Année politique Suisse 2006 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Gesundheitspolitik
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Medikamente
Der Bundesrat genehmigte den Leistungsauftrag 2007-2010 an Swissmedic. Diverse Neuerungen sollen dazu beitragen, dass das viel kritisierte Heilmittelinstitut seine Aufgaben effizienter erfüllen kann. Der Auftrag besteht aus drei Teilen: Im ersten gibt der Bund die strategische Ausrichtung vor. Der zweite Teil regelt die zu erbringenden Leistungen und die finanziellen Rahmenbedingungen. Hier muss Swissmedic Abstriche machen. Der Bund reduziert seine jährliche Abgeltung schrittweise um 4%: von 16,6 Mio Fr. im Jahr 2007 auf 15,9 Mio Fr. im Jahr 2010. Im dritten Teil werden verschiedene praktische Punkte festgelegt. Neu übernimmt das Generalsekretariat des EDI vom BAG die Aufsichtsfunktion. Diese Regelung gewährleiste, dass das Institut unter der Aufsicht einer Behörde stehen wird, die nicht im Heilmittelbereich tätig ist. Mit der Neugestaltung des Leistungsauftrags kam der Bundesrat den Forderungen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats nach. Diese hatte eine einfachere und klarere Regelung der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen Swissmedic und dem BAG verlangt.Swissmedic stand seit seiner Gründung im Jahr 2002 regelmässig in der Kritik. Vorgeworfen wurde dem Institut unter anderem zu grosse Bürokratie. Im Oktober wechselte das Institut fast die gesamte Direktion aus [13].
2004 hatten beide Kammern zwei analogen Standesinitiativen der Kantone Genf und Wallis Folge gegeben, welche eine Präzisierung von Art. 33 des Heilmittelgesetzes verlangten. Dort war im Sinn der Korruptionsbekämpfung die Bestimmung eingefügt worden, dass den Personen und Institutionen, welche Medikamente verschreiben oder abgeben, dafür von den Herstellern keine geldwerten Vorteile angeboten werden dürfen. Dies hatte dazu geführt, dass die Pharmaindustrie die bisherige Praxis, Spitalapotheken als Grosskunden Rabatte zu gewähren, aufhob, was zu beträchtlichen Mehrkosten für die Kantone und die Krankenkassen führte. Gemäss den Standesinitiativen sollten Rabatte wieder zugelassen werden, allerdings nur unter der Bedingung, dass diese direkt und vollumfänglich den Patienten zugute kommen müssen. Der mit der konkreten Neuformulierung des Gesetzestextes beauftragte Ständerat hatte die beiden Initiativen 2005 abgeschrieben, da sich durch direkte Verhandlungen zwischen Pharmaproduzenten und den Kantonen mittlerweile eine Rechtspraxis etabliert habe, welche die Spitalrabatte wieder zulasse [14].
In der Kommission des Nationalrates setzte sich aber im Berichtsjahr die Auffassung durch, mit der Einigung zwischen den Herstellern und den Spitälern sei nur ein Teil des Problems gelöst worden. Die Lockerung der Bestimmung habe unter anderem auch dazu geführt, dass verschreibenden Ärzten vom Medikamentenversandhandel Mengenrabatte und andere geldwerte Vorteile gewährt würden, welche der Transparenz entbehrten und zu einer Mengenausweitung führen könnten, weshalb es verfrüht wäre, diese Frage ad acta zu legen. Gegen eine Kommissionsminderheit aus SVP und FDP, die sich der Argumentation des Ständerates anschliessen wollte, folgte der Nationalrat der Mehrheit seiner Kommission und widersetzte sich mit 81 zu 67 Stimmen der Abschreibung. Der Ständerat beharrte auf der Abschreibung, weshalb es dabei bleibt; er nahm aber eine umfassendere Motion seiner SGK an, welche den Bundesrat beauftragt, eine Regelung vorzuschlagen, die Klarheit schafft über die Transparenz und das zulässige Ausmass von Rabatten, die im Rahmen der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährt werden [15].
