Année politique Suisse 2006 : Infrastruktur und Lebensraum / Verkehr und Kommunikation
Generelle Verkehrspolitik
Der Bundesrat verabschiedete den
Sachplan Verkehr. Dieser soll eine koordinierte und nachhaltige Entwicklung der Verkehrswege Strasse, Schiene, Luft und Wasser ermöglichen. Der Sachplan Verkehr ist ein Instrument der Raumplanung und für die Behörden verbindlich, er legt aber nicht fest, was wann gebaut wird
[1].
Gemäss einer erstmals erhobenen Analyse des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) und des BFS übersteigt der Gesamtnutzen des Landverkehrs in der Schweiz seine Kosten (inkl. Unfälle, Lärm und Umweltbelastung).
Strasse und Schiene weisen entgegen gängigen Vorurteilen einen
fast gleich hohen Kostendeckungsgrad von 92% resp. 93% auf
[2].
Laut dem Verband Schweizerischer Strassenbauunternehmer (Vestra) nahm der
Güterverkehr innerhalb Europas in den letzten zehn Jahren jährlich um 2,4% zu. Dabei wurde 72% der Gesamtmenge auf der Strasse, 16% auf der Schiene und 12% auf dem Wasser oder durch Pipelines transportiert. In der Schweiz wuchs die Gütermenge im alpenquerenden Verkehr im gleichen Zeitraum von 24,5 auf 34,1 Mio Tonnen (rund 40%) an. Der Marktanteil der Bahn sank auf 65% (-7 Prozentpunkte), während die Strasse ihren Anteil von 27% auf 35% steigerte. Angesichts der Prognosen des ARE, dass der Güterverkehr in der Schweiz bis 2030 um 56% zunehme, forderte der Präsident der Vestra mehr Bundesmittel für den Ausbau von Strasse und Schiene
[3].
2005 durchquerten 1,2 Mio Lastwagen die Alpen – 51 000 (oder 4%) weniger als im Vorjahr. Das auf dem Alpenschutzartikel basierende, bis 2010 befristete Güterverkehrsgesetz verlangt, die Zahl dieser Lastwagenfahrten bis 2009 auf maximal 650 000 zu reduzieren. Der Bundesrat erachtete die Erreichung dieses Ziels als unrealistisch und schickte im Sommer einen Entwurf für ein neues Gesetz über die
Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene in drei Varianten in die Vernehmlassung: 1.) Verringerung der alpenquerenden Lastwagenfahrten auf 650 000 erst bis 2017 (zwei Jahre nach der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels) und Subventionierung des Güterschienenverkehrs mit weiterhin jährlich 285 Mio Fr.; damit sollen der unbegleitete kombinierte Verkehr und die „Rollende Landstrasse“ (Rola) bis 2017 etwa verdoppelt werden. 2.) Reduktion der Fahrten auf 1 Mio bis 2017 unter Beschränkung der Subventionen 2011-2017 auf 140 Mio Fr. pro Jahr. 3.) Substanzieller Ausbau der Rola, was die Einrichtung eines eigenwirtschaftlich zu betreibenden hochwertigen Angebots im Huckepackverkehr von Grenze zu Grenze bedingt, bspw. 400 000 Stellplätze (Lastwagen auf Bahnwagons) und Stundentakt. Alle drei Varianten sehen die Einführung einer Alpentransitbörse vor, welche vor wenigen Jahren noch auf Ablehnung gestossen war
[4].
Parteien und Verbände äusserten sich kritisch zur Vorlage: Die Vertreter der Alpeninitiative beharrten auf dem Reduktionsziel 2009 und unterstrichen dies mit einer Petition mit 40 000 Unterschriften. Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG stellte sich hinter den Verfassungsauftrag, lehnte aber eine Kontingentierung über eine Alpentransitbörse ab, da diese den Binnenverkehr diskriminiere; zudem entspreche der massive Ausbau der Rola nicht den Bedürfnissen der Wirtschaft. Bei den Parteien sprachen sich SP und Grüne gegen alle drei Varianten aus und verlangten die Einhaltung des Ziels bis 2009. Die CVP bevorzugte die erste Variante, allerdings ohne Alpentransitbörse. Die SVP verwarf ebenfalls alle drei Modelle und forderte eine auf Rentabilität ausgerichtete neue Vorlage. Die FDP wünschte eine vertiefte Problem- und Lösungsanalyse und Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten
[5].
Im Herbst beschlossen die sechs Verkehrsminister der Alpenländer Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Slowenien und Schweiz, neue Lösungen für den Transitverkehr durch die Alpen zu erarbeiten. Eine gemeinsam zu erstellende Studie soll die Möglichkeiten einer
Alpentransitbörse aufzeigen. EU-Verkehrskommissar Barrot sagte die finanzielle Unterstützung der Europäischen Union zu
[6].
Der Ständerat lehnte eine Motion Gentil (sp, JU) ab, welche die
Verlagerung der Güter auf die Schiene nicht nur im Transitverkehr, sondern auch im Binnenverkehr verlangte. Laut Bundesrat sei dies durchaus erstrebenswert, jedoch nur mit zusätzlichen Subventionen zu erreichen, welche anderswo kompensiert werden müssten
[7].
Das Parlament verabschiedete das neue
Seilbahngesetz. Dieses konzentriert die Konzessionserteilung, Plangenehmigung, Baubewilligung und umweltrechtliche Spezialbewilligungen in einem einzigen Verfahren. Zuständige Behörde ist neu erstinstanzlich alleine das Bundesamt für Verkehr, für Skilifte und Kleinluftseilbahnen sind es weiterhin die Kantone. Die Räte nahmen nur geringfügige Änderungen an der Vorlage des Bundesrates vor: Der Seilbahnbauer und -betreiber ist für die angemessene Ausbildung des sicherheitsrelevanten Personals verantwortlich. Die Bedürfnisse von Behinderten sind generell und nicht nur bei neuen Seilbahnen zu berücksichtigen. Anders als Schifffahrtsgesellschaften und Eisenbahnen müssen Seilbahnunternehmen bei der Verlängerung der Konzession nicht jedes Mal die Gewährleistung der Sicherheit nachweisen, ihre Betriebsbewilligung wird unter Vorbehalt der Erfüllung der Sorgfaltspflicht verlängert
[8].
Der Nationalrat lehnte eine parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion im Vorprüfungsverfahren ab. Sie verlangte eine Parlamentarische Untersuchungskommission, welche die
Organisation und Strukturen des UVEK überprüfen sollte
[9].
[2] Presse vom 28.10.06;
Lit. Maibach.
[3]
BZ und
NZZ, 20.1.06; Presse vom 21.3.06.
[4]
BBl, 2006, S. 6653; Presse vom 25.2. und 6.7.06.
[5] Presse vom 10.10. und 28.11.06. Zur Problematik der Leerfahrten siehe die Antwort des BR auf eine Interpellation Recordon (gp, GE) in
AB NR, 2006, Beilagen I, S. 353.
[6]
LT und
NZZ, 21.10.06.
[7]
AB SR, 2006, S. 171 ff.;
AZ, 17.3.06.
[8]
AB NR, 2006, S. 425 ff., 1057 und 1145;
AB SR, 2006, S. 459 ff. und 617;
BBl, 2006, S. 5869 ff.; vgl.
SPJ 2005, S. 142; siehe auch oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).
[9]
AB NR, 2006, S. 654 ff.; siehe auch oben, Teil I, 1c (Verwaltung).
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