Année politique Suisse 2006 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Verbände und übrige Interessenorganisationen
 
Unternehmer
Noch bevor der Bundesrat in seinem Bericht zur Europapolitik der Schweiz den Beitritt zur EU von einem strategischen Ziel zu einer Option, also einer Möglichkeit unter anderen, zurückstufte, meldete sich der Dachverband der schweizerischen Wirtschaft, Economiesuisse, zu Wort. Er wandte sich kategorisch gegen einen EU-Beitritt und erklärte die Fortführung des eingeschlagenen bilateralen Wegs „zur einzigen realistischen Option“. Für Economiesuisse wäre ein Beitritt angesichts der Notwendigkeit einer Volksabstimmung politisch nicht zu realisieren. Zudem wäre er aber auch wegen des Souveränitätsverlustes, der hohen Kosten von jährlich rund 5 Mia Fr. und den zunehmend protektionistischen Tendenzen in der EU gar nicht wünschbar. Damit die Schweiz den Weg der sektoriellen vertraglichen Vereinbarungen mit der EU weiter verfolgen könne, seien jedoch weitgehende wirtschaftspolitische Liberalisierungsschritte erforderlich, insbesondere in den Bereichen Post, Telekommunikation und Landwirtschaft [1].
Zwischen dem Dachverband Economiesuisse und zwei seiner Mitgliederorganisationen kam es im Berichtsjahr zu offenen Problemen. Sowohl der von Nationalrat Schneider-Ammann (fdp, BE) präsidierte Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem) als auch der von Nationalrat Messmer (fdp, TG) präsidierte Baumeisterverband gaben bekannt, dass sie einen Austritt aus dem Dachverband überprüfen würden. Swissmem reichte Ende Mai die vorsorgliche Kündigung der Verbandsmitgliedschaft auf Jahresende ein, räumte aber ein, dass er diese bei einer angemessenen Reduktion der Verbandsbeiträge wieder zurück ziehen könnte. Die Delegiertenversammlung der Bauunternehmer ermächtigte die Verbandsleitung ebenfalls, aus der Economiesuisse auszutreten und nur noch dem Gewerbeverband und der Arbeitgeberorganisation anzugehören. Dabei wurde deutlich, dass es beiden Organisationen nicht nur um die als zu hoch kritisierten Verbandsbeiträge ging, sondern der Konflikt auch politische Hintergründe hatte. Die Baumeister führten den Gegensatz zwischen binnenorientierter Wirtschaft und den in einem internationalen Umfeld tätigen Unternehmen ins Feld. Swissmem monierte Interessengegensätze zwischen der Pharmaindustrie und der Maschinenindustrie im Bereich der Parallelimporte und die unterschiedlichen Interessen der Exportwirtschaft und der Banken in der Währungspolitik. Aber auch die hohen Managerlöhne in der Pharmabranche und bei den Grossbanken war für Swissmem Anlass für Kritik, da mit dieser Diskussion das Ansehen der Unternehmen insgesamt in Mitleidenschaft gezogen würde. Während der Präsident von Economiesuisse, Ueli Forster, für die politischen Argumente der Baumeister einiges Verständnis aufbrachte, wies er diejenigen von Swissmem als unbegründet zurück. Die bei Economiesuisse eingeleiteten Sparanstrengungen und Strukturreformen sowie die in Aussicht gestellte Strategiediskussion bewogen Swissmem und die Baumeister, kurz vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Bührer (siehe dazu unten) die Austrittdrohung zurück zu nehmen. Als Eckpunkt der neuen Strategie für Economiesuisse nannte Bührer die Konzentration der Verbandspolitik auf acht Kernthemen [2].
Als Nachfolger für den zurücktretenden Economiesuisse-Präsidenten Ueli Forster wählte die Delegiertenversammlung am 27. März den Zürcher Manager Andreas Schmid. Obwohl er als einziger Kandidat antrat, war der namentlich von den Banken unterstützte Schmid nicht unumstritten. Kurz vor seinem geplanten Amtsbeginn bei Economiesuisse anfangs September trat Schmid im Streit aus dem Verwaltungsrat des Reisekonzerns Kuoni zurück und erklärte gleichzeitig, auch für das Verbandspräsidium nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Forster willigte danach ein, seinen Rücktritt auf Ende November zu verschieben. Als Kronfavorit für die Nachfolge kristallisierte sich der 58jährige Gerold Bührer heraus. Der freisinnige Schaffhauser Nationalrat und ehemalige Präsident der schweizerischen FDP kündigte an, dass er im Fall einer Wahl sein Parlamentsmandat im Herbst 2007 aufgeben würde. Seine Wahl zum neuen Economiesuisse-Präsidenten und auch der Amtsantritt erfolgten am 20. November [3].
Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) und der Arbeitgeberverband ergriffen zusammen das Referendum gegen die von einer SP-CVP-GP-Mehrheit im Parlament beschlossene Vereinheitlichung der bisher gemäss kantonalem Recht ausbezahlten Kinderzulagen. Da die neuen Minimalbeträge über den Ansätzen der meisten Kantone liegen, waren für diese weitgehend von den Arbeitgebern finanzierten Sozialleistungen mit Mehrkosten von rund 700 Mio Fr. pro Jahr zu rechnen. In der Volksabstimmung unterlagen die Unternehmer bei einem Ja-Stimmenanteil von 68% deutlich [4].
Wie vorgesehen ersetzte Thomas Daum auf Anfang Juni den bisherigen Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes Peter Hasler [5].
 
[1] NZZ und TA, 1.3.06. Zum Bericht des BR siehe oben, Teil I, 2 (Principes directeurs).
[2] BZ, 18.5.06; SoZ, 21.5.06; Presse vom 23.5. und 24.5.06 (Kündigung); SHZ, 24.5.06; BZ, 27.5.06 (Forster); Presse vom 18.11. und 22.11.06 (Verzicht auf Austritt).
[3] SoZ, 16.7.06 (Wahl); BZ vom 22.8.06 und Presse vom 23.8.06 (Verzicht); NZZ, 25.8.06 (Forster); TA, 25.9.06 und Presse vom 26.9.06 (Bührer); Presse vom 21.11.06 (Wahl Bührers). Siehe auch SPJ 2005, S. 294.
[4] NZZ, 10.2.06; SGT und AZ, 4.5.06 (Referendum). Siehe oben, Teil I, 7d (Familienpolitik).
[5] AZ, Bund und TA, 1.6.06. Siehe SPJ 2005, S. 294 f.