Im Vorjahr hatte der Ständerat auf Antrag des Bundesrates nur jenen Punkt einer Motion Sommaruga (sp, BE) angenommen, der auch für die Festsetzung der Preise von Generika den Vergleich mit den für die Bestimmung der Preise für Medikamente auf der kassenpflichtigen Spezialitätenliste beigezogenen Ländern verlangte. Diskussionslos stimmte nun auch der Nationalrat zu [16].
Ständerat Eugen David (cvp, SG) forderte in einem Postulat dazu auf, die Wirtschaftlichkeit von teuren Krebsmedikamenten zu überprüfen. Er kritisierte, dass der Preis eines Medikamentes auch dann nicht geändert wird, wenn sich der Umsatz vervielfacht hat. Das widerspreche grundlegenden ökonomischen Prinzipien. Weiter zeigte sich David besorgt, dass wegen der hohen Preise nicht mehr die ganze Bevölkerung von den Fortschritten in der Krebsforschung profitieren könnte. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats. Er sei sich der problematischen Preisentwicklung bei den Onkologika bewusst. Eine Analyse der Kosten der Herstellerfirmen sei deshalb notwenig. Je nach Ergebnis würden allfällige Massnahmen zur Preisdämpfung zu prüfen sein [17].
Im Einverständnis mit dem Bundesrat nahm der Nationalrat ein Postulat Robbiani (cvp, TI) an, welches anregt, es sei zu veranlassen, dass die Hersteller von Medikamenten verpflichtet werden, die Wirkstoffe und Hilfsmittel anzugeben, welche Allergien oder andere unerwünschte Wirkungen hervorrufen können. Dadurch würde die Heilmittelgesetzgebung der Lebensmittelgesetzgebung angeglichen [18].
Das neue System zur Abgeltung der Leistungen in Apotheken kann im Januar 2007 eingeführt werden. Der Bundesrat genehmigte Ende Jahr den Tarifvertrag zwischen Apothekerverband und Krankenversicherern, forderte aber Verbesserungen. Auch nach dem neuen Modell müssen die Patientinnen und Patienten für die Beratung bezahlen. Die Stiftung für Konsumentenschutz und der Preisüberwacher kritisierten dies. Bundesrat Couchepin verteidigte die Abgabe vor den Medien: Es sei wichtig, dass die Apotheken Teil der Qualitätskontrolle seien. Neu wird die bisherige Patienten-Pauschale durch eine Abgabe ersetzt, die pro Medikamentenbezug anfällt. Diese Regelung biete Verbesserungen für Patienten, die selten ein Medikament benötigten. Der Bundesrat habe die Tarifpartner jedoch aufgefordert, das System nochmals eingehender zu beleuchten und die Vertragsgenehmigung bis Ende 2008 befristet [19].
 
[13] Presse vom 20.10. und 21.11.06. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine noch nicht behandelte Ip. im NR (Geschäft 06.3041). Da er sich der Probleme bei Swissmedic durchaus bewusst war, stimmte der BR einem Postulat der SGK-NR zu, das von ihm einen Bericht über die Zulassungspraxis des Instituts verlangt (AB NR, 2006, S. 1575). Zu Fragen des Patentrechts und von Parallelimporten siehe oben, Teil I, 4a (Wettbewerb) sowie die Antwort des BR auf eine Frage im NR (AB NR, 2006, S. 1748).
[14] AB SR, 2005, S. 595 ff. Siehe SPJ 2004, S. 174 f.
[15] AB NR, 2006, S. 418 ff.; AB SR, 2006, S. 1123 ff.
[16] AB NR, 2005, S. 211. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Interpellation im SR (AB SR, 2006, S. 725). Vgl. SPJ 2006, S. 184.
[17] AB SR, 2006, S. 966.
[18] AB NR, 2006, S. 1575.
[19] Presse vom 22.12.06.