Année politique Suisse 2006 : Infrastruktur und Lebensraum / Energie / Energiepolitik
Im Berichtsjahr wurden die Beratungen über die
Neuordnung des Strommarktes fortgeführt, es konnten jedoch noch nicht alle Differenzen ausgeräumt werden
[9].
Der Ständerat widmete sich dem Geschäft in der Herbstsession. Seine vorberatende Kommission hatte die Vorlage gebündelt und legte dem Plenum nur noch das Stromversorgungsgesetz vor. In dieses wurde die Änderung des Energiegesetzes (Förderung erneuerbarer Energien) als Anhang integriert. Auf die Änderung des Elektrizitätsgesetzes sollte vorerst verzichtet werden. Der Rat trat auf die Vorlage ein.
Gemäss dem Vorschlag seiner Kommission entschied er, den Strommarkt in 2 Schritten zu öffnen; in der ersten Etappe nur für Grossverbraucher und erst nach Ablauf von 5 Jahren auch für KMU und private Haushalte. Der zweite Öffnungsschritt wurde dem fakultativen Referendum unterstellt. Ein Einzelantrag von Slongo (cvp, NW), den Markt sofort für alle Firmen zu öffnen, lehnte der Rat mit 29:7 Stimmen klar ab.
Auf Antrag seiner Kommission beschloss der Ständerat einstimmig, dass die grossen Elektrizitätswerke ihre Netze in Aktiengesellschaften überführen und diese innert fünf Jahren in eine nationale Netzgesellschaft integrieren müssen. Damit kam er sowohl den Linken als auch den Anhängern eines unverfälschten Marktes entgegen, schaffte aber eine weitere Differenz zum Nationalrat.
Bereits die Eintretensdebatte zu den erneuerbaren Energien zeigte grundsätzliche Differenzen zwischen Ratsrechter und Ratslinker. Während linke und grüne Votanten eine weitergehende Unterstützung forderten, warnten bürgerliche Vertreter vor zu grossen Erwartungen und erklärten, man könne die Atomkraftwerke nicht einfach beiseite lassen. Der Rat beschloss, dass die Wasserkraft bis zum Jahr 2030 um 5% ausgebaut werden soll. Die Kommission hatte eine Steigerung von 7-8% angestrebt. Eine knappe Mehrheit mit Sommaruga (sp, BE) an der Spitze lehnte diesen Vorschlag ab, weil sie befürchteten, dass dadurch der Gewässerschutz noch stärker unter Druck geraten könnte. Als weitere Differenz zum Nationalrat beschloss der Ständerat ein Sparziel. Der Endenergieverbrauch der privaten Haushalte soll bis zum Jahr 2030 mindestens auf dem heutigen Niveau stabilisiert werden. Den weitergehenden Antrag von Fetz (sp, BS), den Haushalt-Stromverbrauch bis 2030 um 15% zu senken, lehnte die kleine Kammer deutlich ab. Nach kurzer Diskussion nahm der Rat sodann einen Einzelantrag von Lauri (svp, BE) an, wonach im Gesetz unterstrichen werden soll, dass neue Anlagen zur Energieerzeugung nur an geeigneten Standorten errichtet werden dürfen. Dem Antragssteller ging es dabei in erster Linie um Windkraftwerke.
Bei der Einspeisevergütung für die Übernahme von Strom aus erneuerbaren Energien entschied der Ständerat mit 31:4 Stimmen, dass die Konsumenten einen Zuschlag von bis zu 0,5 Rappen pro Kilowattstunden zahlen sollen. Die Kommission wollte Unternehmen mit Elektrizitätskosten von mehr als 10% der Bruttowertschöpfung ganz von der Abgabe zur Finanzierung der Einspeisevergütung befreien. Der Rat sprach sich mit 26:12 Stimmen dafür aus, Unternehmen mit hohem Elektrizitätsverbrauch nur teilweise von dieser Gebühr zu entlasten. Im Gegensatz zum Nationalrat möchte er auch den Strom aus neuen kleinen Wasserkraftwerken mit einer Leistung bis zu 10 Megawatt kostengerecht vergüten und damit einen finanziellen Anreiz zum Ausbau der Wasserkraft schaffen.
