Année politique Suisse 2006 : Sozialpolitik / Gesundheit, Sozialhilfe, Sport / Sozialhilfe
print
Opferhilfe
Der Nationalrat behandelte als Erstrat die Totalrevision des Opferhilfegesetzes. Eintreten war unbestritten, obgleich die Sprecherin und der Sprecher der Fraktionen der SP und der GP kritisierten, dass der Entwurf die Lage der Opfer verschlechtere, weil es dem Bund und vor allem den Kantonen in erster Linie ums Sparen gehe. In der Detailberatung lehnte der Rat verschiedene Minderheitsanträge von linksgrüner Seite ab. Mit 109 zu 66 Stimmen stimmte er dem Antrag des Bundesrates zu, wonach keine Entschädigungen und Genugtuungen gewährt werden, wenn die Straftat im Ausland begangen worden ist. In der Vernehmlassung zum Gesetz war die Mehrheit der Antwortenden gegen diese Neuerung gewesen. Bundesrat Blocher rechtfertigte die Abkehr von der bisherigen Praxis: Es sei schwierig herauszufinden, was in der Ferne wirklich vorgefallen sei; zudem trügen „die Menschen auch eine Selbstverantwortung, damit sie nicht in Kriminalfälle verwickelt werden“. Für Grossereignisse wie Terroranschläge versprach er Sonderlösungen; dann würden Bund, Kantone und Reiseversicherer die Opfer entschädigen.
In einem weiteren zentralen Punkt folgte die bürgerliche Ratsmehrheit ebenfalls dem Bundesrat und beschloss auf starken Druck der Kantone mit 97 zu 56 Stimmen, dass die Genugtuung höchstens 70 000 Fr. für Opfer und 35 000 Fr. für Angehörige betragen darf. Auf Antrag der Kommission wurde zudem die Bestimmung gestrichen, dass die Kantone die Angebote der Opferhilfe publik zu machen haben. Unbestritten waren Verbesserungen im neuen Opferhilfegesetz: So können Gesuche bis fünf Jahre nach der Tat eingereicht werden, was vor allem für minderjährige Opfer sexueller Verbrechen wichtig ist, da für diese der Zeitpunkt des Fristbeginns neu ab Bekanntwerden der Straftat gilt. Der Nationalrat verabschiedete die Vorlage mit 103 zu 56 Stimmen [38].
 
[38] AB NR, 2006, S. 1079 ff.; Presse vom 23.6.06. Siehe SPJ 2005, S.