Année politique Suisse 2006 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen
Ersatzwahlen
Der Rücktritt der Freisinnigen Alice Scherrer von ihrem Amt als Gesundheitsdirektorin eröffnete der SP die Gelegenheit, einen Sitz im 7-köpfigen Ausserrhoder Regierungsrat zu erobern und die absolute bürgerliche Dominanz in der Regierung durch FDP (5) und SVP (2) aufzubrechen. Mit diesem Ziel präsentierten sie ihren Kandidaten Matthias Weishaupt, der als Gegengewicht zur übermächtigen FDP sogar bei der SVP gewissen Zuspruch fand. Die SVP, selbst ohne Kandidaten, empfahl jedoch letztlich die Parteilose Edith Heuscher-Beeler, die ausserdem auf die Wahlempfehlung der CVP und einen starken Rückhalt bei den 19 unabhängigen Abgeordneten im Ausserrhoder Parlament zählen konnte. Der Freisinnige Peter Langenauer wurde von den Grünen und der EVP zur Wahl empfohlen und genoss auch die Unterstützung des kantonalen Gewerbeverbandes. Die Dominanz der FDP machte die Konkordanz der Regierung zum Thema in einem Wahlkampf, der von dem Bemühen der Kandidaten um eine persönliche und parteiunabhängige Selbstdarstellung geprägt war. Im ersten Wahlgang konnte sich Matthias Weishaupt mit 5225 Stimmen bereits deutlich von seinen Konkurrenten Langenauer (3586) und Heuscher-Beeler (3354) absetzen, ohne jedoch das absolute Mehr zu erreichen. Für den zweiten Wahlgang zog Peter Langenauer (fdp) seine Kandidatur zurück. Im April entschieden sich die Wählerinnen und Wähler klar für
Matthias Weishaupt (7571) vor Edith Heuscher-Beeler (5179). Die
SP gewann damit ihren 2003 verlorenen Sitz im Ausserrhoder Regierungsrat zurück
[18].
Nach dem Rücktritt von Sicherheitsdirektor Jörg Schild (fdp) aus dem Basler Regierungsrat schlugen die Freisinnigen Saskia Frei als Nachfolgerin für ihren einzigen Sitz in der kantonalen Regierung vor. Mit dieser Kandidatin stiess die
FDP von Beginn an auf Widerstände, die sich zunächst auf die ausdrückliche Positionierung Freis am rechten Flügel der Partei bezogen. Mit ihren Standpunkten zur Sozial- und Verkehrspolitik begab sich Frei auf deutliche Distanz zum mehrheitlich rot-grünen Regierungsrat (3 SP, 1 CVP, 1 FDP, 1 GP, 1 LP). Demgegenüber bezog ihre Konkurrentin Agatha Wirth von der parteiungebundenen Liste gegen Armut und Ausgrenzung dezidiert für sozial Schwache Position. Die eigentlichen Schwierigkeiten für die freisinnige Kandidatin entstanden jedoch aus der Tätigkeit ihres Mannes als Verwaltungsrat zweier Nachtlokale. Verschiedene Parteien und Verbände monierten die Gefahr von Interessenkonflikten zwischen diesen Aktivitäten und dem von seiner Frau angestrebten Amt einer kantonalen Sicherheitsdirektorin. Die Sozialdemokraten enthielten sich aus diesem Grund einer Wahlempfehlung, die Grünen forderten die Wähler zum Einlegen leerer Wahlzettel auf. Die CVP und SVP unterstützten hingegen die freisinnige Kandidatin, die im ersten Wahlgang bei einer Beteiligung von 41,2% nur 18 568 Stimmen erreichte und damit das absolute Mehr deutlich verfehlte. Rund 11 500 Wählerinnen und Wähler gaben ihre Wahlzettel leer ab, während Agatha Wirth beachtliche 13 387 Stimmen für sich gewinnen konnte. Daraufhin zog Saskia Frei ihre Kandidatur zurück. Der nachnominierte Kandidat der Freisinnigen,
Hanspeter Gass, hatte im zweiten Wahlgang keine Probleme, sich mit 22 920 Stimmen gegen Agatha Wirth (9076) sowie eine Kandidatin der Schweizerischen Bürgerpartei (sbp) und einen Kandidaten der rechtsextremen Volksaktion durchzusetzen. Die Stimmbeteiligung lag noch bei 37,8%. Somit blieb es bei der bisherigen Regierungszusammensetzung
[19].
