Année politique Suisse 2006 : Infrastruktur und Lebensraum / Energie / Kernenergie
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Radioaktive Abfälle
Das neue Kernenergiegesetz verpflichtet die Schweizer Kernkraftwerkbetreiber ihre Bestände an radioaktivem Material im Ausland beim Bundesamt für Energie zu deklarieren. Gemäss den Angaben wurden im Berichtsjahr 2000 Tonnen Uran und knapp 2500 Kilogramm Plutonium im Ausland gelagert. Das Kernmaterial befand sich in Deutschland, Frankreich, Schweden, Grossbritannien und den USA. Der grösste Teil des Schweizer Kernmaterials im Ausland, nämlich 1642 Tonnen Natururan, war noch nicht in der Schweiz, es handelt sich um Material, das zur Herstellung von neuen Brennelementen eingekauft wurde [19].
Gemäss der Kernenergieverordnung von 2005 muss der Bund einen Sachplan für die Lagerung von radioaktiven Abfällen in geologischen Tiefenlagern ausarbeiten. Im März 2006 legte das Bundesamt für Energie (BFE) einen Entwurf für einen Fahrplan vor, nach dem zu verfahren ist, um einen Entscheid über einen Standort für ein geologisches Tiefenlager zu ermöglichen und mehrheitsfähig zu machen. Das BFE konsultierte anschliessend die kantonalen Fachstellen für Raumplanung und ergänzte den Entwurf mit ihren Anregungen. Der überarbeitete Entwurf wurde den betroffenen Behörden des Bundes und den Nachbarstaaten ab November zur Stellungnahme vorgelegt, die Vernehmlassung war am Ende des Berichtsjahres noch nicht abgeschlossen [20].
Laut dem Konzept des Bundesamts für Energie soll bei der Standortsuche für ein geologisches Tiefenlager maximale Transparenz herrschen, zudem sollen die betroffene Bevölkerung, politische Gruppierungen und ausländische Behörden mitwirken können. Ein Standortentscheid könnte demnach in 8-10 Jahren gefällt werden. In einer ersten Phase will der Bund geeignete Regionen evaluieren, dabei stehen sicherheitstechnische Kriterien im Vordergrund. In einem zweiten Schritt sollen je mindestens 2 potentielle Standorte für schwach- und mittelaktive sowie für hochradioaktive Abfälle ausgeschieden werden. Neben sicherheitstechnischen Gesichtspunkten sollen auch raumplanerische und sozioökonomische Aspekte berücksichtigt werden. Hierbei ist die Mitwirkung der betroffenen Regionen vorgesehen. In einer letzten Etappe wird der Bundesrat je einen Standort für schwach- und mittelaktive sowie für hochradioaktive Abfälle bezeichnen. Dieser Vorschlag muss vom Parlament genehmigt werden und untersteht dem fakultativen Referendum [21].
Die Kernkraftbefürworter begrüssten die Vorschläge des Bundes zur Lösung der Endlagerfrage. Sie betrachten das Problem der Lagerung von radioaktiven Abfällen als zentrales Hindernis für den Bau neuer Atomkraftwerke und möchten eine möglichst rasche Klärung dieser Frage. Kritisiert wurde der Sachplanentwurf dagegen von der atomkritischen Schweizerischen Energiestiftung. Sie beanstandete unter anderem die ungenügenden Mitwirkungsmöglichkeiten der betroffenen Bevölkerung [22].
Im Juni akzeptierte der Bundesrat den Entsorgungsnachweis der Nagra für radioaktive Abfälle. Der Entsorgungsnachweis war 2002 eingereicht worden und basiert auf den Nagra-Untersuchungen im Opalinuston des Zürcher Weinlands. Zwischen 2003 und 2005 wurde er von den zuständigen Bundesbehörden und Fachkommissionen umfassend geprüft. Trotz einiger Kritikpunkte kamen sie zum Schluss, dass der Nachweis grundsätzlich erbracht sei. Der Bundesrat betonte, dass mit dem Entsorgungsnachweis lediglich die grundsätzliche Machbarkeit der Entsorgung radioaktiver Abfälle in einer bestimmten Schicht bejaht werde, dass damit aber noch kein Standortentscheid für ein geologisches Tiefenlager gefällt werde [23].
 
[19] NZZ und QJ, 24.4.06. Zum neuen Kernenergiegesetz vgl. SPJ 2003, S. 150 f.
[20] BaZ, 16.2.06; NZZ, 2.11.06.
[21] BaZ, 16.2.06; AZ und TA, 16.3.06. Vgl. SPJ 2004, S. 123.
[22] TA, 15.3.06; NZZ, 16.3.06.
[23] AZ, NZZ und TA, 29.6.06. Vgl. SPJ 2005, S. 138.