Année politique Suisse 2006 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
Bürgerrecht und Stimmrecht
Der Bundesrat beantragte dem Parlament im Oktober, die im Vorjahr von der SVP eingereichte
Volksinitiative zur Einbürgerungspolitik zur Ablehnung zu empfehlen. Falls die Bundesversammlung der von der parlamentarischen Initiative Pfisterer (fdp, AG) verlangten Gesetzesänderung zustimmen würde, fände diese als indirekter Gegenvorschlag auch die Unterstützung des Bundesrates. Seine Opposition zur Volksinitiative begründete der Bundesrat vorwiegend mit zwei Argumenten: Zum einen sei der neuen Rechtsauslegung des Bundesgerichts Rechnung zu tragen, dass ein Einbürgerungsentscheid kein rein politischer Akt sei, sondern auch rechtsstaatlichen Ansprüchen wie einem Diskriminierungsverbot genügen müsse. Zum andern greife die von der Initiative geforderte absolute Autonomie der Gemeinden bei der Festlegung des kommunalen Einbürgerungsverfahrens in die Kompetenzen der Kantone ein
[15].
Auch in den
Kantonen und Gemeinden blieb die Regelung der Einbürgerung ein beliebtes Aktionsfeld der SVP. Im Kanton Solothurn reichte sie das Referendum gegen eine Gesetzesrevision ein, weil diese den Entscheid über die zuständige Einbürgerungsinstanz (Kommission, Exekutive oder Gemeindeversammlung) den Gemeinden überlassen wollte. Die Neuerung wurde in der Volksabstimmung gutgeheissen
[16]. Ebenfalls erfolglos bekämpfte die SVP in Obwalden das revidierte Einbürgerungsgesetz, welches unter anderem eine Anpassung an die Bundesgerichtsentscheide (Begründungspflicht für eine Ablehnung) vornahm
[17].
Bei Einbürgerungen kann es vorkommen, dass die Informationen der Gemeinde- und Kantonalbehörden über Tatsachen, welche zur Ablehnung eines Gesuchs führen könnten, nicht auf dem aktuellen Stand sind. SVP-Nationalrat Freysinger (VS) hatte deshalb mit einer Motion verlangt, dass diese Instanzen auch auf
Datenbanken über laufende Strafuntersuchungen und gelöschte Verurteilungen sowie über die Urteilsbegründungen Zugriff erhalten. Trotz der Unterstützung dieses Vorstosses durch den Bundesrat schrieb ihn der Nationalrat wegen Fristüberschreitung ab. Freysinger doppelte gleich nach und wurde auch diesmal vom Bundesrat unterstützt. Der Nationalrat verschob die Behandlung der Motion, nachdem sie von Vertretern der SP und der GP bekämpft worden war
[18].
Die
Zahl der Einbürgerungen lag mit 47 607 deutlich über dem Vorjahreswert (39 753). Die grösste Gruppe von Eingebürgerten stellte Serbien mit 11 701 Personen, gefolgt von Italien (4591) und der Türkei (3457)
[19].
Im Kanton Glarus machte sich die Regierung das Anliegen der Jungsozialisten zu eigen, das Stimmrechtsalter auf
16 Jahre zu senken. Bisherige Vorstösse auf kantonaler und nationaler Ebene hatten keinen Erfolg gehabt
[20].
In
Neuenburg empfahl die Kantonsregierung eine 2003 eingereichte Volksinitiative für die Erweiterung des
Ausländerstimm- und -wahlrechts auf die Wählbarkeit in Kantonsbehörden zur Ablehnung
[21].
In
Luzern lehnte das Kantonsparlament den Vorschlag der Regierung ab, die Einführung des Ausländerstimmrechts im Rahmen der Volksabstimmung über die neue Kantonsverfassung wenigstens als Variante zu präsentieren
[22]. Im Kanton
Zürich beantragte die Regierung dem Parlament die Einführung des fakultativen Ausländerstimmrechts auf Gemeindeebene
[23].
[15]
BBl, 2006, S. 8955 ff. Vgl.
SPJ 2005, S. 21.
[17]
SGT, 11.5.06;
AZ, 22.5.06.
[18]
AB NR, 2006, S. 1592 und 2027 (BR in Beilagen, IV, S. 159 f. und V, S. 344 f.).
[19] Mitteilung des BA für Migration.
[20]
TA, 11.8.06. Für den letzten Versuch auf Bundesebene siehe
SPJ 2000, S. 24.
[21]
LT, 5.10.06. Vgl.
SPJ 2003, S. 21.
[22]
NLZ, 14.9.06. Vgl.
SPJ 2005, S. 23.
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