Stark umstritten war die
Verteilung der Fördergelder auf die verschiedenen erneuerbaren Energien. Die Kommission wollte die maximale Vergütung pro eingespeister Kilowattstunde (kWh) auf das dreifache des Marktpreises beschränken. Da bei der Fotovoltaik die Produktionskosten weit über dem dreifachen Strompreis liegen, wäre diese Vergütung für sie nicht kostendeckend. Sommaruga (sp, BE) plädierte dafür, die Fotovoltaik nicht durch diese Obergrenze faktisch von einer Weiterentwicklung auszuschliessen, sondern einen fixen Anteil von höchstens15% der Einnahmen aus der Einspeisevergütung für ihre Förderung einzusetzen. Dieser Vorschlag unterlag mit 23:22 Stimmen, wobei Ratspräsident Büttiker (fdp, SO) den Stichentscheid fällte. Der Rat beschloss mit 25:18 Stimmen dem Antrag von Epiney (cvp, VS) zu folgen und die maximale Vergütung pro eingespeister kWh anfänglich auf das Fünffache, später auf das Vierfache und nach 11 Jahren auf das Dreifache des Marktpreises zu beschränken
[10].
Der Ständerat befasste sich zudem mit zwei im Vorjahr vom Nationalrat gutgeheissenen Motionen von Lustenberger (cvp, LU). Er lehnte die Motion über die
Förderung erneuerbarer Energien als erfüllt ab und nahm jene für ein
Gesamt-Energiekonzept für die nächsten 25 Jahre an
[11].
Die Vorlage ging zur Differenzbereinigung zurück an den Nationalrat. Dieser schloss sich in der Wintersession in den wesentlichen Punkten dem Ständerat an. Er war mit der Bündelung des Geschäfts in einer einzigen Vorlage, mit der nationalen Netzgesellschaft und mit dem Ziel der Verbrauchsstabilisierung bis 2035 einverstanden.
Beim Netzzugang blieb hingegen eine gewichtige Differenz zur kleinen Kammer bestehen. Der Nationalrat befürwortete zwar, den Strommarkt in zwei Schritten zu öffnen und die vollständige Liberalisierung dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Gegen den Widerstand der linken Ratsmitglieder stimmte er aber mit 91:85 Stimmen einem Minderheitsantrag von Rutschmann (svp, ZH) zu. Gemäss diesem Entscheid können sich Kleinunternehmen zusammenschliessen und bereits in der ersten Liberalisierungsetappe vom freien Marktzugang profitieren, falls sie einen gemeinsamen Jahresverbrauch von mindestens 100 Megawattstunden aufweisen.
Eine weitere Differenz blieb beim Artikel über Massnahmen zur Sicherstellung der Stromversorgung bestehen. Der Nationalrat folgte dem Kommissionsvorschlag und beschloss, erneuerbare Energien bei der Strombeschaffung zu bevorzugen. Ein Minderheitsantrag von Rutschmann (svp, ZH), der forderte, in diesem Punkt der kleinen Kammer zu folgen und erneuerbare Energien nicht zu privilegieren, wurde mit 103:75 Stimmen abgelehnt.
Bei der
Förderung von erneuerbaren Energien folgte der Nationalrat dem Antrag seiner Kommission und beschloss, die Mehrkosten für den Ökostrom auf die Strompreise aller Konsumenten zu überwälzen und einen Zuschlag von 0,6 Rappen pro Kilowattstunde (kWh) zu erheben. Der Ständerat hatte einen Zuschlag von 0,5 Rappen beschlossen. Ein Minderheitsantrag, der besonders stromintensive Unternehmen vom Zuschlag ausnehmen wollte, wurde im Nationalrat mit 116:57 Stimmen verworfen. Ebenfalls abgelehnt wurden zwei Minderheitsanträge die anstrebten, den Zuschlag bei 0,3 bzw. bei 0,5 Rappen pro kWh festzusetzen
[12].
[9]
AB SR, 2006, S. 822 ff.;
AB NR, 2006, S. 1752 ff. Vgl. auch
SPJ 2005, S. 135 f.
[10]
AB SR, 2006, S. 822 ff., 863 ff. und 889 ff.
[11]
AB SR, 2006, S. 907;
AB NR, 2005, S. 452 und 1974.
[12]
AB NR, 2006, S. 1752 ff.
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