Année politique Suisse 2006 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Indirekte Steuern
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Mehrwertsteuer-Gesetz
Im Berichtsjahr stimmten die Räte insgesamt elf Motionen zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer und zur Vereinheitlichung der Steuersätze zu: Der Nationalrat überwies zwei von der kleinen Kammer im Vorjahr gebilligte Vorstösse der WAK-SR, je zwei Motionen der Fraktionen der CVP, der SVP und von Philipp Müller (fdp, AG) sowie je eine Motion Schlüer (svp, ZH) und Triponez (fdp, BE), der Ständerat eine Motion Frick (cvp, SZ). Die Vorstösse forderten u.a. eine Befristung der Ausnahmen von der Mehrwertsteuer auf fünf Jahre, eine Vereinfachung der Deklaration (u.a. Massnahmen, damit die Mehrwertsteuerabrechnung möglichst rasch elektronisch eingereicht werden kann; anwendungsfreundliche Publikation aller Instruktionen und Entscheide auf Internet; konsequente Umsetzung der Systematik), vorteilhaftere Saldosteuersätze bei der vereinfachten Abrechnungsmethode, raschere Auskunft der Eidg. Steuerverwaltung auf schriftliche Anfragen zu den mehrwertsteuerlichen Konsequenzen von konkret umschriebenen Sachverhalten, mehr Rechtssicherheit in der Mehrwertsteuer (formeller Entscheid nach jeder Mehrwertsteuerrevision, gleich lange Spiesse im Revisions- und im Einspracheverfahren, uneingeschränkte Respektierung der Rechte der Angeschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren) sowie Genehmigung der Weisungen der Mehrwertsteuerbehörden durch den Vorsteher des EFD, um Gleichheit herzustellen mit anderen von der Regierung erlassenen Verordnungen. Bundesrat Merz betrachtete die Vorstösse als Rückenwind und Ermunterung für die laufenden Arbeiten [40].
Im Herbst gab Finanzminister Merz bekannt, er strebe eine Mehrwertsteuer mit einem Einheitssatz von 6% an und wolle die heute bestehende Differenzierung zwischen Normalsatz (7,6%), ermässigtem Satz (2,4% für Nahrungsmittel) und Sondersatz (3,6% für die Hotellerie) streichen. Die Zahl der 25 von der Steuer ausgenommenen Bereiche soll auf fünf (Banken, Versicherungen, Wohnungsmieten, hoheitliche Leistungen der öffentlichen Hand und Landwirtschaft) reduziert werden. Dies hätte einen einmaligen Kostenschub bei den Krankenkassenprämien von 4% zur Folge. Auch von Privaten finanzierte Bildungsinstitutionen dürften sich um 80 Mio Fr. verteuern. Laut Berechnungen der Steuerverwaltung führe die Reform zu einer Mehrbelastung des Mittelstands. Während die FDP die Stossrichtung begrüsste, kündeten SP und CVP Widerstand an. Die SVP sprach von einer politischen Totgeburt [41].
Diskussionslos überwies der Nationalrat eine Motion Darbellay (cvp, VS), welche den grenzüberschreitenden Busverkehr mit dem Eisenbahn- und Luftverkehr in Bezug auf die Mehrwertsteuer gleich behandeln will [42]. Abgelehnt wurde eine Motion Chevrier (cvp, VS) zur gesonderten Besteuerung von Luxusgütern. Bundesrat Merz erklärte, dass die Regierung nicht noch einen weiteren Sondersatz wolle. Zudem stelle sich die Frage der Abgrenzung, was denn Luxusgüter überhaupt seien [43]. Ebenfalls keine Chance hatte eine Motion der Grünen Fraktion, welche eine Erhöhung des Anteils am Mehrwertsteuerertrag, der zugunsten unterer Einkommensschichten verwendet werden muss (z.B. Krankenkassenprämienverbilligung) von 5% auf 10% verlangt hatte [44].
 
[40] AB NR, 2006, S. 86 ff. (WAK-SR), 98 ff. (Triponez), 118 ff. (Schlüer), 488 (CVP), 610 ff. (SVP) und 2027 (Müller) sowie Beilagen I, S. 513 und 516 (CVP) und Beilagen V, S. 185 ff. (Müller); AB SR, 2006, S. 534 f. (Frick); Presse vom 9.3.06; vgl. SPJ 2005, S. 122. Ebenfalls überwiesen wurde ein Postulat Gutzwiller (fdp, ZH) zur Mehrwertsteuerproblematik bei Subventionen (AB NR, 2006, S. 2029 und Beilagen V, S. 207 f.).
[41] Presse vom 17.5.06; Bund und SGT, 31.10.06. Zur Auswirkung der Mehrwertsteuerreform auf die Hilfswerke und zur steuerlichen Gleichbehandlung von Ton- und Tonbildträgern mit Druckerzeugnissen siehe die Antworten des BR auf eine Frage Heim (sp, SO) resp. eine Interpellation Häberli (cvp, TG) in AB NR, 2006, S. 1405 resp. Beilagen III, S. 635 f.
[42] AB NR, 2006, S. 1113 und Beilagen III, S. 695 f.; zur Besteuerung von Unternehmen aus der EU siehe auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Barthassat (cvp, GE) in AB NR, 2006, Beilagen III, S. 678 ff.
[43] AB NR, 2006, S. 596 ff.
[44] AB NR, 2006, S. 115 f.