Nachdem Finanzdirektor Roland Eberle (svp) seinen Rücktritt auf Ende Mai angekündigt hatte, wurden im Februar 2006 die fälligen Ersatzwahlen zum Thurgauer Regierungsrat abgehalten. Die Kandidatur von
Jakob Stark (svp) wurde nicht nur von wirtschaftlichen Verbänden sondern auch von den meisten Parteien, darunter selbst die SP, unterstützt. Seine einzige Konkurrentin um den frei werdenden Sitz war die parteilose Gabi Coray; diese fand aufgrund ihrer fehlenden politischen Erfahrung nicht einmal bei Frauenverbänden Rückhalt. Keine Überraschung war daher der Wahlausgang mit 23 948 Stimmen zugunsten von Jakob Stark gegenüber lediglich 7066 für Gabi Coray, ebenso wenig wie die geringe Beteiligung von 25%. Die SVP blieb damit mit ihren 2 Sitzen die stärkste Partei in der Thurgauer Regierung (2 SVP, 1 CVP, 1 FDP, 1 SP)
[20].
Anfang Mai trat FDP-Regierungsrätin Dorothée Fierz nach starken Spannungen innerhalb der Kantonsregierung und dem Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung von ihrem Amt als Baudirektorin zurück
[21]. Aus der Vielzahl möglicher Kandidatinnen und Kandidaten verschiedener Parteien kristallisierten sich schliesslich Nationalrätin Ruth Genner (gp) und
Ursula Gut (fdp) heraus. Während Ruth Genner von Beginn an als Kandidatin der Grünen feststand, taten sich die bürgerlichen Parteien mit der Auswahl lange schwer. Die SVP, deren Verhältnis zur FDP auch durch die Auseinandersetzungen rund um Dorothée Fierz getrübt war, brachte einige Kandidaten ins Spiel, bis sie sich ebenso wie die EDU zur Unterstützung der Freisinnigen Ursula Gut entschloss. EVP, CVP und die Grün-Liberalen Zürich (GliZ) entschieden sich zur Stimmfreigabe, die SP stellte sich hinter Ruth Genner. Ursula Gut und Ruth Genner führten einen sachbetonten Wahlkampf mit thematischen Schwerpunkten bei der kantonalen Finanzlage, der Flughafenerweiterung, dem Planungs- und Baugesetz und dem Ausländerstimmrecht. Dabei stellten sie ihre unterschiedlichen Positionen klar heraus und die Zürcherinnen und Zürcher vor eine Richtungswahl, die zugleich über das Fortbestehen der bürgerlichen Mehrheit im Regierungsrat (2 SP, 1 GliZ, 1 CVP, 2 FDP, 1 SVP) entschied. Bei einer Wahlbeteiligung von lediglich 28% fiel die Entscheidung deutlich aus: 56,6% stimmten für Ursula Gut und 42,1% für Ruth Genner. Damit konnte die FDP ihren frei gewordenen Sitz im Zürcher Regierungsrat verteidigen
[22].
[18] 1. Wahlgang vom 26.2.06:
NZZ und
SGT, 27.2.06. 2. Wahlgang vom 9.4.06:
SGT und
TA, 10.4.06. Wahlkampf:
NZZ, 23.2.06;
SGT, 10.1.–23.2.06.
[19] 1. Wahlgang vom 12.2.06: Presse vom 13.2.06. Wahlanalyse:
BaZ, 14.2.06;
NZZ, 16.2.06;
TA, 15.2.06. Zur Kandidatur von Saskia Frei:
AZ, 5.1. und 4.2.06;
BaZ, 7.1.–4.2.06;
TA, 8.2.06. 2. Wahlgang vom 19.3.06: Presse vom 20.3.06. Wahlkampf:
BaZ, 15.2.–17.3.06.
[20] Wahlen vom 12.2.06:
NZZ und
SGT, 13.2.06. Wahlkampf:
NZZ, 6.2.06;
SGT, 1.2. und 2.2.06.
[21] Zu den Auseinandersetzungen im Regierungsrat siehe u.a.
AZ, 6.5.06;
NZZ, 26.4. und 13.5.06.
[22] Wahlen vom 09.07.06: Presse vom 10.07.06. Wahlkampf:
NZZ, 3.6.–1.7.06;
TA, 30.5.–1.7.06. Wahlanalyse:
NZZ, 11.7. und 15.7.06.
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