluss über die Kontrolle von Transplantaten Ende 2005 auslief, das 2004 verabschiedete neue Gesetz und das Ausführungsrecht aber nicht auf Anfang 2006 in Kraft treten können, hatte der Bundesrat im Vorjahr dem Parlament beantragt, den geltenden Bundesbeschluss maximal um fünf Jahre (d.h. bis Ende 2010) zu verlängern. Auf Antrag der SGK-SR befand die kleine Kammer, eine Verlängerung bis Ende 2007 müsse genügen, da sonst die Umsetzung des Gesetzes auf die lange Bank geschoben werde. Der Nationalrat schloss sich dieser Ansicht diskussionslos an [22].
Gegen den Willen des Bundesrates nahm der Nationalrat mit 57 zu 49 Stimmen eine Motion seiner SGK an, welche verlangte, über die medizinischen und ethischen Fragen, die sich zum Todeskriterium im Zusammenhang mit der Organspende und der Transplantationsmedizin stellen, eine öffentliche Diskussion in Gang zu setzen. Der Bundesrat argumentierte, die Debatten seien im Rahmen der PubliForen 2000 (Transplantationsmedizin) und 2003 (Forschung am Menschen) bereits durchgeführt worden; die beiden Foren hätten den Bund Hunderttausende von Franken gekostet, weshalb es in Zeiten knapper Bundesfinanzen nicht möglich sei, erneut Mittel dafür einzusetzen. Der Ständerat folgte der Argumentation des Bundesrates und lehnte, auch aus Furcht vor einer Verunsicherung der Bevölkerung, die Motion diskussionslos ab [23].
Der Kanton Zürich hatte von Anbeginn seine Vorbehalte gegen die im Vorjahr getroffene Interkantonale Vereinbarung über die Koordination der hochspezialisierten Medizin (IVKKM) signalisiert. Das Konkordat sieht ein Netzwerk der fünf Hochschulkantone mit Universitätsspitälern vor, bei dem gewisse Leistungen, insbesondere die verschiedenen Sparten der Transplantationsmedizin, an nur noch einem bis zwei Standorten angeboten werden. Da für das Inkrafttreten der Vereinbarung die Zustimmung von 17 Kantonen notwendig ist, beschlossen Bern und die beiden Basel, mit gutem Beispiel voranzugehen und den Ratifizierungsprozess einzuleiten. Im Sommer verabschiedete sich Zürich von der IVKKM, welche Herztransplantationen nur noch in Basel und Bern zulassen wollte, und verlangte, die gesamte Spitzenmedizin sei auf zwei Zentren zu beschränken, eines in Zürich und eines in der Westschweiz, eine Forderung, auf welche die Gesundheitsdirektorenkonferenz und die Kantone nicht eintreten mochten [24].
Angesichts dieser etwas verfahrenen Situation reichte Ständerätin Fetz (sp, BS) eine Motion ein, mit der sie den Bundesrat verpflichten wollte, selber aktiv zu werden, falls sich die Kantone nicht bis im Frühjahr 2006 einigen können. Dieser verwies auf den noch nicht in Kraft getretenen Neuen Finanzausgleich und die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA), weshalb er der Umsetzung durch die Kantone nicht vorgreifen wolle. Auf seinen Antrag wurde die Motion mit 27 zu 11 Stimmen abgelehnt [25].
 
[22] AB SR, 2005, S. 280 ff. und 666; AB NR, 2005, S. 487 und 972. Siehe SPJ 2004, S. 175 f. Gegen das neue Gesetz hatte ein Komitee aus den Reihen der EDU, der KVP und der Lebensrechtbewegung das Referendum ergriffen, das aber nicht zustande kam. Die gesammelten gut 21 000 Unterschriften wurden den eidgenössischen Räten in Form einer Petition „für eine Transplantationspraxis nach ethischen Gesichtspunkten“ eingereicht (NZZ, 23.2.05).
[23] AB NR, 2005, S. 145 ff.; AB SR, 2005, S. 697 f.
[24] Presse vom 21.4., 16.7., 26.8., 23.9. und 25.11.05. Siehe SPJ 2004, S. 174.
[25] AB SR, 2005, S. 1097 ff. Weil der BR aus den gleichen Gründen Ablehnung beantragte, zog NR Joder (svp, BE) eine analoge Motion zurück (04.3634). Die Verzögerungen bei der Umsetzung der IVKKM veranlasste auch die im NR vertretene Ärzteschaft, im Fall einer nicht einvernehmlichen Lösung eine Intervention des Bundes zu verlangen (NLZ, 22.6.05). Zum NFA siehe oben, Teil I, 1d (Beziehungen zwischen dem Bund und den Kantonen).